Gedanken zum Festtag: Werte einbringen

Zum 17. September 2017 – Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag – Sir 27,30-28,7; Röm 14,7-9; Mt 18,21-35

Werte einbringen

Thomas Wallimann*

«Eidgenössisch» ist der heutige Sonntag! Der Bettag ist der einzige kirchliche Feiertag, der einen politischen Ursprung hat. 1832 wurde er von der Tagsatzung des damalig jungen Staates beschlossen. Dies sagt auch etwas über die damaligen Machtverhältnisse aus.

Bei der Einführung des Bettags waren es die politischen Machtkräfte, die angesichts der Veränderungen ihre Verantwortung für die Gesellschaft wahrnahmen. Sie spürten, dass für eine stabile gute Ordnung nicht nur politische Macht, sondern auch die Rückbindung an tragende Werte wichtig ist. Denn der Bettag wurde nicht zuletzt auch eingeführt, damit die neue Schweiz sich nach der französischen Revolution neu einen konnte.

In früheren Zeiten war die Kirche der Ort der gesellschaftlichen Macht. Damals wirkten die Klöster nicht nur als religiöse, sondern auch als wirtschaftliche und politische Zentren.

Wir können Politik, Kirche und Wirtschaft als drei wichtige Kräfte des gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachten. So schafft die Wirtschaft die materiellen Grundlagen für das Zusammenleben, während sich die Politik um Fragen der Gestaltung der Rahmenbedingungen, z.B. der Gesetze, kümmert. Die Kirche schliesslich bringt Wert- und Sinnfragen ein.

Die Geschichte des Bettags und der Klöster zeigt, dass jene, welche die Hauptverantwortung in der Gesellschaft tragen, eingeladen sind, auch andere gesellschaftlich Mittragende in diese Verantwortung einzubeziehen. Darum haben die Politiker bei der Einführung des Bettags nebst ihrer politischen auch die moralische Verantwortung wahrgenommen und die Wertgrundlagen für das Zusammenleben mit dem Bettag zu einem nationalen Gedenktag gemacht.

Heute sind es vielfach die Wirtschaft und ihre Führungsleute, die über unsere Gesellschaft bestimmen. Wie Wirtschaft funktioniert und wie ihre Führungsleute denken, was sie sagen und wie sie handeln, hat grossen Einfluss und bestimmt unser Zusammenleben – das zeigt ja nicht zuletzt auch die Erzählung im heutigen Evangelium, wo ein König von seinen Dienern Rechenschaft verlangt. Wirtschaftsführende tragen darum nicht nur eine wirtschaftliche, sondern eben auch eine gesamtgesellschaftliche und moralische Verantwortung.

So lässt mich der diesjährige Bettag Fragen an die wirtschaftlichen Führungsleute stellen: Wie nehmt ihr heute eure Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft wahr? Wie sollen nach euren Vorstellungen z.B. Profit, Geld, Wachstum mit Solidarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit zusammenspielen? Wie sieht ein Bettag aus, wenn ihn Wirtschaft und Kirche gemeinsam gestalten?

*Thomas Wallimann-Sasaki ist Theologe und Sozialethiker. Er ist Präsident a.i. der Nationalkommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz.

16. September 2017 | 16:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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