Gmür: Ein Bischof kann übergriffige Priester nicht zur Therapie «verdonnern»

Zürich, 26.3.17 (kath.ch) Nach den Worten des Basler Bischofs Felix Gmür haben Bischöfe «sehr wenig Möglichkeiten», übergriffige Priester, denen es an Einsicht fehlt, zu einer Präventionsmassnahme «zu verdonnern». Gmür äusserte sich im Rahmen der TV-Sendung «Sternstunde Religion» von SRF vom 26. März zu kirchlichen Mitarbeitern, die sexuelle Übergriffe begehen.

«Mein Hauptproblem oder das aller Bischöfe ist: Was machen wir mit einem uneinsichtigen Täter?», so der Basler Bischof in der Sendung mit dem Titel «Wenn der Priester übergriffig wird». Mit einer Person also, die sich nicht bewusst ist, dass sie für andere und für sich selber eine Gefahr darstellt, und die davon ausgeht, es sei alles im «grünen Bereich».

Ein Ordensoberer habe dann mehr Möglichkeiten als ein Bischof, sagte Gmür. Dies gelte auch für eine Anstellungsbehörde, zum Beispiel eine Kirchgemeinde. Sie könne von einem Täter verlangen, dass er sich mit seinen Problemen auseinandersetzt.

Zuvor hatte der Therapeut Nico Bischoff, ebenfalls Gast in der Sendung, gesagt, dass Täter in der «hierarchischen Kirche» zu wenig in die Verantwortung genommen würden, indem man sie dazu verpflichtet, «an ihren Problemen zu arbeiten, die sie zu Tätern gemacht haben». Dies sei ein «Manko», so Bischoff, der früher Mitglied im Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) war.

Es braucht ehrliche Kommunikation in Seelsorgeteams

Die Theologin Monika Schmid, dritter Gast in der Sendung, stellte fest, dass in Sachen Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit noch Nachholbedarf bestehe. Diese Punkte werden in den Richtlinien der SBK betreffend «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» aufgeführt. In der Ausbildung und in den Seelsorgeteams müsste daran noch gearbeitet werden, findet die Pfarreibeauftragte der Pfarrei St. Martin in Effretikon ZH.

Schmid ist der Ansicht, dass in vielen Seelsorgeteams ehrliche und transparente Kommunikation nicht möglich sei. «Es wird fast nirgends so viel gelogen wie im Umfeld der Kirche.» Man wolle einfach nicht hinschauen. Wichtig wäre aber, hellhörig zu sein und Wahrnehmungen auch zu thematisieren. Seelsorgende sollten fähig werden, mit Kritik umzugehen. Es müsste möglich sein, jemandem eine Therapie zu empfehlen, oder ihn aufzufordern, eine geistliche Begleitung in Anspruch zu nehmen, sagte die Theologin.

Ist Sexualität ein Thema in der geistlichen Begleitung?

Gmür hatte zuvor auf die Bedeutung der geistlichen Begleitung in der Ausbildung hingewiesen. Im Rahmen einer solchen «kommt sicher alles auf den Tisch», auch sexuelle Phantasien. Die beiden anderen Gäste waren da nicht so sicher. Schmid äusserte Zweifel daran, ob die Leute aus ihrem Dekanat tatsächlich eine geistliche Begleitung in Anspruch nehmen, in der Fragen der Sexualität zur Sprache kommen. Therapeut Bischoff sagte: «Ich glaube, seelsorgerliche Gespräche haben sehr selten sexuelle Themen zum Inhalt.»

In der Ausbildung von Priestern spiele die «Selbsterfahrung» gerade auf dem Gebiet der Sexualität eine zu geringe Rolle, kritisierte Bischoff. Angehende Priester müssten sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre Sexualität innerhalb einer zölibatären Lebensführung lebten. Sie müssten auch fähig sein, Beziehungen zu gestalten, in denen sich Menschen öffnen, ohne dass gleichzeitig Grenzüberschreitungen passieren. (bal)

Der Basler Bischof Felix Gmür in der TV-Sendung «Sternstunde Religion» | © Screenshot
26. März 2017 | 11:35
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