Hochverehrt: Padre Pio (1887-1968)
International

Franziskus setzt bei seiner Pilgerfahrt zu Padre Pio eigene Akzente

Rom, 17.3.18 (kath.ch) Pater Pio kommt in Italien kurz hinter der Madonna. Auch wenn an den Windschutzscheiben entgegen einem Klischee keine Galerien von Heiligenbildchen mehr kleben, sondern bestenfalls der Versicherungsbeleg, ist der graubärtige Kapuziner noch immer allenthalben präsent. Dementsprechend brachte es die Pilgerfahrt am Samstag des Papstes an die Pater-Pio-Stätten zur Top-Nachricht auch in säkularen Medien.

Burkhard Jürgens

Den Wirkungs- und Bestattungsort des 1968 gestorbenen Heiligen, die Kleinstadt San Giovanni Rotondo am Sporn des italienischen Stiefels, besuchten zwar schon 1987 Johannes Paul II. und 2009 Benedikt XVI.; aber Franziskus ist der erste Papst, der das Dorf Pietrelcina beehrte, wo Pio – mit bürgerlichem Namen Francesco Forgione – 1887 geboren wurde. Der Papst mit Vorliebe für Kurzreisen brachte beide Visiten in nur fünf Stunden unter.

Eine ansehnliche Menge harrte von den frühen, kühlen Morgenstunden an auf der Anhöhe bei Pietrelcina aus, wo Franziskus um acht Uhr bei dem kleinen Heiligtum mit dem Hubschrauber landen sollte. 30.000 waren es laut Behördenangaben in San Giovanni Rotondo. Wo Franziskus wirklich als Pilger auftrat, an den Gedenkorten des Heiligen, war er nahezu allein.

Die Wundmale Christi

Keine neugierigen Blicke, keine Fernsehbilder gibt es, als Franziskus minutenlang in der Kapelle an einem früheren Gebetsort Pios auf der Piana Romana verweilt. Der junge Kapuzinerpater pflegte dort abseits des Dorfs lange zu meditieren; hier zeigten sich seinem Bericht zufolge erstmals schmerzende Hautrötungen an Handflächen und Füssen, die Jahre darauf zu offenen Wunden werden sollten – Wundmale Christi.

Der Papst bei Pater Pio

Der Papst bei Pater Pio: unser Video zum Pastoralbesuch.

Gepostet von Vatican News am Samstag, 17. März 2018

Fast allein betritt Franziskus später das karge Zimmer Pios im Kapuzinerkonvent von San Giovanni Rotondo. Ebensowenig demonstrativ verläuft der Besuch vor dem Glasschrein des Heiligen. Kaum zwei Minuten steht der Papst vor dem aufgebahrten Leichnam, ehrt das Kruzifix, das dem Pater lieb und teuer war, mit einem Kuss, betet nochmals kurz vor dem Schrein und legt auf ihm eine Beichtstola nieder.

Kein Aufsehen bei intimen Begegnungen

Wenn Franziskus etwas wichtig ist, meidet er Zurschaustellung. Das galt auch für seine Begegnung mit krebskranken Kindern in der «Casa Sollievo della Sofferenza», einer von Pater Pio gegründeten Klinik neben der Wallfahrtskirche. Erst anschliessend verbreitete der Vatikan ein paar Bilder von den kurzen Dialogen an den Krankenbetten, den Tränen, dem scheuen Lächeln.

Zu seiner Herkunft stehen

Für die Menge draussen gibt es vorbereitete Ansprachen. Aber am stärksten wirkt Franziskus, wenn er vom Skript abweicht. In Pietrelcina lobt er die Heimatverbundenheit des berühmten Heiligen. «Nie hat er sein Dorf verleugnet, nie seine Herkunft verleugnet, nie seine Familie verleugnet», sagte der Papst. Das kommt gut an im ländlichen Süditalien. Umso mehr, wenn Franziskus Sinn für die Probleme der Region zeigt: Abwanderung und Überalterung.

So beklagt der Papst die erzwungene Arbeitsmigration junger Menschen. «Bittet die Madonna, dass sie euch die Gnade gibt, dass die jungen Leute Arbeit hier finden, bei euch, nahe der Familie», sagt der Papst. Die Bevölkerung altert – «aber das ist ein Schatz, die Alten sind ein Schatz». Er nennt sie «Protagonisten des Wachstums»; als Gedächtnis der Menschheit hätten sie sogar den Nobelpreis verdient, meint er.

Die Kleinen und Schwachen

Die Generationen an den Rändern des Arbeitslebens, die noch nicht und die nicht mehr Berufstägigen rückt er auch in San Giovanni Rotondo in den Blick. Franziskus, vor wenigen Minuten noch in der Kinderabteilung der Klinik, schweift beim Stichwort «Wegwerfkultur» von seiner Predigt ab. Drastisch wie selten verurteilt er die Tendenz, vermeintlich nutzloses Leben zu beseitigen.

Der Papst knüpft bei seiner Kindheit an, als die Lehrerin von dem Brauch im antiken Sparta erzählte, missgebildete Neugeborene zu töten, und die Schüler protestierten: «Wie grausam ist das denn! – Brüder und Schwestern, wir machen das Gleiche, mit mehr Grausamkeit, mehr Wissenschaft.» Die Kleinen, Schwachen, sagt er, «sind heute nicht gewünscht», und damit werde auch Jesus ausgeblendet. Das ist, auf simple Sätze reduziert, die Analyse des Papstes zur Krise der Ethik und zur Krise des Glaubens.

Wer erwartet oder gehofft hatte, Franziskus werde die Reise zu einer Verteidigung des durchaus umstrittenen Wunderkapuziners nutzen oder ihn gar zum Kirchenlehrer erheben, musste enttäuscht sein. Vielleicht ist Pater Pio wirklich so sehr Volksheiliger, dass er so etwas gar nicht nötig hat. (cic)

Hochverehrt: Padre Pio (1887-1968) | © Thomas Max Müller / pixelio.de
17. März 2018 | 17:59
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