Die Fussball-WM in Katar.
Schweiz

«Entscheidend is' auf'm Platz»

Hünenberg ZG, 14.6.18 (kath.ch) Fussball kann Menschen verbinden, aber auch ganz schön ungerecht sein. Ob der Videobeweis dabei weiterhilft, stellt Gemeindeleiter Christian Kelter von der Pfarrei Heilig Geist in Hünenberg, Kanton Zug, in seinem Gastkommentar zum Beginn der Fussball WM infrage. Und er macht dazu einen bemerkenswerten Vergleich zu einer aktuellen Auseinandersetzung in der katholischen Kirche.

«Ein Auge schaut auf uns herab, das über unsrem Leben wacht.» So langsam beunruhigt mich das Bild aus dem Hymnus der Laudes. Neben dem gütigen Gott denke ich neuerdings zwanghaft auch an Drohnen und Kameras im öffentlichen Raum. Und jetzt dann auch an den Videobeweis. Der wird mit der Fussball WM nämlich eingeführt.

Der Wahrheit will man dienen und dem sauberen Spiel

Fehlentscheidungen sollen so vermieden werden. Der Wahrheit will man dienen und dem sauberen Spiel. Das haben sich die Funktionäre fein ausgedacht. Tor oder nicht? Penalty ja oder nein? Rote oder bloss gelbe Karte? Ein Assistent aus dem Off greift fortan ins Spiel ein, sollte der Schiri eine falsche Entscheidung treffen.

Das geht gar nicht! Was uns hier im Namen der Gerechtigkeit verkauft wird, ist für mich ein Anschlag auf die Logik des Spiels und die Seele des Fussballs. Schliesslich lebt der vom Unberechenbaren. Da gewinnt eben nicht immer der Bessere, sondern manchmal auch der Glücklichere oder der Cleverere. Fussball kann auch ganz schön ungerecht sein. Ich weiss als Fan, wovon ich spreche.

Nirgends sind die Grenzen fliessender, als im Fussball

Und wenn der Ball erst mal rollt, ist alles andere vergessen. Alles Planen und Diskutieren ist dann passé. «Grau ist alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz!» Mit diesem Bonmot hat es Adi Preissler (1921-2003) ins Fussballgeschichtsbuch geschafft. Weil er für jedermann verständlich klärt, um was es geht.  Nirgends sind die Grenzen zwischen Individualität, Teamgeist, Taktik, Variabilität, Glück und Pech fliessender, als im Fussball. Fussball ist das echte Leben! Deshalb lieben wir ihn so! Und verbinden mit ihm Begeisterung und Leidenschaft.

Nichts aber killt Emotionen nachhaltiger als das Bewusstsein, in jede Aktion könnte plötzlich die Stimme von oben korrigierend eingreifen. Wie kann ich mich über ein Tor freuen, wenn dieses Minuten später vielleicht gar nicht mehr zählt? Freude und Lebenslust sind schwer kompatibel mit Kontrolle und Disziplinierung.

Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee

Ähnlich erlebt habe ich auch die römische Intervention in der Diskussion, ob reformierte Ehepartner zur Eucharistie gehen dürfen. Die Stimme aus dem Off sagt: «Gilt nicht!» Das macht nichts fairer und nichts wahrer. Das tötet aber Emotionen. Oder schürt die falschen. «Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee», schrieb der Fussballfan Franziskus im apostolischen Schreiben «Die Freude des Evangeliums» (Evangelii gaudium, 231).

Kennt der den Adi Preissler? «Auf’m Platz» ist die Frage ja schon geklärt. Die meisten Gläubigen haben ihre Lösung längst gefunden. Und beim Videobeweis hat sich gezeigt: Es gibt Situation, die sind auch mit bester Technik nicht eindeutig zu entscheiden. Es kommt immer auf die Kameraperspektive an. So ist das auch im Glaubensleben: «Entscheidend is’ auf’m Platz!»

Ich plädiere für einen Primat der Praxis

In Fussball und Kirche: Ich plädiere für einen Primat der Praxis und für Vertrauen in die Akteure. Und noch ein Tipp für alle, die meinen, den lieben Gott verteidigen zu müssen: Lasst es mal gut sein! Macht euch ein Bier auf und den Fernseher an. Das erdet. Und als Römer kann man diese WM ja eh ganz besonders entspannt verfolgen.

Die Fussball-WM in Katar. | © pixabay.com CCO
14. Juni 2018 | 06:15
Lesezeit: ca. 2 Min.
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