Gottfried Locher, Urban Federer im persönlichen Gespräch unter Moderation von Walter Dürr
Schweiz

Eucharistie und Abendmahl bilden die «Mitte» gläubiger Christen

Freiburg, 23.6.18 (kath.ch) Vom 20. bis 22. Juni 2018 fanden an der Universität Freiburg die fünften Studientage zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung statt. Erstmals übernahmen die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) gemeinsam das Patronat. In einem Seminar widmeten sich der Einsiedler Abt Urban Federer und SEK-Ratspräsident Gottfried Locher dem Leitthema «In Christus – Gemeinsam zur Mitte». Einen weiteren gemeinsamen Auftritt hatten die beiden in einem öffentlichen persönlichen Gespräch.

Vera Rüttimann

Reformierte wie Katholiken kennen in ihrer Geschichte schmerzhafte Trennungen und Spaltungen. Dennoch mehren sich die Zeichen der Annäherung. Ein Thema, dass durch viele Referate und Redebeiträge an dieser Tagung durchschimmerte. So auch am Podium, an dem Rolf Höneisen, Chefredaktor von Idea Spektrum, Ratspräsident Gottfried Locher, Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln und Marc Jost, Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz, zum Gespräch begrüssen konnte.

«Kritiker monierten, das sei eine typisch katholische Zeichenhandlung gewesen.»

Erinnert wurde dabei an eine starke Geste der Versöhnung: Im April 2017 umarmen sich in Zug während eines Gottesdienstes Gottfried Locher und der Basler Bischof Felix Gmür und entschuldigten sich für das Unrecht, das mit der Kirchenspaltung entstanden ist.  Gottfried Locher sprach von einem starken Zeichen. «Die Reaktionen waren schön, aber nicht nur. Kritiker monierten, das sei eine typisch katholische Zeichenhandlung gewesen. Andere wollten sich von der katholischen Kirche nicht gerne umarmen lassen.»

Bei den Katholiken wurde diese Geste durchwegs positiv aufgenommen, erfuhren die über hundert Zuhörer im Saal des Uni-Gebäudes an der Avenue de l’Europe. Er sei froh, so Federer, habe auch Papst Franziskus die Wichtigkeit der Geste der Versöhnung in seiner Predigt während der Messe in Genf betont. Der Einsiedler Abt unterstrich: «Etwas vom Zentralen, was das Christentum von anderen Religionen unterscheidet, ist die Geste der Verzeihung. Das muss uns auch auszeichnen.»

Die Leere in der Mitte

Diese Studientage «In Christus – gemeinsam zur Mitte» riefen dazu auf, gemeinsam zur Mitte aufzubrechen. Moderator Rolf Höneisen fragte seine Podiumsgäste: «Was ist eure Mitte und wie definiert ihr diese?» Urban Federer bekundete Mühe mit dieser Frage: «Ich kann die Mitte nicht definieren. Die Mystik ist davon überzeugt, dass Gott nicht dann zu finden ist, wenn ich ihn besitze oder definiere», erläutert der Ordensmann. Er begegne Gott schon allein in dem, was viele als Weg bezeichnen. «Er ist sowohl Ziel, Weg und Quelle.» Für Gottfried Locher ist die Mitte schon im Wort «Kirche» enthalten. «Das Bekenntnis zu ihr und die Beziehung zu Christus ist für mich die Mitte.»

«Für mich bleibt diese Mitte ein Geheimnis.»

Beide Kirchenvertreter waren sich einig, dass das Geheimnis des Glaubens, das man während der Eucharistiefeier beziehungsweise Abendmahlfeier feiert, die «Mitte» sei, wonach Gläubige streben. Eine unterhaltsame Diskussion löste die Frage aus, was denn genau in und hinter dieser Mitte stecke. Ein Loch? Urban Federer kam für sich zum Schluss: «In den Bildern der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard war die Mitte oft leer. Doch dieser Ort ist einfach nur leer oder gar tot. Für mich bleibt diese Mitte ein Geheimnis.» Auch für Gottfried Locher ist dieser Ort per Verstand nicht zu erfassen, man müsse ihn spüren und erleben.

Der Streit ums Abendmahl

Trotz aller gegenseitiger Sympathien und inhaltlichen Gemeinsamkeiten waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dass die Abendmahls-Frage der zentrale Zankapfel zwischen Katholiken und Reformierten ist. Gottfried Locher sagte: «Es gibt eine grosse Sehnsucht nach Einheit, doch beide Konfessionen sitzen nicht gemeinsam an einem Tisch.» Für Locher müssen in dieser Frage jedoch bald Fortschritte erzielt werden.

«Wir Protestanten haben kein Verständnis mehr dafür, was ein Sakrament wirklich ist.»

Gottfried Locher kritisierte bezüglich der Abendmahls-Frage auch seine eigene Kirche: «Wir Protestanten haben hier ein Defizit. Wir haben kein Verständnis mehr dafür, was ein Sakrament wirklich ist. Kein Verständnis dafür, dass die Verkündigung des Evangeliums nicht nur auf der Kanzel passiert, sondern im übertragenen Sinne auch in einem Sakrament.» Beide Referenten waren sich jedoch einig in der Beobachtung, dass die Abendmahls-Frage bei den Reformierten in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen hat.

Alltag eines Christen

Am Freitagnachmittag kam es zu einem persönlichen Gespräch mit Gottfried Locher und Urban Federer, moderiert von Walter Dürr. Dieser wollte von seinen prominenten Gästen wissen, wie sie ihren Alltag als Christen leben. Während für Gottfried Locher das Abendmahl von zentraler Bedeutung ist, ist es für Urban Federer die tägliche Eucharistiefeier.

«Wir müssen jedoch still werden können, damit wir ganz offen werden für das Wort.»

Beide sprachen zudem von der Bedeutung von langen Spaziergängen in der Natur, von der Freude am Singen und dem Wert der Stille, die heute immer mehr verloren gehe. Urban Federer betonte: «Wir müssen jedoch still werden können, damit wir ganz offen werden für das Wort.» So sei es auch mit der Leere in einem drin. Wenn da mal nichts komme, sollte man nicht von Unruhe erfasst werden, sondern sie aushalten.

Gottfried Locher bewundert das Leben aus dem Gebet heraus, wie es Mönche tun. «Das muss etwas Wunderbares sein.» Von seinem gut aufgelegten Gesprächspartner auf der Bühne erfuhr er jedoch, wie herausfordernd es sein kann, wenn Verpflichtungen von aussen ihn aus seiner Tagesstruktur als Mönch herausreissen. Urban Federer sagte dem SEK-Präsidenten: «Ich merke immer wieder, wie gut es mir tut, wenn ich wieder nach Hause komme und ich mich im Kloster wieder einklinken kann.»

Positive Grundstimmung

Die Podiumsteilnehmer zogen eine positive Bilanz über die diesjährige Studientagung. Auch Abt Urban Federer fand eine gute Grundstimmung vor. Auf Nachfrage von kath.ch sagte er: «Hier haben wir über viele komplexe theologische Themen wie etwa das Abendmahl gesprochen. Ich spürte die Bereitschaft vieler, einander zuzuhören.» Das habe auch mit dem Hauptthema «Gemeinsam zur Mitte» zu tun. Einem Thema, das alle umtreibe, «weil uns doch mehr verbindet, als uns trennt.»

Freundschaften über Konfessionsgrenzen hinweg

Auch persönlich waren die Studientage für den Abt von Einsiedeln ein Gewinn. Im persönlichen Gespräch mit kath.ch sagte er: «Solche Tagungen bringen einem auch immer wieder Freundschaften über Konfessionsgrenzen hinweg.» Das könne dann auch dazu führen, dass man mitleide, wenn es einer anderen Kirche nicht gut gehe. Als Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz war für ihn zudem wichtig zu sehen, «dass die katholische Kirche auch vor Ort im Gespräch ist. Und das gleichzeitig, wenn der Papst in Genf ökumenische Noten setzt und uns dazu aufruft, dies ebenfalls zu tun.» (aktualisiert: 25.6. sys)

Gottfried Locher, Urban Federer im persönlichen Gespräch unter Moderation von Walter Dürr | © Vera Rüttimann
23. Juni 2018 | 16:28
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Studientage mit ökumenischem Gottesdienst

Vom 20. bis 22. Juni 2018 fanden an der Universität Freiburg die fünften Studientage zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung zum Thema «In Christus – Gemeinsam zur Mitte» statt. Das Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft wollte mit leitenden Persönlichkeiten aus Akademie und Kirche der Frage nachgehen, wie die Existenz in Christus zu einer vertieften Gemeinschaft unter den Kirchen und Denominationen beitragen kann. Am Freitagabend wurde im Rahmen der Studientage zum Abschluss ein ökumenischer Gottesdienst in der Kathedrale gefeiert. (vr)