Homosexualität
International

Ein bunter Abend regt zum Nachdenken über Toleranz an

Berlin,22.7.17 (kath.ch) Am «Christopher Street Day» ziehen sie wieder durch die Strassen der deutschen Hauptstadt; am Freitagabend fand bereits ein «Gottesdienst in multireligiöser Gastfreundschaft» statt. Geladen hatten die evangelische Kirchengemeinde Sankt Petri-Sankt Marien, der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland sowie die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Ziel dieses Gottesdienstes war, «das Toleranz erschliessende Potenzial der drei Buchreligionen zur Geltung zu bringen».

Andreas Öhler

Sankt Marien ist die älteste noch sakral genutzte Stadtkirche Berlins. So steht es in jedem Stadtführer. Und in der Neuauflage könnte bald zu lesen sein, dass dieses Gebäude inzwischen auch ein symbolträchtiger Ort für die Schwulen- und Lesben-Bewegung ist – nachdem dort das erste homosexuelle Paar der Hauptstadt getraut worden war. Möglich wurde dies, weil die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz im April 2016 Traugottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare beschlossen hatte.

Alles von Gott Geschaffene wird geliebt

Es solle deutlich werden, dass das religiöse Menschenbild Kraft zum Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung sexueller Minderheiten ermögliche, und alles von Gott Geschaffene geliebt werde, hiess es. Gestaltet wurde der Gottesdienst von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, dem Abraham Geiger Kolleg, der neugegründeten liberalen Ibn Rushd-Goethe-Moschee und dem Liberal-Islamischen Bund, die ein Bündnis gegen Homophobie auf die Beine gestellt haben.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte in seinem Grusswort, wie wichtig der Schutz sexueller Minderheiten in zunehmend intoleranten Zeiten sei. Noch immer würden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz und in der Familie angegriffen. Berlin müsse den Takt vorgeben für eine echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen.

Geschichtsträchtiger Tag

Mit der parlamentarischen Abstimmung über die «Ehe für alle» sei der aktuelle «Christopher Street Day» nun ein geschichtsträchtiger geworden. Dass sich liberale Christen, Juden und Muslime mit einem Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche und der orthodoxen Kirche Georgiens dafür einsetzten, dass eine «Öffnung möglich ist», sei ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung, so Müller.

Es ist nicht die Aufgabe des Menschen, alles zu Ende zu bringen.

Die Kanzelpredigt hielt Sharon Kleinbaum. Die Rabbinerin der New Yorker Synagogengemeinde Beit Simchat ist in den USA eine prominente Menschenrechtsaktivistin. 1995 entwarf sie eine Resolution zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Amerika, die 1996 von der Zentralkonferenz der Rabbiner in den USA unterzeichnet wurde. Es sei, so zitierte sie aus der Thora, nicht die Aufgabe des Menschen, alles zu Ende zu bringen. Aber er solle es beginnen.

Lange Zeit der Ausgrenzung beendet

Der Rektor des Abraham Geiger Institutes, Walter Homolka, würdigte während des Gottesdienstes die Arbeit des aus dem Bundestag ausscheidenden Grünen-Politikers Volker Beck. Dessen jahrelanges Eintreten für die Gleichberechtigung homosexueller Minderheiten sei nun mit dem Erfolg gekrönt, dass die «Ehe für alle» Wirklichkeit werde. Er sei der «Vater» dieses Gesetzes, das mit seinem Namen verbunden bleibe.

Beck sagte in seinen Dankesworten, dass man nach dem Erfolg, eine lange Zeit der Ausgrenzung beendet zu haben, in der Pflicht stehe, sich nun auch für jene Flüchtlinge einzusetzen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und ausgegrenzt würden. (kna)

Homosexualität | © pixabay.com CC0 geralt
22. Juli 2017 | 16:28
Lesezeit: ca. 2 Min.
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«Christopher Street Day»

Der lange Marsch für die Gleichberechtigung Homosexueller begann in den Morgenstunden des 28. Juni 1969 in einer Bar in New York. Mit Strassenumzügen erinnern Lesben und Schwule am «Christopher Street Day» weltweit an die Proteste von Homosexuellen gegen Polizeigewalt in der New Yorker Christopher Street an diesem Tag.

Repressionen seien noch nicht zu Ende, warnte Sharon Kleinbaum dieses Jahr in Berlin. «Ich komme aus dem ‘Trump-Land’», sagte sie. «In der Nacht, als der Präsident gewann, waren die Muslime in der Moschee, die neben unserer Synagoge liegt, sehr verschreckt. Wir haben uns gegenseitig gestützt, um uns zu schützen. Niemand, in welcher Religion auch immer, soll sich zwischen seinem Glauben und seiner geschlechtlichen Orientierung entscheiden müssen.» (kna)