«Solar Impulse 2» auf dem Weg zur Erdumrundung
Schweiz

Engelforscher Wolff: Solar Impulse ist nicht Gottversuchung, sondern lehrt Achtsamkeit vor der Schöpfung

Zürich, 2.7.15 (kath.ch) «Solar Impulse» steht für Entschleunigung. Engel hätten alle Zeit der Welt, sagt der deutsche Engelforscher Uwe Wolff, der in der Schweiz katholische Theologie studierte. Die treibende Kraft hinter dem Solarflugzeug, das derzeit die Welt umrunden will, ist Bertrand Piccard. Ihm wünscht Wolff auch, dass dessen Projekt viele Menschen wieder für die Engel, «unsere unsichtbaren Wegbegleiter», sensibilisiert. Denn die Engel «lehren uns Achtsamkeit vor der Schöpfung, der Seele und Gott», sagt Wolff am Donnerstag, 2. Juli im Interview mit kath.ch. – Das Solarflugzeug befindet sich auf seinem Erdumrundungsflug.

Georges Scherrer

Assoziieren Sie Flugzeuge mit Engeln?

Uwe Wolff: Auf meinem letzten Flug von Zürich nach Genf flog ich bei schönstem Sonnenschein über die Schweizer Alpen. Da ergriff mich eine wunderbare Stimmung. Ich hatte plötzlich einen Überblick, der uns Erdbewohnern meistens fehlt, und dachte: Das ist der Blick der Engel!

Das Flugzeug «Solar Impulse 2» beeindruckt durch die riesige Spannweite. In der Luft schwebt das Gerät lautlos und äusserst langsam vorwärts. In seiner gemächlichen Art erinnert das Flugobjekt an Engel, wie sie auf Gemälden mit breiten Flügeln durch den Himmel schweben. Sind meine Assoziationen abwegig?

Wolff: Die Flügel der Vögel sind Vorbilder für die Flugzeugbauer und Künstler. Flugzeuge brauchen Tragflächen, um in der Luft schweben zu können. Engel dagegen fliegen schneller als das Licht und überwinden problemlos sämtliche Entfernungen. Zum Fliegen brauchen sie keine Flügel. Die Flügel der Engel sind Symbol für ihren Auftrag: Sie schützen und beflügeln.

Flugzeuge haben es eilig, Engel haben Zeit – ist Solar Impulse weniger ein Schutzengel, als vielmehr ein Engel, der für mehr Ruhe und innere Einkehr steht?

Wolff: Engel haben alle Zeit der Welt. Deshalb führen und leiten sie die Menschen mit Engelsgeduld zur Begegnung mit Gott. Juden, Christen und Muslime glauben, dass Gott der Schöpfer von Natur, Mensch, Tier und Pflanze ist. Die Sonne ist eines der vielen Symbole für die schöpferische Kraft. Gott ist wie die Sonne: Licht, Leben und Liebe.

Gab es bereits «technische» Engel?

Wolff: Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtet die Engelforschung (Angelologie) die Verbindung von Engel und Technik. Grund dafür sind moderne physikalische und elektrotechnische Vorstellungen von Energie. Solarzellen, das Internet, die gesamte Telekommunikation hat uns wieder an die Welt der unsichtbaren Boten herangeführt. Engel sind Energieströme Gottes. Sie sind unsichtbar anwesend und hoch wirksam, wie jene Sonnenstrahlen, die das Flugzeug «Solar Impulse 2» in der Luft halten oder wie Telephongespräche, die, aus den entlegensten Winkeln der Erde kommend, uns erreichen.

Ist Solar Impulse eher ein Engel, der eine Botschaft trägt, oder ein Ikarus, der Gott versucht?

Wolff: Zur Vorstellung von Engeln gehört die Möglichkeit der Grenzüberschreitung, wie sie der gefallene Engel in der christlich abendländischen Tradition oder Ikarus in der griechischen Mythologie symbolisieren. Bertrand Piccard ist weder Ikarus noch Lucifer. Mit Hilfe der Technik nutzt Solar Impulse die Energie des Lichtes. In diesem Vorgang ist ein Gleichnis und somit eine Botschaft enthalten: Nimm das Licht auf und lasse dich verwandeln!

Auffallend ist, dass die treibende Kraft hinter dem Projekt Solar Impulse, der Westschweizer Bertrand Piccard, in seinen Vorträgen sehr gern die Worte Glaube und Hoffnung verwendet. Vermischen sich in diesem Fall theologische mit technischen Wünschen?

Wolff: Die Aufklärung glaubte, dass Zeitalter der Religion gehe zu Ende. Das Gegenteil ist der Fall. Die moderne Technik hat die Menschen wieder für das Geheimnis des Lebens sensibilisiert wie Solar Impulse zeigt. Wissen und Weisheit bilden also keinen Widerspruch im 21. Jahrhundert. Viele grosse Forscher wussten, dass ein Leben ohne Glaube, Liebe, Hoffnung undenkbar ist. Wer sich wie Piccard wirklich auf die Naturgesetze einlässt und im Einklang mit der Natur leben möchte, der kommt auch mit einer religiösen Dimension in Berührung.

Piccard rechtfertigt sein teures Projekt mit dem Argument, auch die Luftfahrt müsse ökologischer werden, das heisst auf erneuerbare Energie – im konkreten Fall: die Sonnenenergie – setzen. Er unterstützt somit die von christlichen Kirchen erhobene Forderung, die den «Erhalt der Schöpfung» will. Hat Solar Impulse in dem Sinn eine religiöse Dimension?

Uwe Wolff: Der blaue Engel ist das Symbol für den Umweltschutz. In Familie, Kindergarten, Schule, Universität und Industrie gehört die Umwelterziehung zu den grundlegenden Aufgaben. Solar Impulse ist eine Möglichkeit, dieses Umweltbewusstsein zu fördern. Zu unserer Umwelt gehört aber auch die unsichtbare Welt der Engel. Engel bilden unsere geistige Umwelt. Sie lehren uns Achtsamkeit vor der Schöpfung, der Seele und Gott.

Was bedeuten Engel für Sie persönlich?

Uwe Wolff: Als ich mit dem Flugzeug über die Alpen flog und weit unter mir die Schönheit der Landschaft betrachten durfte, da erfüllte mich ein grosses Gefühl der Dankbarkeit. Ich wurde ergriffen von der grossen Herrlichkeit. Und plötzlich summte ich das alte Lied: «Alles, was Dich preisen kann, Cherubim und Seraphinen, stimmen dir ein Loblied an, alle Engel, die dir dienen, rufen dir stets ohne Ruh: Heilig, heilig, heilig! zu.» Ich wünsche Bertrand Piccards Projekt, dass es viele Menschen wieder für die Engel, unsere unsichtbaren Wegbegleiter, sensibilisiert. (gs)

Weitere Informationen: www.solarimpulse.com

 

«Solar Impulse 2» auf dem Weg zur Erdumrundung | © 2015 keystone
2. Juli 2015 | 12:08
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Uwe Wolff (*1955) unterrichtet als Privatdozent christliche Kulturgeschichte an der Universität Hildesheim/Deutschland. An der Universität Freiburg (Schweiz) hat er in katholischer Theologie bei Barbara Hallensleben mit einer Arbeit über den Schweizer reformierten Theologen und Hagiographen Walter Nigg promoviert und sich anschliessend mit einer Biographie über Edzard Schaper habilitiert. Wolff leitete zwei Jahrzehnte ein Lehrerseminar für angehende Religionslehrer. Seit 1989 ist der mehrfache Familienvater mit zahlreichen Studien, Vorträgen und Seminaren als Engelforscher hervorgetreten. Einblicke in seine Arbeit finden sich unter: www.engelforscher.de (gs)