CVP-Präsident Gerhard Pfister in der "Rundschau".
Schweiz

Gerhard Pfister und der CVP-Drahtseilakt in der Rundschau

Zürich, 3.11.16 (kath.ch) Was Gerhard Pfister derzeit in der Öffentlichkeit vollführt, ist ein gewagter Drahtseilakt ohne Netz. Das meint Charles Martig in seinem Kommentar zur «Wertedebatte» und zum Auftritt des CVP-Parteipräsidenten in der Rundschau des Schweizer Fernsehens SRF vom Mittwoch, 2. November.

Religion ist Privatsache – In der Schweiz gilt der Rechtsstaat für alle. Mit dieser Grundbotschaft im Live-Interview auf SRF hat Gerhard Pfister seine Linie in der Wertedebatte durchgehalten. Er hat sich zudem geweigert, für SRF Videobilder in einer Kirche zu drehen. Zurecht insistiert er auf dem Unterschied zwischen politischer Parteileitung und praktischer Religionsausübung. Die C-Partei kann es sich nicht leisten, als politischer Arm der katholischen Kirche wahrgenommen zu werden. Und Pfister weiss, dass solche Bilder viel stärker sind als jede Aussage im Interview. Deshalb hat er sich klugerweise dieser TV-Inszenierung entzogen.

Pfister hat seine Linie in der Wertedebatte durchgehalten

Moderator Sandro Brotz machte seine kritische Arbeit in der Rundschau sehr gut. Doch es gelang ihm nicht, Pfister in die anti-islamische Ecke zu drängen. Pfister konnte glaubhaft machen, dass er mit seiner Aussage «Muslime gehören zur Schweiz – der Islam nicht» keine Abgrenzungspolitik und keinen Populismus betreibt. Laut Pfister handelt es sich um eine historische Aussage.

Trotzdem befindet sich der Parteipräsident auf einem Drahtseilakt. Es gelingt ihm zwar derzeit, die Debatte über das Verhältnis von Religion und Politik in der Schweiz massgeblich zu beeinflussen. Dass er dafür die «Wertedebatte» aufruft und die Schweiz als «jüdisch-christliches Land» bezeichnet, hat jedoch einen nationalkonservativen Beigeschmack.

Pfister will die Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen, wie er im Interview sagt. Dabei geht es ihm vor allem um die Angst, dass eine Parallelgesellschaft mit eigenem Rechtssystem – namentlich die islamische Scharia – in der Schweiz entstehen könnte. Die aktuellen Ereignisse rund um die Schliessung der An’Nur Moschee in Winterthur sind Wasser auf seine Mühlen. Pfister gibt sich deshalb in seinem TV-Auftritt bereits siegesgewiss.

Der Preis für dieses politische Taktieren ist hoch

Allerdings ist der Preis für dieses politische Taktieren hoch. Es ist nicht gewiss, dass die CVP aus ihrem Wählertief herauskommt. Wenn der Zweck alle Mittel heiligt, dann kann diese Wertedebatte, die eigentlich eine rein politische Debatte ist, durchaus geführt werden. Es könnte jedoch auch ganz anders kommen. Wenn Pfister auf dem Drahtseil sein Gleichgewicht verlieren sollte, wäre die Fallhöhe relativ gross. Das wollen wir ihm nicht wünschen. Er hat sich in der Rundschau gut geschlagen und seine Botschaft geschickt platziert.

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CVP-Präsident Gerhard Pfister in der «Rundschau». | Screenshot
3. November 2016 | 15:04
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