Jacqueline Keune

Gedanken zum Festtag: Ungeteilt

Gedanken zum 10. Februar 2016 – Aschermittwoch (Mt 6,1–6.16–18)

Ungeteilt

Jacqueline Keune*

Manchmal, wenn die kleine Anna mit ihrem Kinderkochgeschirr zugange ist und für uns alle Mittagessen macht, dann ist sie so innig bei der Sache – rührt in den kleinen Töpfen, schüttelt aus den leeren Händen immer neue Zutaten hinein, probiert und plappert vor sich hin, dass sie alles andere und sich selber vergisst. Es gibt nur noch ihre Töpfe. Und manchmal, da erfahre ich das selber, dass ich so intensiv an etwas oder mit jemandem bin, dass ich darüber alle Zeit vergesse. Und manchmal erfahren andere einem selber so und danken für etwas, was vielleicht schon lange zurückliegt, aber sehr kostbar für sie war. Selber kann man sich gar nicht mehr erinnern, weil man einfach nur zugehört oder in den Arm und nicht wahrgenommen hat, wie wichtig diese Stunde für diesen Menschen gewesen ist.

In einem Gleichnis lobt Jesus jene, die anderen liebevoll begegnet sind. Und die Gelobten fragen ungläubig zurück: Wann war das denn genau? Wann haben wir dir zu essen gegeben oder dich in der Psychiatrie besucht? – Ihr Tun war so selbstverständlich und selbstvergessen, dass sie sich nicht mehr erinnern, geschweige denn ob ihrer «guten Werke» innere Buchhaltung geführt hätten.

«Wenn du Almosen gibst, wenn du der Caritas spendest, wenn du einer Flüchtlingsfamilie Platz in deinem Haus mit den leeren Zimmern einräumst oder bei Sterbenden Nachtwache hältst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden …»

Es gibt eine Zuwendung, deren Triebfeder der Beifall ist. Es gibt ein Geben, das von der eigenen Solidarität begeistert ist. Es gibt eine Nächstenliebe, eine unauffällig auffällige, die sich im Grunde als Ware in einem Tauschhandel versteht, und ein Engagement, das genau rechnet. «Wer sich einen Namen machen will, der verliert seinen Namen», hat Rabbi Hillel gemeint. Aber mehr, ungleich mehr als dieses «Vor den Menschen, für Gott», gibt es dieses «Vor Gott, für die Menschen», das uns der andere Rabbi ans Herz legt.

*Jacqueline Keune, 52, ist freischaffende Theologin und lebt in Luzern.

Jacqueline Keune | © zVg
15. Januar 2016 | 10:00
Lesezeit: ca. 1 Min.
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