Eva-Maria Faber
Schweiz

Eva-Maria Faber: «Synode entspannt den Kontext der Pfarrei-Initiative»

Zürich, 1.1.15 (kath.ch) Eine positive Interpretation des Abschlussdokuments zur Bischofssynode gab Eva-Maria Faber, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur, anlässlich der Herbstversammlung der Pfarrei-Initiative vom 31. Oktober. Im Interview mit kath.ch fasst sie ihre wichtigsten Aussagen, die zu einer Kursänderung der Pfarrei-Initiative führten, zusammen.

Sylvia Stam

Sie sprechen von einer positiven Lesart des Abschlussdokuments der Bischofssynode. Was ist daran positiv?

Eva-Maria Faber: Zwei Grundworte prägen das Abschlussdokument: Unterscheidung und Begleitung. Unterscheidung meint: Es darf keine Pauschalurteile mehr geben über Lebenssituationen, sondern es ist hinzuschauen, was Menschen in diesen Situationen erfahren, und auch, wie sie in diesen Situationen leiden. Damit verbietet sich eine Pauschalaussage etwa zu geschiedenen Wiederverheirateten. Wenn ich die Situation genau anschaue, ist klar, dass Begleitung ansteht und man mit diesen Menschen einen Weg gehen muss, der ihnen auch wirklich hilfreich sein kann.

Dadurch verschiebt sich der Schwerpunkt in diesen Fragen sehr klar auf die pfarreiliche Ebene. Das wiederum bedeutet eine grosse Herausforderung für Seelsorgende, die auch entsprechend ausgebildet sein müssen.

Laut Ihrer Interpretation ist die Zulassung zur Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete in Artikel 84 mitgemeint.

Faber: Artikel 84 des Abschlussdokuments sagt, dass man prüfen muss, «welche Formen der Exklusion im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können.» Es werden also verschiedene Bereiche angesprochen. Im liturgischen Bereich betrifft dies auch die Eucharistie. Sie ist aber nur ein Aspekt, deshalb ist die Formulierung so offen. Im liturgischen Bereich kommen auch andere Themen zum Tragen wie etwa die Taufe.

Aber die Lehre bleibt unangetastet!

Faber: An der Synode hat man diskutiert, ob es um eine Frage der Lehre oder der Disziplin geht. Der Weg, den man gegangen ist, war zu kurz, um auf der Ebene der Lehre genauer hinzuschauen und zum Beispiel in der Einsicht geschichtlicher Veränderungen der Ehetheologie die Lehre differenzierter wahrzunehmen. Eine Lösung wurde auf der Ebene der Disziplin, also des pastoralen Handelns gesucht: Wie soll man mit Situationen umgehen, wo Menschen diesem Anspruch nicht gerecht werden können?

Sie haben in Ihrem Referat den Begriff der «komplexen Situation» genannt, der den Begriff der «irregulären Situation» ersetzen könnte.

Faber: Es ist auffällig, dass im Text der Begriff der «komplexen Situationen» an den Stellen verwendet wird, wo man sonst eher von «irregulären Situationen» gesprochen hat. Im Vorfeld der Synode hat Papst Franziskus sich vom Begriff der «irregulären Situation» distanziert, weil er eben diese pauschale Verurteilung beinhaltet. Es greift zu kurz, ganze Situationen als irregulär zu bezeichnen, nur weil bestimmte Normen der Kirche in einem bestimmten Fall verletzt worden sind. Damit würde der konkrete Fall nur unter einer defizitären Perspektive angeschaut. Stattdessen muss man nun erst einmal verstehen, warum die Situation so ist. Das bringt eine ganz andere, positive Perspektive hinein.

Sie sagten an der Tagung der Pfarrei-Initiative zu den Anwesenden: «Tun Sie so, als hätten Sie alle auf ihrer Seite!» Wie meinen Sie das?

Faber: An der Synode konnte man beobachten, dass Positionen, die mit einer bestimmten Vehemenz vorgetragen wurden, Gegenreaktionen hervorriefen. Dieses Phänomen gilt allgemein: Positionen, die man in Abgrenzung zu anderen Positionen vorträgt, können bewirken, dass die Gegenposition verstärkt wird. Die Pfarrei-Initiative steht für Anliegen ein, von denen man bis jetzt der Meinung war, sie sehr stark gegen anders lautende Regeln behaupten zu müssen. Die Synode nun öffnet den Weg dafür, dass die Kirche insgesamt und offiziell eine andere Haltung annimmt, nämlich die Situationen genauer anzuschauen und nicht einfach verurteilend zu sein. Das entspannt den Kontext der Pfarrei-Initiative. Sie kann sich jetzt zum Anwalt von Einsichten machen, die von hochoffizieller Seite durch die Synode und in Ansprachen von Papst Franziskus thematisiert wurden.

Heisst das auch, dass man miteinander in Dialog tritt, wie das an der Synode der Fall war?

Faber: Die Synode war auch dadurch ein beeindruckender Prozess, dass über alle Verschiedenheit der Kulturen und Einstellungen hinweg ein gemeinsamer Weg gesucht wurde. Das ist auch bei uns in der Schweiz wichtig. Dann aber müssen alle Beteiligten wahrnehmen, dass nicht alle so denken, wie man selber denkt. Wichtig sind dann aber nicht Abgrenzungen, sondern Dialogversuche; Versuche, einen gemeinsamen Boden für die Pastoral in dem zu finden, wohin die Synode weist: eine respektvolle, unterscheidende Haltung gegenüber den Lebenssituationen der Menschen.

Sie unterrichten angehende Seelsorger in Chur und sprechen von einer positiven Lesart. Der Churer Generalvikar Martin Grichting spricht von der «Firewall des Heiligen Geistes», welche die kirchliche Lehre geschützt habe. Wie gehen Sie mit diesen Unterschieden in unmittelbarer Nähe um?

Faber: Ich habe meine Interpretation anhand des Dokumentes gemacht, das von der Synode veröffentlicht worden ist. Ich glaube, sie gut belegen zu können. Eine Auseinandersetzung über verschiedenartige Interpretationen müsste an den offiziellen Dokumenten der Synode erfolgen – dazu gehören auch die Ansprachen von Papst Franziskus – und Inhalt und Sinnspitze der Aussagen erfassen. Ich stütze meine Interpretation auf den Text; deswegen vertrete ich sie, weil das meiner Aufgabe und meiner Kompetenz entspricht. (sys)

Eva-Maria Faber ist Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule in Chur.

Eva-Maria Faber | © zVg
1. November 2015 | 17:33
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