„Ich bin, weil du bist“
Schweiz

«Die Welt ist kein Selbstbedienungsladen»

Luzern, 14.2.18 (kath.ch) Heute beginnt mit der Fastenzeit auch die Kampagne von «Fastenopfer» und «Brot für alle». Daniel Wiederkehr, Fachperson bei Fastenopfer, erklärt im Interview, was ein Donut mit einer nachhaltigen Wirtschaft zu tun hat.

Francesca Trento

Die neue Fastenkampagne heisst «Sei Du der Wandel – für eine Welt, in der alle genug zum Leben haben».  Warum braucht es einen Wandel?

Daniel Wiederkehr: Schauen Sie sich die heutige Situation an – auf der ganzen Welt. Die einen haben zu viel Arbeit, stehen vor einem Burn-Out. Andere leiden unter Arbeitslosigkeit. Vor allem der Westen verliert mehr und mehr den Glauben, findet keinen Zugang zur Spiritualität. Eine Sinnkrise verbreitet sich.

«Unser ökologischer Fussabdruck ist absurd gross.»

Dann spielt die Umwelt verrückt, an manchen Orten herrscht Dürre, an anderen Überflutung. Das Schlimmste daran ist, dass wir – besonders der globale Norden  – grosse Schuld daran tragen. Wir leben auf Kosten anderer.

Inwiefern?

Wiederkehr: Nur schon die Schweiz braucht 3,3 mal so viele Ressourcen, wie die Erde hergibt. Unser ökologischer Fussabdruck ist absurd gross. Und andere Menschen leiden wegen uns. Die einen werden immer reicher, andere immer ärmer. Die Ungleichheit – und Ungerechtigkeit – vergrössert sich immer mehr.

«Sei Du der Wandel» spricht den einzelnen Menschen an. Was kann ein einziger Mensch am gesamten Wandel beitragen?

Wiederkehr: Damit sich eine Gesellschaft wandeln kann, muss sich zuerst jeder einzelne Mensch selbst verändern.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Jahr 2003: Als die Automobilfirma Volkswagen (VW) Autos mit energieeffizienteren Motoren lancierte, passierte Folgendes: Die Autos verbrauchten für die Strecken weniger Benzin, was toll war. Dafür fuhren die Leute jedoch längere Strecken. An diesem Beispiel sieht man, dass ein Wandel nicht durch punktuelle Reformen erfolgt.

Sondern?

Wiederkehr: Durch einen inneren Wandel der einzelnen Menschen. Sie müssen beginnen, anders zu denken. Ihre Einstellung muss sich verändern, wollen sie etwas an der heutigen Situation verändern.

Sind Reformen also von Grund auf schlecht?

Wiederkehr: Das dachten wir bisher. Heute glauben wir, dass durch eine Reform ein grundlegender Wandel, eine Tranformation, beginnen kann.

Was ist der Unterschied zwischen Reform und Transformation?

Wiederkehr: Das Volkswagen-Beispiel ist eine Reform. Transformation würde ein ganzes System umwandeln. Zum Beispiel ein Wandel in der ganzen Mobilität, nicht nur in einem Motor.

Und auch hier ist der einzelne Mensch wichtig, und dass er seine persönliche Denkweise über seine eigene Mobilität verändert .

«Wir nennen das eine glückliche Genügsamkeit.»

Ein asketisches Leben also.

Wiederkehr: Wir nennen das Suffizienz – also eine glückliche Genügsamkeit. Diese kann jedoch auch im Kollektiven geschehen, wie auch in der Wirtschaft und in der Politik.

In der Wirtschaft?

Wiederkehr: Würden Firmen zum Beispiel darauf setzen, dass Dinge langlebiger produziert werden und sich leichter ersetzen lassen, wäre das auch eine Art von Suffizienz. Die Unternehmen sollten sich nicht fragen: «Wie machen wir am meisten Profit? Sondern: Wann haben wir genug?

Und die Politik?

Wiederkehr: Die Politik könnte Gesetze erlassen, die eine Transformation fordern, wie zum Beispiel die Konzernverantwortungsinitiative. Sie verlangt, dass Schweizer Firmen, die im Ausland wirtschaften, dort die gleichen Menschenrechts- und Umweltstandards einhalten müssen, wie in der Schweiz gelten.

Stellen Sie sich einen Donut vor. Der äussere Ring ist die Umwelt, mit ihren begrenzten Ressourcen. Der innere Ring sind die Menschenrechte. Die Unternehmen müssten sich dazwischen bewegen und so wirtschaften.

Wie kann ein Mensch konkret etwas zum Wandel beitragen?

Wiederkehr: Wir unterscheiden zwischen dem Bewusstsein und dem Lebensstil einer Person. Ersteres wäre im Sinne von Papst Franziskus, das er in seiner Umweltenzyklika «Laudato si’» formuliert: Die Erde als Haus aller Menschen zu betrachten. Die Umwelt als Mitgeschöpf und nicht als Selbstbedienungsladen wahrzunehmen.

Mit dem Lebensstil meinen wir, die glückliche Genügsamkeit auszuleben. Das Motto «Sei Teil des Wandels» lädt dazu ein, sich dieser Bewegung für eine nachhaltige Welt anzuschliessen, die die planetaren Grenzen respektiert. Viele Initiativen und Organisationen dazu existieren bereits.

Die Fastenzeit ist ja geradezu perfekt für einen solchen Start des Wandels.

Wiederkehr: Ja und nein. Verzichtet man lediglich während der Fastenzeit und fällt danach wieder zurück, hat es nichts gebracht. Der Wandel muss deshalb im Inneren passieren und sich festigen.

«Ich bin, weil du bist» | © Fastenopfer/Brot für alle, Misereor
14. Februar 2018 | 11:59
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Ökumenische Fastenkampagne

Die ökumenische Kampagne der Hilfswerke Fastenopfer, Brot für alle und Partner mit dem Motto «Werde Teil des Wandels» will auf die heutigen Krisen der Erde aufmerksam machen. «Klimaerwärmung, soziale Ungleichheit, politische Spannungen: Die aktuellen Herausforderungen betreffen den ganzen Planeten», heisst es auf der Kampagnen-Website. Um Wege aus diesen Krisen zu finden, brauche es einerseits einen gesellschaftlichen Wandel und andererseits einen individuellen Wandel. (ft)