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«Europäischer Tag des arbeitsfreien Sonntags»: ein Donnerstag als Weckruf

Bern, 3.3.16 (kath.ch) Der heutige 3. März ist «Europäischer Tag des arbeitsfreien Sonntags». Ein Donnerstag als offizieller Sonntags-Gedenktag? Steht er für das Donnerwetter, dem die Verteidiger des arbeitsfreien Sonntags derzeit ausgesetzt sind? Launische Nachfragen bei der Sonntagsallianz, zu der unter anderem Gewerkschaften und Kirchen gehören.

Remo Wiegand

Wolfgang Bürgstein muss passen. «Da bin ich überfragt», bekennt der bischöfliche Vertreter der Sonntagsallianz freimütig. Dafür weiss es der Gewerkschafter «Das hat mit Kaiser Konstantin zu tun», erklärt Arnaud Bouverat, Koordinator der Sonntagsallianz. «Am 3. März im Jahre 321 nach Christus verkündete er, dass der Sonntag ein verpflichtender Feiertag für alle sein soll.» Das wäre also mal geklärt: Der 3. März, heuer ein Donnerstag, ist ein fixer Gedenktag des arbeitsfreien Sonntags, der auf den ersten christlichen Kaiser zurückgeht.

Sonntagsruhe im Gegenwind

Doch das Bild ist zu passend, um es bereits historisch zu entsorgen: Ist der Donnerstag derzeit schlicht der ehrlichere Tag für die Verteidiger der Sonntagsruhe? Passt der Donner derzeit nicht sowohl zur politischen Grosswetterlage wie zur teils verbalen Vehemenz der Liberalisierungsgegner? «Das ist sicher nicht total falsch», ruft Unia-Gewerkschafter Bouverat ins Handy, dessen Stimme nur schwer zu hören ist im Gegenwind. Wolfgang Bürgstein bemüht derweil aus seinem Büro ein anderes, nicht weniger deutliches Bild: «Der Sonntag hat derzeit mehr als nur eine saisonale Grippe. Er hat eine chronische Erkrankung», sinniert der Generalsekretär der bischöflichen Kommission Justitia et Pax.

Rückblende: Im September 2013 erlaubt das Schweizer Stimmvolk den Tankstellenshops einen 24-Stunden-Betrieb – die Sonntagsallianz hatte dagegen das Referendum ergriffen, an vorderster Front engagierte sich der damalige Einsiedler Abt Martin Werlen. Februar 2015: Der Bundesrat erlaubt Einkaufszentren, die auf den Tourismus ausgerichtet sind, Sonntagsarbeit zuzulassen, Uhren- und Schmuckläden in Luzern und Interlaken, die Shoppingzentren «Foxtown» in Mendrisio und «Fashion Outlet» in Landquart (GR) machen davon Gebrauch. Ganz aktuell fordert in Bern eine Motion freies Sonntagshopping im Stadtzentrum, ähnliche Vorlagen gibt es im Wallis und seit gestern in Genf, wo Vorlagen den Sonntagsverkauf an vier Sonntagen pro Jahr verlangen.

«Unheilige» Allianz hält

Der Trend geht derzeit klar in Richtung einer Liberalisierung von Ladenöffnungszeiten, die auch vor dem Sonntag nicht Halt macht. Gewerkschaften und Kirchen halten die Entwicklung unisono für fatal, loben die sozialen und kulturellen Errungenschaften eines arbeitsfreien Sonntags, warnen vor dem Druck auf Angestellte, zitieren Arbeitsmediziner: «Es wurde klar festgestellt, dass die Gesundheit der Arbeitnehmenden sonst Schaden nehmen kann», argumentiert Bürgstein. «Der Sonntag muss für alle arbeitsfrei bleiben, damit gemeinsame familiäre und gesellschaftliche Aktivitäten möglich sind», ergänzt Bouverat.

Ein Theologe, der wie ein Gewerkschafter spricht, ein Gewerkschafter, der das Erbe des Christenkaisers würdigt – zumindest auf das Zusammenspiel der heterogenen Sonntagsallianz scheint die Krise ihres Anliegens nicht abzufärben. Im Gegenteil: Die ungleichen Partner, von Freikirchen bis zu den Jungsozialisten, reden sich gegenseitig stark: «Die Kirchen sind ein ganz wichtiger sozialer Akteur, die für den symbolischen Wert des Sonntags stehen», lobt Arnaud Bouverat, der zugleich beklagt, dass sie bei Gesetzesvorlagen von den Bundesbehörden, insbesondere von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, zu oft nicht angehört wurden. Auch Wolfgang Bürgstein bestätigt die gute Zusammenarbeit – und nimmt für die Kirche in Anspruch, in der Sonntagsallianz deutlich mehr als der Juniorpartner zu sein: «Die Gewerkschaften wissen, dass ihre Arbeitsrecht-Argumente eine begrenzte Reichweite haben, wir sind intern als Experten für die Gestaltung gesellschaftlicher Rhythmen sehr gefragt.»

Einseitige Defensivtaktik?

Bei aller Harmonie scheint die Sonntagsallianz derzeit von der Liberalisierungswelle überrollt zu werden. Sie argumentiert aus der Defensive, die je kämpferischer sie sich gebärdet, umso ohnmächtiger anmutet. «Wir sind in einer strategischen Position des Verteidigens», bestätigt Bürgstein. Wären aber nicht gerade die Kirchen gefordert, nicht den ewigen Werktag an die Wand zu malen, sondern Lust auf arbeitsfreie Sonntage und deren Möglichkeiten zu wecken? Warum zum Beispiel nicht erneut autofreie Sonntage propagieren, wie sie einst in den 70-er Jahren stattfanden? «Das war damals in Zeiten der Ölkrise der richtige Zeitpunkt dafür», relativiert Bürgstein, um den Steilpass dann aber aufzunehmen. «Wir sind durchaus an neuen Ideen interessiert, wie der Sonntag auch noch gestaltet werden könnte, wer welche hat, soll sich bei uns melden.»

Eine Idee könnte sein, den heutigen Donnerstag demonstrativ zum Sonntag zu erklären. Wie weiland Kaiser Konstantin vor genau 1695 Jahren. (rew)

Link zum Kurzfilm zum «Europäischen Tag des arbeitsfreien Sonntags»

Familie | © pixabay
3. März 2016 | 12:05
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Sonntagsallianz will Treffen mit Bundesrat

Die Sonntagsallianz hat heute, am 3. März, einen Brief an Bundespräsident Schneider-Amman geschickt. Darin ersucht sie um ein Treffen, um ihre Bedenken bezüglich Sonntagsarbeit darzulegen. Es gebe Probleme bei der Anwendung des Entscheids des Bundesrats von 2015, in dem er die Sonntagsarbeit in den auf Verkaufstourismus ausgerichteten Einkaufszentren bewilligte.

In der gleichzeitig versandten Mitteilung kritisierte die Allianz, dass der Bundersat am 1. Februar eine weitere Ausnahme des Sonntagsarbeitsverbots gemacht habe, diesmal im Outlet-Village in Landquart. Sie kritisiert auch politische Vorstösse in den Kantonen zur Lockerung des Sonntagsverkaufs sowie den Versuch der Schweizerischen Post, den Heimlieferservice von Coop auf Taxis auszulagern und so das Sonntagsarbeitsvorbot zu umgehen. «Die Sonntagsallianz ist beunruhigt über die Ausweitung der Sonntagsarbeit auf immer mehr Arbeitnehmende», heisst es in der Mitteilung.

Unterschrieben haben das Schreiben an den Bundesrat unter anderem der Präsident der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen AGCK.CH, Bischof Harald Rein, der Generalsekretär der Kommission der Schweizer Bischofskonferenz «Justitia et Pax», Wolfgang Bürgstein, die Co-Präsidentin der Evangelischen Frauen Schweiz, Lieselotte Fueter, der Beauftragte für Theologie und Ethik beim Schweizerischen Kirchenbund, Otto Schäfer sowie Exponenten der Gewerkschaften Syna und Unia.

Die Sonntagsallianz setzt sich aus Vertretern der Kirchen, aus Vereinigungen zum Schutz der Gesundheit und der Familie sowie aus Gewerkschaften zusammen. (rp)