André Gut in der Schlosskirche Beuggen in Badisch-Rheinfelden
Porträt

Ein Schweizer tritt dem Deutschen Orden bei

Katholisch und adlig mussten die Ritter des über 800 Jahre alten Deutschen Ordens sein, noch bis zum Ersten Weltkrieg. Heute reicht es, katholisch und Arzt zu sein. Das ist der Zürcher André Gut (48), einer von nur acht Schweizern unter den 1000 Mitgliedern des heute klerikalen Ordens.

Boris Burkhardt

Ein Faible für Historie braucht es wohl. Und das hat der gebürtige Zürcher André Gut (48), der heute im Kanton St. Gallen tätig ist. Seit Kindheit interessiert er sich leidenschaftlich für seine Familiengeschichte und die Wappenkunde. Das brachte ihn vor einem Jahr in Kontakt mit dem Deutschen Orden.

Im Juli wird Gut in München als Familiare in die Ordensgemeinschaft aufgenommen, nach einjähriger Probezeit. Er wird einer von nur acht Schweizern sein – unter den gut tausend Mitgliedern des Deutschen Ordens. Dieser lässt sich wie der Malteserorden direkt auf die Zeit der Kreuzfahrer zurückführen.

Statue des heiligen Georgs des "Drachentöters" in der Sankt Georg Basilika in Köln: Er ist Schutzpatron der "Three Lions".
Statue des heiligen Georgs des "Drachentöters" in der Sankt Georg Basilika in Köln: Er ist Schutzpatron der "Three Lions".

Zum Heiligen Georg auf Schloss Beuggen

Am 23. April trifft sich Gut mit anderen Deutschordensmitgliedern. Es ist der Gedenktag des Heiligen Georgs, der höchste Feiertag des Ordens. Treffpunkt ist das Schloss Beuggen in Badisch-Rheinfelden direkt am Rhein gegenüber der schweizerischen Schwesterstadt.

Schloss Beuggen wurde 1268 vom Deutschen Orden gebaut; es war fast 600 Jahre Sitz der Kommende Beuggen, einer Art Regionalregierung des Ritterordens. 1806 wurde das Schloss durch Napoleon säkularisiert, später gehörte es der Evangelischen Landeskirche in Baden. Seit 2016 ist es im Besitz von Privaten. Seit Juli 2021 gehört es dem Basler Verlagsspross und Gastronomen Alexander Schwabe.

Zurück nach 800 Jahren

Erst im letzten November sind die ehemaligen Besitzer wieder nach Beuggen zurückgekehrt. Nun nicht als Schlossherren, sondern als Gäste. Hier feierten sie die Buchveröffentlichung «800 Jahre Deutscher Orden an Ober-, Hochrhein und in der Schweiz». Autor und Ordensmitglied Pascal Schneller war massgeblich für das erste Treffen im alten Deutschordensschloss verantwortlich. Schneller ist gebürtiger Schweizer, lebt aber seit vielen Jahren im grenznahen Deutschland.

Mitglieder des Deutschen Ordens ziehen aus der Schlosskirche Beuggen im deutschen Rheinfelden aus, November 2021.
Mitglieder des Deutschen Ordens ziehen aus der Schlosskirche Beuggen im deutschen Rheinfelden aus, November 2021.

Malteser an Gottesdienst beteiligt

An diesem 23. April feiern die Ordensritter zum zweiten Mal die Heilige Messe in der Schlosskirche – unter der Leitung des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Generalabt Frank Bayard. Konzelebrant ist Weihbischof Peter Birkhofer aus Freiburg im Breisgau, ein Malteser. Mit dabei ist – wie erwähnt – der Zürcher André Gut.

Hauptzelebrant im Gottesdienst auf Schloss Beuggen war der Hochmeister des Deutschen Ordens, Generalabt Frank Bayard (mit Bischofsstab), Konzelebrant der Freiburger Weihbischof Peter Birkhofer (mit Mitra).
Hauptzelebrant im Gottesdienst auf Schloss Beuggen war der Hochmeister des Deutschen Ordens, Generalabt Frank Bayard (mit Bischofsstab), Konzelebrant der Freiburger Weihbischof Peter Birkhofer (mit Mitra).

Für ihn war der Deutsche Orden bis zu seiner ersten Begegnung vor einem Jahr nur eine historische Institution. Und doch entschied er sich, diesem Ritterorden beizutreten, deren Mitglieder ursprünglich ihren Adel bis ins 16. Glied der Ahnenreihe nachweisen mussten.

Arzt-Qualitäten passen

Er verfüge als Arzt und Katholik über die Eigenschaften, die die Essenz des Deutschen Ordens, die «drei Säulen», ausmachten, sagt André Gut beim Gespräch im Restaurant von Schloss Beuggen. Die Säulen sind: «Helfen, heilen, wehren.» Wobei der Orden «wehren» heute nicht kriegerisch verstehe, sondern «als eine geistige Haltung, den Glauben zu verteidigen, aber auch einzugreifen, wenn jemand in Not ist».

Denn obwohl das heutige Bild des Deutschen Ordens vor allem durch seine kriegerische Geschichte im Nahen Osten und im Baltikum geprägt ist, waren seine Mitglieder seit dem 13. Jahrhundert auch karitativ und missionarisch tätig. Der Orden ist aus einer Jerusalemer Spitalgemeinschaft entstanden.

Arzt
Arzt

Seit 1929 wird der Deutsche Orden von Ordenspriestern nach kanonischem Recht als klerikaler Orden geleitet. Seither nennen sich die Mitglieder nicht mehr Ritter, sondern «Familiaren». Das ist die übliche Bezeichnung für Laienangehörige eines klerikalen Ordens. Und so wird sich auch Gut bald nennen.

Vom Spitalsoldaten zum Medizinstudium

André Guts berufliche Laufbahn begann mit einer Lehre zum Hochbauzeichner. Während des Militärdiensts als Spitalsoldat entschied er sich um, für ein Medizinstudium. Er holte die Matura nach, engagierte sich in einem Jugendchor und als Firmandenbetreuer. Das Studium in Zürich schloss er 2010 mit dem Staatsexamen ab und promovierte anschliessend.

Danach arbeitete er in der Pathologie und Radiologie. Heute ist Gut in der medizinischen Kodierung und im Medizin-Controlling tätig.

Urgrossmutter erzählt Familiengeschichte

Das entscheidende Interesse, das André Gut schliesslich in Kontakt mit dem Deutschen Orden brachte, vermittelte ihm seine Urgrossmutter. «Sie erzählte mir viel von der Familie», sagt er. Damals war er erst etwa zehnjährig.

Fotos einer Familie
Fotos einer Familie

1988, mit 15 Jahren, begann er sich ernsthaft mit der Genealogie zu beschäftigen. 2001 wurde er Mitglied der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft Zürich. Seit 2018 ist er deren Präsident.

Auf den Spuren der Verwandtschaft

Bis ins 16. Jahrhundert und teilweise ins Mittelalter zurück verfolgt Gut seither die verwandtschaftlichen Beziehungen seiner Grossfamilie und der angeheirateten Familien. Er betont, seine Recherchen gingen «weit über einen Stammbaum» hinaus. «Damit ist man sein ganzes Leben beschäftigt.»

Ein bedeutender Teil von Guts Familienhistorie spielte sich im Wallis ab. Über diese Ahnen stiess er in den online zugänglichen Pfarrbüchern von Besançon auf eine Vorfahrenlinie. Über eine gängige Genealogieplattform stellte er fest, dass ein weiterer Familienforscher mit dieser Linie verwandt war: Pascal Schneller.

André Gut in der Schlosskirche Beuggen. Am Altar das schwarze Deutschordenskreuz zu erkennen.
André Gut in der Schlosskirche Beuggen. Am Altar das schwarze Deutschordenskreuz zu erkennen.

Kontakt zum anderen Familienforscher

«Meine Entdeckung machte ich am Karfreitag 2021; und ich nahm sofort zu Pascal Schneller Kontakt auf», erzählt Gut heute noch euphorisch: «Wir telefonierten gleich ein bis zwei Stunden miteinander.»

Es stellte sich heraus, dass Gut und Schneller in der zehnten Generation miteinander verwandt sind. Schneller lud Gut schon bald zu einem Treffen des Deutschen Ordens ein, das damals im deutschen Rastatt stattfand.

Einladung zum Orden

Der ledige Arzt und Ahnenforscher sagte sofort zu: «Es brauchte nicht viel Überzeugungskraft.» Allerdings gibt Gut zu, dass er sich für einen anderen Ritterorden genauso hätte begeistern können.

«Ich habe im Jugendchor den Wert des gemeinschaftlichen Lebens entdeckt», schwärmt Gut. «So ist der Eintritt in den Deutschen Orden für mich, mit all meinen Interessen, ein logischer Schritt: Ich bin gerne in einer Gesellschaft, die etwas bewirken kann.» (geändert, 10.30 Uhr)

Der Deutsche Orden in der Schweiz

Im Spätmittelalter war der Deutsche Orden im Gebiet der heutigen Schweiz gut vertreten: Laut dem Historischen Lexikon der Schweiz wurden im 13. und 14. Jahrhundert Niederlassungen in Basel, Bern, Hitzkirch LU, Köniz BE, Sumiswald BE und Nottwil LU gegründet. Spätestens mit der Reformation ging die Anzahl der Niederlassungen und Mitglieder stark zurück.

Die bekannteste Komturei in der Schweiz ist Hitzkirch. Sie wurde noch vor Beuggen, spätestens 1237 gegründet. Die Kommende blieb aber immer sehr klein, obwohl sie verkehrsgünstig gelegen war. Im 18. Jahrhundert wurde Hitzkirch vom deutschen Architekten Johann Caspar Bagnato saniert, der auch Schloss Beuggen sanierte. 1806 hob der Kanton Luzern die Ritterorden auf. Seit 2007 ist in der ehemaligen Komturei die Interkantonale Polizeischule untergebracht. (bob)

André Gut in der Schlosskirche Beuggen in Badisch-Rheinfelden | © Boris Burkhardt
10. Mai 2022 | 05:00
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