Shimon Peres
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Friedensnobelpreisträger Schimon Peres ist tot

Jerusalem, 28.9.16 (kath.ch) Letzte Ruhe für den «Mann des Friedens»: Friedensnobelpreisträger Schimon Peres stirbt mit 93 Jahren. Seine grösste Hoffnung, einen dauerhaften Frieden im eigenen Land erleben zu dürfen, hat sich nicht erfüllt. Dennoch hat Schimon Peres in mehr als 50 Jahren Dienst für Israel seinen Optimismus nicht verloren.

Andrea Krogmann

Er wurde nie vom Volk gewählt und war dennoch mehrfach Ministerpräsident, Aussenminister, stellvertretender Staatspräsident und schliesslich Präsident: Fast jedes wichtige politische Amt Israels hat Schimon Peres in mehr als 50 Jahren im Dienst für sein Land bekleidet. Am Mittwochmorgen starb der 93-Jährige Medienberichten zufolge an den Folgen eines Schlaganfalls – und mit ihm einer der verlässlichsten Fürsprecher für ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern.

Elf Jahre alt war der 1923 als Szimon Perski im polnischen Wiszniewo (heute Wischnewa, Weissrussland) Geborene, als er mit seinen Eltern nach Palästina auswanderte. Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der Arbeiterpartei und der Gewerkschaftsbewegung. Daneben kämpfte er in der jüdischen Miliz «Haganah» und war nach der Staatsgründung Israels 1948 massgeblich an der Aufrüstung beteiligt. 1959 wurde er erstmals als Abgeordneter in die Knesset gewählt.

Hartnäckig in die Politik

Hartnäckig und allen Niederlagen trotzend brachte er sich von da an in die Politik ein. Peres’ Engagement galt einem starken und jüdischen Israel. Es gebe im Judentum keinen Unterschied zwischen Religion und Nation, betonte er – und verurteilte zugleich den Missbrauch von Religion für das «Zementieren von Hergebrachtem». Für das Erreichen eines dauerhaften Friedens forderte er eine starke Führung. Es gelte, den alten Konflikt loszuwerden, da Bomben und Steine keine Alternative seien.

Ein «weiser und guter Mann», sagte Papst Franziskus bei einem Treffen mit Peres. Auch deutsche Politiker lobten den Staatsmann als Politiker mit Weitsicht, Realitätssinn und einem unermüdlichen Einsatz für den Frieden. Er habe Israel geprägt wie kaum ein anderer Politiker, erklärte etwa Bundespräsident Joachim Gauck in einem Kondolenzschreiben. Peres’ Projekte wie das 1997 gegründete Peres Center for Peace trügen entscheidend zur Stärkung von Austausch und Verständnis bei, hatte Gauck schon früher einmal gesagt. Peres’ Handeln sei «wegweisend für die deutsch-israelischen Beziehungen».

So sehr Peres’ Stimme und seine klaren Worte in der Welt geschätzt wurden – im eigenen Land galt er in seiner Hartnäckigkeit als arrogant und unnahbar. Das Festhalten an seiner Vision von einem friedlichen Nahen Osten, allen Intifadas und Kriegen zum Trotz, fand wenig Zustimmung und liessen ihn in den Augen vieler Landsleute als naiven Träumer dastehen. Bis er ohne nennenswerte Um- und Nebenwege offiziell in ein Amt gewählt wurde, sollten 48 Jahre vergehen: 2007 wurde er von der Knesset zum neunten Staatspräsidenten Israels gewählt – und damit faktisch zu einem der machtlosesten Menschen in Israels politischem System.

Friedenstaube

Im Sommer 2014 legte Peres als weltweit ältestes Staatsoberhaupt sein letztes offizielles Amt nieder, auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere und endlich auch im eigenen Land anerkannt. An seinem optimistischen Traum von Frieden und Sicherheit für Israel hielt er fest. «Stimme des Friedens», «Friedenstaube» oder ähnlich lauteten die Attribute, die Peres zugeschrieben wurden. Fast ikonisch waren die Bilder des Besuchs mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Vatikan.

Kritik an Peres

Bei allen Friedensbemühungen wurde auch Kritik an dem Nobelpreisträger geäussert. In den 1960er und 70er Jahren etwa habe er israelische Siedler verteidigt. Auch zum Ende seiner Amtszeit noch verurteilte Peres Boykottdrohungen gegen Israel wegen dessen Siedlungspolitik. Sein Einlenken auf den Friedenskurs des später ermordeten Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin sei in erster Linie pragmatischer Natur gewesen, sagen Vertraute.

Kritiker warfen ihm vor, als Staatsoberhaupt der Siedlungspolitik des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Legitimität verliehen zu haben. Harsche Worte für den bereits im Sterben liegenden Ex-Präsidenten fand der christliche Parlamentarier Basel Ghattas, der das «Festival der kollektiven Trauer» kritisierte. Dabei sei Peres eine «Säule des zionistischen Projekts expansiven Kolonialismus» gewesen und als solcher «von Kopf bis Fuss mit Blut bedeckt».

Wie auch immer man zu seiner Politik steht: Peres hat den Nahen Osten wie kaum ein anderer über ein halbes Jahrhundert mitgestaltet und seinen Optimismus bis zum Schluss nicht verloren. Seine grösste Hoffnung jedoch, einen dauerhaften Frieden im eigenen Land erleben zu dürfen, hat sich nicht erfüllt. (kna)

 

Shimon Peres | © KNA
28. September 2016 | 10:19
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