Der Beginn der Schöpfungsgeschichte in der 9. deutschen Bibel vor Luther. Nürnberg: Anton Koberger, 1483.
Schweiz

Theologinnen argumentieren mit Bibel für Geschlechts-Gesetz

Basel, 4.10.18 (kath.ch) Das Schweizer Zivilgesetzbuch soll künftig eine vereinfachte Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister ermöglichen. Feministische Theologinnen zeigen, warum der Geschlechtervielfalt auch aus biblischer Sicht nichts entgegensteht.

«Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.» Dieser Satz im ersten Buch Mose im Alten Testament (Buch Genesis, 1,27) kennt für den Menschen als Geschöpf Gottes zwei Geschlechter, weiblich oder männlich. Sie sind äusserlich klar zu unterscheiden. Inter- oder transsexuelle Menschen sind hier kein Thema.

Auch ein Thema für die Kirchen

In der heutigen Gesellschaft allerdings schon. Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht, mit dem sie geboren wurden, identifizieren können, haben die Möglichkeit, es amtlich ändern zu lassen. Dazu ist auch eine dritte Geschlechtsbezeichnung für inter- oder transsexuelle Menschen im Gespräch. Der Bundesrat hat eine Gesetzesrevision für die «Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister» am 23. Mai in die Vernehmlassung geschickt.

Die Interessengemeinschaft (IG) feministischer Theologinnen Schweiz-Liechtenstein hat das Thema aufgenommen und plädiert dafür, dass sich die Kirchen damit auseinandersetzen.

Nicht mehr zeitgemäss

In einer Stellungnahme der IG werden die Begriffe kurz definiert und gezeigt, dass Menschen mit einer nicht eindeutig als Mann oder Frau zugeordneten Geschlechtsorientierung lange Zeit gegen ihren Willen sterilisiert und als krank bezeichnet wurden.

Die Theologinnen unterstützen die Vernehmlassungsantwort des «Transgender Network Switzerland» und weisen darauf hin, dass die Zweigeschlechterordnung die reale Geschlechtervielfalt heute nicht mehr abbilde.

Dazu verweisen sie auf den eingangs zitierten Bibeltext und halten fest, dass die Zweigeschlechtlichkeit in der Zeit der Entstehung der Schöpfungsberichte vor allem politische und wirtschaftliche Bedeutung gehabt habe. Aber in einer Zeit, in der etwa die Altersvorsorge nicht mehr von der Zahl der Kinder abhänge, verliere die auf zwei Geschlechter gegründete Gesellschaftsstruktur an Legitimität.

Vom «neutralen Erdling» zur Vielfalt

Gott habe den Menschen als «neutralen Erdling» – ohne Geschlechtsbezeichnung – geschaffen. Die im nächsten Satz oder an einer späteren Stelle erfolgte Unterscheidung in männlich und weiblich könnten nicht als dauerhafte Festlegung in zwei Geschlechter missverstanden werden.

Heute komme die Gesellschaft nicht mehr darum herum, die Vielfalt der Geschlechterbilder, der sexuellen Orientierung und der Bioethik zu berücksichtigen. Und dies, so die IG in ihrem Papier, müsse sich auch im Verständnis biblischer Texte niederschlagen.

«Es gibt nicht mehr Mann und Frau»

Die Schöpfungsordnung, schreiben die Theologinnen weiter, «wurde und wird häufig als starre Festlegung der Geschlechterrollen, des Lebenswandels und als Rechtfertigung zu einer strikten Sittlichkeitslehre missverstanden». Davon aber sei in der Bibel nicht die Rede.

Zudem führt die IG eine Stelle aus dem Neuen Testament an, die aus christlicher Sicht gleich jegliche Kategorisierung unter Menschen in Frage stellt. Im Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde von Galatien (Galaterbrief 3,28) heisst es: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‹einer› in Christus Jesus.»

Im Menschen so angelegt

Auf dieser Grundlage kommt die IG zum Schluss, dass die über Frau und Mann hinausgehende Geschlechtervielfalt auch aus theologischer Sicht zu begrüssen sei. Denn diese sei «von Gott selber im Menschen angelegt».

Die feministischen Theologinnen rufen deshalb dazu auf, die Kirchen sollten sich «stärker für die Belange von Transpersonen und Menschen mit Varianten in der Geschlechtsentwicklung» interessieren und engagieren. (ms)

Der Beginn der Schöpfungsgeschichte in der 9. deutschen Bibel vor Luther. Nürnberg: Anton Koberger, 1483. | © St. Gallen, Stiftsbibliothek, A rechts II 4, Bl. 5r. Stiftsbibliothek St. Gallen
4. Oktober 2018 | 16:02
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