Der designierte Kardinal und ehemaliger Nuntius in der Schweiz Karl-Josef Rauber
Schweiz

«Haas hätte Nuntius werden können»

Rottenburg, 6.1.15 (kath.ch) Jene, welche die Schweiz nicht verstehen, sehen die Schweiz als einen Sonderfall, sagt der ehemalige Nuntius in der Schweiz, Karl-Josef Rauber, im Interview mit kath.ch. Rauber löste im Auftrag des Vatikan den «Fall Haas». Der damalige Bischof von Chur, Wolfgang Haas, polarisierte durch seine Haltung die Kirche im Bistum. Rauber erhält am 14. Februar den Kardinalspurpur.

Interview: Georges Scherrer / kath.ch

Frage: Was bedeutet für Sie die Ernennung zum Kardinal?

Karl-Josef Rauber: Damit habe ich nicht gerechnet. Für mich bedeutet es, dass ich dadurch noch mehr mit der Weltkirche verbunden bin und so natürlich auch besser ihre Freuden und Leiden teilen kann.

Frage: Ab 1991 kümmerten Sie sich um die heikle Situation im Bistum Chur, wo der konservative Bischof Wolfgang Haas residierte. Von 1993 bis 1997 waren Sie Nuntius in der Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Rauber: Ich habe eine sehr gute Erinnerung an die Schweiz. Ich bin mit den Menschen immer sehr gut ausgekommen. Man muss manchmal aber ein Bisschen, sagen wir mal, heftig sein und dann geht es auch wieder gut.

Frage: Waren Sie manchmal heftig in der Schweiz?

Rauber: In den Diskussion habe ich zuweilen etwas heftiger und klarer gesprochen, aber ohne irgendwelche Schimpfworte zu benützen. Manchmal muss es so sein.

Frage: Bischof Haas musste das Bistum Chur verlassen und wurde Erzbischof des neuen Erzbistums Liechtenstein. Sie sind rückblickend mit dieser Lösung zufrieden?

Rauber: Ich habe den Untergang von Bischof Haas nicht gewollt. Ich wollte aber andererseits der Situation Rechnung tragen, die er durch sein Verhalten geschaffen hat. Man hat ihm auch eine Lösung angeboten. Er hätte Nuntius werden können. Das hat er aber abgelehnt. Dann blieb von den guten Lösungen Liechtenstein. Er kommt ja aus diesem Land.

Frage: Ist das nun eine gute Lösung?

Rauber: Ich glaube schon.

Frage: Haben Sie den Kardinalspurpur für die guten Dienste erhalten, die Sie damals im völlig zerstrittenen Bistum Chur leisteten?

Rauber: Das weiss ich nicht. Ich weiss nicht einmal, inwieweit der Heilige Vater davon weiss. Ich habe ihm nichts davon erzählt.

Frage: Sie leben in Rottenburg. Besuchen Sie ab und zu die Schweiz?

Rauber: Ja, schon. Aber nur noch Randgebiete. Ins Zentrum bin ich nicht mehr gekommen. Das hängt auch mit meinem fortgeschrittenen Alter zusammen. Ich war zeitweise Krank. Ich habe aber die Schweiz im Zentrum meiner Erinnerungen. Ich erhalte immer wieder schöne Zeichen des Dankes aus der Schweiz. So hat mir etwa bereits ein Diakon mit einem sehr schönen Brief zu meiner Ernennung zum Kardinal gratuliert.

Frage: Wie schätzen Sie die Situation der katholischen Kirche in Europa ein.

Rauber: Das ist nicht einfach. Wenn ich mit Firmungen zu tun habe, dann scheint die Kirche noch in Ordnung zu sein. Dann ist die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Firmungen erinnern mich auch an die Schweiz, wo ich viel gefirmt habe.

Frage: Oft wird von der Kirche Schweiz, nicht zuletzt wegen des Nebeneinanders von kirchrechtlichen und staatskirchenrechtlichen Strukturen, als einem Sonderfall gesprochen. Ist die Schweiz ein Sonderfall?

Rauber: Jene, welche die Schweiz nicht verstehen, sprechen von einem Sonderfall. Man muss die Schweizer verstehen. Die Freiheit ist ein ganz bedeutendes Prinzip in der Schweiz. Dieses Prinzip macht auch nicht vor den Kirchentoren halt, sondern zieht in diese Kirche mit ein.

Frage: Also doch ein Sonderfall?

Rauber: Nein. Jeder Mensch ist anders. Wenn ein Mensch anders ist, dann kann ich nicht sagen, dass dieser ein Sonderfall ist. Es sollen nicht alle gleich geschoren sein und alle Völker eine gleiche Entwicklung haben. Die Schweiz hat ihre eigene Entwicklung. Ganz besonders kennzeichnend ist für das Land die Liebe der Freiheit.

Frage: Was wünschen Sie der Schweiz für die Zukunft?

Rauber: Die Schweiz soll ein offenes und freiheitliebendes Land bleiben und sich nicht abkapseln. Wenn sie niemanden mehr rein lässt, dann ist das nicht gut. Es soll auch ein sicheres Land bleiben. In der Schweiz kann man sehr gut leben, auch wenn das Land etwas teuer ist.

Frage: Kann die katholische Kirche Schweiz, abgesehen davon, dass sie über die Schweizergarde einen besonderen Schutzdienst für den Papst wahrnimmt, noch etwas anderes tun?

Rauber: Sie tut bereits vieles. Ich denke nur schon an die Geldsammlungen und internationalen Veranstaltungen, ihre Verbindungen zu den einzelnen Ländern in der Welt. Sie kann natürlich keine Priester in die Welt entsenden, sondern ist darauf angewiesen, dass Priester von aussen in das Land kommen.

Frage: Was bedeutet dieser Zuzug für das Land?

Rauber: Das bedeutet nicht viel. Auch hier in Deutschland haben wir viele Priester, die vom afrikanischen Kontinent oder von anderswo her stammen.

Frage: Bildet sich eine neue Form von katholischer Kirche in Mitteleuropa heraus?

Rauber: Das ist die Entwicklung in die Zukunft. Es ist eine Kirche, die sich nicht abkapselt. Die katholische Kirche muss in jeder Hinsicht, auch in der Schweiz, offen bleiben. (gs)

Lesen Sie auch: Bischof Fürer über Rauber – Originaltext aus der Festschrift von 2009 

Der designierte Kardinal und ehemaliger Nuntius in der Schweiz Karl-Josef Rauber | © KNA
6. Januar 2015 | 17:00
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