Herbert-Haag-Preis 2015: Sabine Demel (rechts) überreicht Regina Amricht Quinn den Preis.
Schweiz

Herbert-Haag-Preis für eine Theologie, die an der Peripherie entsteht

Luzern, 9.3.15 (kath.ch) «Das Netz ist zerrissen und wir sind frei». Unter diesem Leitwort lud die Herbert Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche am Sonntag, 8. März, zum Festakt in das Hotel Schweizerhof Luzern. In diesem Jahr erhielten diesen Preis die Tübinger Theologin und Ethikerin Regina Ammicht Quinn und die Zeitschrift «Concilium» den Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche.

Vera Rüttimann

Dieser Festakt hätte Herbert Haag gewiss gefallen. Anwesend waren Gäste aus Deutschland, Österreich und der Slowakei. Ausgezeichnet wurden Personen, die sich lange schon ohne Scheu den brennenden Fragen der Menschen stellen und schmerzende Wunden in der Kirche mit ihrer Theologie offen thematisieren. So wie es einst auch Herbert Haag tat. Die Anwesenden erwiesen dem bekannten Luzerner Theologen, dessen Geburtstag sich am 11. Februar dieses Jahres zum hundertsten Mal jährte, denn auch die Referenz. Vor 30 Jahren wurde zudem die Stiftung für Freiheit in der Kirche ins Leben gerufen.

Kirche auf Verantwortung gegenüber moderner Welt verpflichten

Im ersten Teil des Festaktes wurde der Herbert-Haag-Preis der Internationalen theologischen Zeitschrift Concilium zugedacht. Sie wurde 1965 von renommierten Konzilstheologen wie Hans Küng und Karl Rahner gegründet. Der indische Befreiungstheologe Felix Wilfred und Präsident der Zeitschrift, konnte ihn aus den Händen von Erwin Koller, Präsident der Herbert-Haag-Stiftung, entgegen nehmen. Koller würdigte Concilium in seinem Grusswort als Zeitschrift, die sich in den letzten 50 Jahren stets mit den Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils auseinandergesetzt habe und sich nie gescheut habe, «die restaurativen Kräfte der Kirche auf das Konzil und die Kirche auf ihre Verantwortung gegenüber der modernen Welt zu verpflichten».

Wie es der Zeitschrift heute gelingt, die Aufbrüche und Visionen des Konzils für künftige Generationen fruchtbar zu machen, schilderte Wilfred. Mit Themen wie Migration, Flüchtlinge und interreligiöser Dialog sei die Zeitschrift aufgefordert, ihr Profil weiterzuentwickeln und eigene Antworten zu finden. Erfreulicherweise werden ihre theologischen Ansätze geschätzt, neuerdings auch immer mehr unter Christen in den Entwicklungsländern. Die Mission der Zeitschrift, so Wilfred, habe zudem durch das Auftreten von Papst Franziskus merklich neuen Schwung erhalten. Concilium habe ein einzigartiges Vermächtnis, das jedoch auch Verantwortung bedeute. Für Wilfred heisst das, «den Dialog quer durch alle Kontinente, Kulturen und Traditionen zu suchen».

Neue Sicht auf Sexualität, Körper und Religion

Die zweite Trägerin des diesjährigen Herbert-Haag-Preises, Regina Ammicht Quinn, gehört zum Herausgeberkreis dieser Zeitschrift. Die streitbare Denkerin, die als theologische Ethikerin an der Universität Tübingen lehrt, tritt seit über 20 Jahren unermüdlich dafür ein, dass Erotik, Heiligkeit und Mystik einander nicht fremd sind, sondern zusammen gedacht werden. Eine Sichtweise, die sie mit Herbert Haag teilt.

Am internationalen Tag der Frau erinnerte Sabine Demel, Vizepräsidentin der Herbert Haag-Stiftung, die interessierte Zuhörerschaft daran, wie mutig Ammicht Quinns neue Sicht auf Sexualität, Körper und Religion sowie auf Erotik noch vor 20 Jahren war war. «Über Liebe, Lust und Leidenschaft zu sprechen oder zu forschen, war und ist zum Teil bis heute noch ein striktes Tabu.» Überhöhte Moralprinzipien höher zu bewerten als die konkreten Lebenssituationen, Bedürfnisse und die Verletzlichkeit der Menschen, sei für Ammicht Quinn schlicht undenkbar. Die Laudatorin bezeichnete Ammicht Quinn in ihrer Würdigung als «Anwältin für die Freiheit in der Kirche auf die eigene Sexualität».

Zugluft unter «Nacken wärmenden Stolen»

Ammicht Quinn selbst sprach vom «Aussen», das nun ihre Heimat geworden sei. Sie fühlt sich wohl unter Querdenkern und Suchenden. Die Kirche sei voller innerer Emigrantinnen und Emigranten. So verstehe sie diesen Preis auch als Anerkennung für eine Theologie, die an den Rändern, in der Peripherie, entstehe. Der Theologin ging es immer schon um das Aufstossen von Türen. Sie verspürt, das zeigte ihr engagierter Auftritt, weiterhin Lust dazu, weil sie weiss, dass in abgeschlossenen Räumen Menschen sitzen, die «Angst vor Luftzügen haben», wie sie in ihrem Festvortrag sagte. So hofft sie, dass es weiter zieht «unter den Nacken wärmenden Stolen». (vr)

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Herbert-Haag-Preis 2015: Sabine Demel (rechts) überreicht Regina Amricht Quinn den Preis. | © 2015 Vera Rüttimann
9. März 2015 | 15:09
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