Stiftsschule Engelberg: Ruth Mory-Wigger beim Einsingen Im Musikunterricht
Porträt

Diese Frau gibt im Kloster Engelberg den Ton an

Ruth Mory-Wigger (53) ist Musikerin aus Leidenschaft. Entsprechend hart war für die Stiftskapellmeisterin des Klosters Engelberg die Corona-Pandemie. Ihr «Dessert», der Chorgesang, ist weggefallen. Für Ruth Mory-Wigger bedeutet Kirchenmusik: «Die Botschaft Jesu auf vielfältige Art zu vermitteln.»

Regula Pfeifer

Der Stimmpegel ist hoch, die Leute diskutieren intensiv. Die synodale Versammlung im barocken Saal des Klosters Einsiedeln ist herausfordernd. Doch es gibt geistliche und musikalische Nahrung: Dann spricht der Einsiedler Benediktinerpater Jean-Sébastian Charrières einen Impuls. Und Ruth Mory-Wigger stimmt ein Lied an, die Anwesenden singen kräftig mit. So geschehen am 30. Mai, als rund 50 Katholikinnen und Katholiken über Reformen in der Kirche diskutierten.

Ruth Mory-Wigger gestaltet den synodalen Prozess in Einsiedeln musikalisch – nebenan Pater Jean-Sébastian Charrières.
Ruth Mory-Wigger gestaltet den synodalen Prozess in Einsiedeln musikalisch – nebenan Pater Jean-Sébastian Charrières.

«Im Singen verändert sich die Gesellschaftsordnung.»

Ruth Mory-Wigger, Stiftskapellmeisterin Engelberg

Nun sitzt Ruth Mory-Wigger auf einer Bank vor der Klosterkirche Engelberg. Über die nationale synodale Tagung sagt sie rückblickend: «Es gibt Leute mit hohen Tönen, andere mit Bassklängen. Und all das zusammen ergibt einen polyphonen, oft ganz harmonischen Klang.» Ihre Erfahrung ist noch radikaler: «Im Singen verändert sich die Gesellschaftsordnung.»

Ruth Mory-Wigger dirigiert in der Klosterkirche Engelberg.
Ruth Mory-Wigger dirigiert in der Klosterkirche Engelberg.

Die 53-Jährige ist überzeugt: «Wir sind zusammen unterwegs, gemeinsam in die Zukunft.» Das habe sie auch motiviert, an der synodalen Versammlung mitzuwirken. Die Worte bilden auch den Anfang des Kanons, der bei dieser Tagung immer wieder gesungen wurde. Ein Kanon aus dem Liederbuch «Rise up», der die Musikerin seit langem begleitet.

Gemeinsames Singen mit Pater Jean-Sébastien Charrière und Ruth Mory-Wigger am Flügel
Gemeinsames Singen mit Pater Jean-Sébastien Charrière und Ruth Mory-Wigger am Flügel

Pionierin als Stiftskapellmeisterin

Ruth Mory-Witter ist seit zehn Jahren Musiklehrerin und Chorleiterin im Kloster Engelberg – an der Stiftsschule und beim Stiftschor. Ihr Engagement wurde honoriert: 2015 wurde sie zur Stiftskapellmeisterin ernannt – als erste Frau, wie sie erzählt. Zuvor hätten nur Mönche diesen Titel erhalten.

Ruth Mory-Wigger dirigiert Dvorak’s "D-Dur-Messe" für Soli, Chor und Orchester in der Klosterkirche Engelberg.
Ruth Mory-Wigger dirigiert Dvorak’s "D-Dur-Messe" für Soli, Chor und Orchester in der Klosterkirche Engelberg.

Die Frau wirkt bodenständig und natürlich. Sie hat eben ihr Velo vor der Kirche abgestellt. Und dabei auf das wunderbare Bergpanorama ringsum verwiesen.

Einen Blick in die barocke Klosterkirche und zwei Klostergänge weiter lädt sie in die klostereigene Cafeteria. Sie entschuldigt sich für die Störung bei den beiden putzenden Mitarbeiterinnen.

«Glaubensbotschaften lassen sich musikalisch lustvoller weitergeben.»

Ruth Mory-Wigger an ihrem Wirkort – der Klosterkirche Engelberg
Ruth Mory-Wigger an ihrem Wirkort – der Klosterkirche Engelberg

«Ich bin gern katholisch», sagt sie beim Kaffee am Holztisch. Und erklärt: Ihr Zugang zum Glauben sei die Musik. «Glaubensbotschaften lassen sich musikalisch lustvoller weitergeben», ist sie überzeugt. Als Beispiel nennt sie das kürzlich musizierte «Credo» in Antonín Dvořáks D-Dur-Messe.

Dann hebt sie ihre Stimme zu einem «Kyrie Eleison» an. So könne man Gott anflehen, erklärt sie. Es folgen ein paar kräftige Töne aus ihrem Mund. Mozarts Kyrie aus der «Krönungsmesse» hingegen sei imposant, sagt Ruth Mory-Wigger. Das wirke nicht nur auf den singenden Menschen erhebend. «Im Glauben findet beides Platz», ist sie überzeugt.

Fasziniert vom «Mikrokosmos Kloster»

Das Kloster und Ruth Mory-Wigger: Das ist eine lange Beziehungsgeschichte. «Ich habe in Klöstern einen unheimlich offenen Geist erlebt», sagt sie. Sie habe sich «natürlich» auch überlegt, in einen Konvent einzutreten. «Nun bin ich glücklich, dass ich hier arbeiten kann», sagt sie, «das wäre kaum möglich gewesen als Klosterfrau.»

Ruth Mory-Wigger betritt einen Korridor des Klosters Engelberg.
Ruth Mory-Wigger betritt einen Korridor des Klosters Engelberg.

Die Kirchenmusikerin ist fasziniert vom «Mikrokosmos Kloster», den sie in Engelberg miterlebt. «Das Beten und Arbeiten gehen ineinander über», sagt sie. Dass die Schülerinnen und Schüler das miterleben dürfen, gefällt ihr. Sie selbst arbeitet ab und zu mit einem Mönch zusammen. So gestaltet sie mit Pater Guido Muff alle Schulgottesdienste. Für die Festgottesdienste in der Klosterkirche spricht sie sich mit Abt Christian Meyer ab. Und über die Psalmenbegleitung tauscht sie sich mit Pater Leonhard Kessler aus.

Stimmbildung bei Benediktinerinnen

Erstmals im Kloster gewirkt hat Ruth Mory-Wigger Ende der 1990er-Jahre. Sie war zur Stimmbildung bei den Benediktinerinnen des Klosters Seedorf UR. Später nahm sie an den Jugendwallfahrten in Einsiedeln unter dem damaligen Abt Martin Werlen teil. Inzwischen leitet die Luzernerin das Singen bei den ü30-Wallfahrten im Kloster Fahr. An einem solchen Anlass kam Bischof Felix Gmür auf sie zu und engagierte sie für die Synode in Einsiedeln.

Ruth Mory-Wigger mag dieses Bild vom Heiligen Benedikt und seiner Schwester Scholastika im Klostergang.
Ruth Mory-Wigger mag dieses Bild vom Heiligen Benedikt und seiner Schwester Scholastika im Klostergang.

Zur Kirchenmusik kam Ruth Mory-Wigger auf Umwegen. Sie war Primarlehrerin im luzernischen Wauwil und hatte bereits Erfahrung als Chorsängerin. Da wurde sie angefragt, den örtlichen Kinderchor zu leiten. Mit diesem trat sie im nächsten Weihnachtsgottesdienst auf. Darauf suchte der Kirchenchor eine Leitung – und Ruth Mory-Wigger übernahm. «Daraus sind 22 Jahre geworden», sagt sie. Als Gründungsdirigentin leitete sie auch den Gospelchor «Live in Church» in Nebikon. «Die Botschaft Jesu auf vielfältige Art zu vermitteln, gefällt mir.»

Ihre Ausbildung zur Schul- und Kirchenmusikerin machte sie an der damaligen Akademie für Schul- und Kirchenmusik in Luzern und in den Kirchenmusikwochen der diözesanen Kirchenmusikverbände, vor allem in Solothurn.

Ruth Mory-Wigger in ihrem Schulzimmer
Ruth Mory-Wigger in ihrem Schulzimmer

Vorsingen als «Notnagel» in der Pandemie

Die Covid-Pandemie erlebte sie als einschneidend. Plötzlich war Chorsingen nicht mehr erlaubt. Das «Dessert» ihres beruflichen Engagements fiel weg. Der Frau, die das Singen in Gemeinschaft liebt, fehlte das Umfeld. Das Vorsingen in den Gottesdiensten sei ihr «seelischer Notnagel» gewesen, sagt sie.

Die Untergymnasium-Klasse an diesem frühen Nachmittag ist offenbar weniger präsent. Ruth Mory-Wigger motiviert sie beim Einsingen zu mehr Einsatz. Sie plant mit den Teenagern «Schneewittchen und die sieben Zwerge» aufzuführen. Das Märchen- und Singspiel hat Pater Emanuel Bucher, ein 1975 verstorbener Engelberger Mönch, verfasst. Es sei «erstaunlich reizvoll», sagt Ruth Mory-Wigger.

Ruth Mory-Wigger als Lehrerin an an der Stiftsschule Engelberg
Ruth Mory-Wigger als Lehrerin an an der Stiftsschule Engelberg

Die treue Klostermusikerin pendelt nach Engelberg – in einstündiger Autofahrt. Von Wauwil aus, wo sie weiterhin in ihrem Haus wohnt. Sie hat aber auch ein Gästezimmer im Kloster. «Da kann ich übernachten, wenn es spät wird wegen Chorproben oder Auftritten», sagt sie. Privateres möchte sie lieber nicht erzählen.


Stiftsschule Engelberg: Ruth Mory-Wigger beim Einsingen Im Musikunterricht | © Regula Pfeifer
27. September 2022 | 05:00
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