Präimplantationsdiagnostik
Schweiz

kath.ch-Kommentar zu PID: Güter abwägen – aber wie?

Zürich, 3.6.15 (kath.ch) Die Abstimmung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) spaltet die politischen Lager. Sie spaltet ebenso die katholische Kirche in der Schweiz. Für die einen handelt es sich um ein ethisches Grundprinzip, nicht in die menschliche Natur einzugreifen. Für die anderen ist es eine Anpassung an den europäischen Standard der Fortpflanzungsmedizin, der vielen Paaren helfen kann. Insbesondere steht das Selbstbestimmungsrecht von Frauen auf dem Spiel. Im Grunde haben beide Seiten Recht. Denn es stehen grundsätzliche Werte gegeneinander. Es handelt sich um einen typischen Fall von Güterabwägung, wie er in Ethik und Moraltheologie Gang und Gäbe ist.

Kühle Logik?

Die Unversehrtheit des menschlichen Lebens ist ein hoher Wert, gerade wenn es um den Eingriff in die genetischen Bahnen geht. Die PID kann dazu führen, dass Embryonen auf Vorrat eingefroren werden und sich daraus neue schwerwiegende Fragen zur Weiterverwendung ergeben. In unserer Konsumgesellschaft bewegt sich die Produktion von potentiell gesunden Embryonen in einer Marktlogik: Wenn es genug Nachfrage in der Bevölkerung gibt, soll auch dieses Problem mit den Mitteln der Fortpflanzungsmedizin gelöst werden. Gegen diese kühle Logik spricht die Unversehrtheit des Lebens, die wir nicht aus einer wirtschaftlichen oder politischen Begründung legitimieren können.

Für eine liberale politische Grundhaltung ist es klar, dass die Selbstbestimmung von Paaren den höheren Wert bildet. Mündige Bürgerinnen und Bürger sollen entscheiden, ob Sie die PID anwenden möchten oder nicht. Eine Einschränkung der technischen Möglichkeiten durch ethische Überlegungen kommt hier nicht in Frage. Wie kann es sein, dass eine bestimmte, zeitlich begrenzte Moral als Leitlinie für das Handeln des Menschen in einem Staat gelten kann? Wer so denkt, handelt als politisches Subjekt und stimmt der PID zu.

Zwickmühle

Ich gebe es zu: als wertkonservativer, aber gesellschaftsoffener Katholik bin ich bei dieser Ausgangslage in einer argen Zwickmühle. Seit Wochen gehen auch in meiner Brust die Wogen hin und her. Soll ich eine «liberale Eugenik» vermeiden, wie es die Schweizer Bischofskonferenz benennt, und deshalb die Selektion von Embryonen ablehnen? Oder halte ich es mit dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF, der die Autonomie der Frauen und die Verminderung von Leid in den Mittelpunkt stellt? Frauen sollen selbst bestimmen können, welches Leid für sie tragbar erscheint, argumentiert der SKF.

Wenn PID nur bei schweren Erbkrankheiten angewandt wird, könnte ich mit einem Ja leben. Und trotzdem wäre dies ein weiterer Schritt, der wiederum neuen Technologien und damit weitergehender Risikoabwägung bei der Embryonenanalyse Tür und Tor öffnet. – Das wertkonservative Herz sagt also Nein, der Verstand sagt Ja. So einfach und gleichzeitig kompliziert ist diese Entscheidung.

Charles Martig, Direktor Katholisches Medienzentrum

Dossier zur PID-Abstimmung mit aktuellen Medienartikeln und Stellungnahmen

Präimplantationsdiagnostik | © Keystone
3. Juni 2015 | 12:27
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