«Ich weiss nicht, ob von Versäumnissen die Rede war»

Rom, 20.7.17 (kath.ch) Nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts des Regensburger Rechtsanwalts Ulrich Weber zu Übergriffen und Missbrauchsfällen bei den Regensburger Domspatzen hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, Kardinal Gerhard Ludwig Müller als früheren Regensburger Bischof zu einer Entschuldigung aufgefordert. Dazu und zur Darstellung des Falls in den Medien bezieht der Kurienkardinal in einem Interview Stellung.

Stefanie Stahlhofen

Herr Kardinal Müller, was sagen Sie zu den Medienberichten über Ihre Rolle in Regensburg und der Forderung nach einer Entschuldigung?

Gerhard Ludwig Müller: Wenn man die differenzierte Analyse des Abschlussberichtes und die «Chronologie über die diözesane Aufarbeitung von Vorwürfen über sexuellen Missbrauch und Körperverletzung» auf der Homepage des Bistums genau studiert, wird man sich über manche Schlagzeilen mehr als wundern dürfen. Tatsache ist, dass ich als Diözesanbischof 2010 entschieden habe, die ersten einlaufenden Vorwürfe über gravierendes Fehlverhalten von Verantwortlichen bei den vier Einrichtungen der «Domspatzen» durch die Beauftragten des Bistums und eine Gruppe von Fachleuten aufarbeiten zu lassen. Die Domspatzen waren keine Stiftung kirchlichen Rechtes. Somit war dies ein Angebot, die zuständigen Personen und finanziellen Mittel der Diözese Regensburg für diese in ihren Dimensionen noch unabsehbare Arbeit zur Verfügung zu stellen. Im Abschlussbericht wurde mir ausdrücklich dafür gedankt. Nachdem 40 bis 50 Jahre nach den Untaten nichts geschehen war, hatte ich 2010 unmittelbar nach den ersten Meldungen diesen Prozess begonnen, der nun nach sieben Jahren seinen Abschluss gefunden hat. Daraus ergibt sich die Antwort auf den zweiten Teil der Frage.

Der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs räumte am Dienstag bei einer Pressekonferenz Versäumnisse ein und sagte, dies würden auch Sie heute so sehen. Ist dies korrekt widergegeben?

Müller: Ich weiss nicht, ob von Versäumnissen die Rede war. Jedenfalls wurde vonseiten der Diözesanleitung alles getan, was nach dem jeweiligen Erkenntnisstand erforderlich war. Im Abschlussbericht ist lediglich von Schwächen in der noch ganz unübersichtlichen Anfangsphase die Rede. Im Übrigen kann nicht der Bischof in eigener Person die operative und kommunikative Seite des Gesamtprozesses verantworten, die in die Zuständigkeit der dazu Beauftragten fällt. Erst drei Jahre nach dem Ende meiner Amtszeit zeigte sich, dass angesichts der enorm gewachsenen Grössenordnung eine nur für die Domspatzen zuständige Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Vorher wurden die Verdachtsfälle bei den Diözesanbeauftragten untersucht, und danach waren die Einrichtungen der Domspatzen als ganze Gegenstand der Untersuchung.

«Von Seiten der Diözesanleitung wurde alles getan, was nach jeweiligem Erkenntnisstand erforderlich war.»

In jüngster Zeit wurde auch viel über die Hintergründe Ihres Ausscheidens als Präfekt der Glaubenskongregation und ihre zukünftigen Pläne spekuliert…

Müller: Für die Nichtverlängerung meines fünfjährigen Mandates wurden keine Gründe genannt. Je nach der ideologischen Ausrichtung werden dann irgendwelche Erklärungen zusammenfantasiert, oft auch nur um Ressentiments abzureagieren. Unser Leben ist in Gottes Hand und er führt uns über Höhen und Täler zum Ziel. Darauf ist unser Blick gerichtet. Ich habe als Kardinal in Rom noch verschiedene Aufgaben. (cic)

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, 2017. | | © KNA
20. Juli 2017 | 11:23
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