Renata Asal-Steger, Synodalrätin römisch-katholische Landeskirche Kanton Luzern.
Schweiz

Die RKZ als Motor für Veränderung in der Kirche: «Kein Ferrari, aber…»

50 Jahre RKZ: Das feiern heute die kantonalen Körperschaften mit den Schweizer Bischöfen in Näfels GL. Ein Gespräch mit Präsidentin Asal-Steger und Generalsekretär Kosch über Traumata der RKZ-Geschichte, den synodalen Prozess – und das aktuelle Gefühlsbarometer RKZ-Bischofskonferenz.

Raphael Rauch

Ist die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) ein Motor für Veränderung in der Kirche?

Renata Asal-Steger*: Ja, auch wenn der Motor etwas Zeit braucht. Wir bleiben mit Beharrlichkeit an bestimmten Themen dran. Schritt für Schritt kommen wir weiter.

RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch
RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch

Daniel Kosch*: Wir sind kein Ferrari, aber wir haben ja schon einiges zustande gebracht auf der schweizerischen Ebene, etwa in Fragen von Finanzen, Transparenz, Kirchenmanagement. Und jetzt sind wir mitten in der Debatte um Synodalität und Erneuerung der Kirche. Die Bischöfe können die Probleme, die sie geschaffen haben, nicht aus eigener Kraft lösen. Darum steht unser Jubiläum unter dem Motto «Miteinander. Vorwärts».

«Wir konnten die Bischöfe überzeugen: Ende Mai gibt es eine nationale synodale Versammlung.»

Asal-Steger: Wir haben uns entschieden dafür eingesetzt, dass die Ergebnisse des synodalen Prozesses auch auf nationaler Ebene diskutiert werden und die Bischöfe das nicht unter sich ausmachen. Wir konnten die Bischöfe überzeugen: Ende Mai gibt es eine nationale synodale Versammlung. Das motiviert, dranzubleiben.

Friedensdemo in Solothurn, 4. März
Friedensdemo in Solothurn, 4. März

Welches Signal soll heute von Näfels ausgehen?

Kosch: Eigentlich war geplant: Wir können uns auch mal unbeschwert mit den Bischöfen treffen und öffnen den Horizont mit dem bekannten Architekten, Jacques Herzog, und dem Astronauten Claude Nicollier auf das Leben «zwischen Himmel und Erde». Es geht in die Richtung: Wir können auch mal ohne Traktandenliste miteinander etwas feiern. Natürlich gibt es wegen des Krieges in der Ukraine nun einen weiteren Fokus.

Asal-Steger: Fast alle Bischöfe werden kommen. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung. Und es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir zusammen für den Frieden in der Ukraine beten. 

«Ich hoffe, dass es nicht bei Gebeten bleibt.»

Kosch: Ich hoffe, dass es nicht bei Gebeten bleibt. Es sollte das klare Signal ausgehen: Wir sind und bleiben solidarisch, auch wenn die emotionale Solidaritätswelle abgeebbt ist. Selbst wenn wir unsere Wohnungen im nächsten Winter weniger heizen können, ist das kein Grund, Sanktionen aufzugeben oder Geflüchteten die kalte Schulter zu zeigen.  

Hirschengraben 66 in Zürich.
Hirschengraben 66 in Zürich.

50 Jahre RKZ: Sind Sie stolz darauf?

Asal-Steger: Auf jeden Fall! Es ist noch nicht so lange her, dass sich mit Schwyz die letzte verbleibende Kantonalkirche der RKZ angeschlossen hat. Und wir haben eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz. Auch wenn das ganze immer wieder Diskussionen gibt: Wir sind auf einem guten Weg.

«Kirche findet nicht nur vor Ort und auf kantonaler Ebene statt.»

Warum braucht es die RKZ?

Asal-Steger: Kirche findet nicht nur vor Ort und auf kantonaler Ebene statt, sondern auch auf nationaler Ebene. Vielerorts stellen sich ähnliche Fragen. 

Mächtige Katholikinnen: Bundesrätin Viola Amherd (links) und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger.
Mächtige Katholikinnen: Bundesrätin Viola Amherd (links) und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger.

Welches Selbstverständnis hat die RKZ nach 50 Jahren?

Asal-Steger: Wir sind der Dachverband der kantonalen kirchlichen Organisationen und Ansprechpartnerin für die Schweizer Bischofskonferenz. Und wir werden zunehmend als Stimme der Laien wahrgenommen und mit Fragen konfrontiert, die gesamtgesellschaftlicher Natur sind. Ich denke zum Beispiel an die Konzernverantwortungsinitiative. Für solche politischen Fragen haben wir kein Mandat im eigentlichen Sinne. Hier stehen wir vor der Frage: Wollen wir unseren Zuständigkeitsbereich erweitern, damit wir uns in gesamtgesellschaftlichen Fragen stärker positionieren können? Diese Frage müssen wir diskutieren.

Kampagne auf Rädern: pro Konzernverantwortungsinitiative.
Kampagne auf Rädern: pro Konzernverantwortungsinitiative.

Was ist eine Grundschwierigkeit der RKZ?

Kosch: Wir können niemandem etwas vorschreiben – weder den Bischöfen, uns bei einer Reformagenda zu unterstützen. Noch können wir unseren Mitgliedern Vorgaben machen. Wir müssen alle überzeugen. Das ist sehr anstrengend. Und wir sind folglich nicht wahnsinnig schnell unterwegs. 

«Wir müssen stärker sichtbar und schneller werden.»

An welchen Baustellen sind Sie dran?

Kosch: Wir haben bei den RKZ-Strukturen vor 15 Jahren die letzte grössere Renovation gemacht. Wir haben uns verschiedene Kommissionen gegeben für die Finanzen, das Staatskirchenrecht oder die Kommunikation. Der Kommunikationsbereich nimmt an Bedeutung zu, wir müssen stärker sichtbar und schneller werden. 

Bischof Joseph Bonnemain und Franziska Driessen-Reding mit pinkem "Gleichberechtigung"-Button.
Bischof Joseph Bonnemain und Franziska Driessen-Reding mit pinkem "Gleichberechtigung"-Button.

Die Stimme der Laien – welche Grenze sollte sie haben?

Kosch: Das duale System erlaubt es den Körperschaften nicht, sich überall einzumischen. Wir könnten nicht anfangen, neue kirchliche Berufe zu schaffen oder die Krankensalbung anders zu gestalten. Dieses Spannungsfeld wird bleiben, weil viele Menschen Reformen wollen und Mitsprache fordern. Die Rückmeldungen aus den Bistümern zum synodalen Prozess zeigen dies deutlich, zum Teil mit beträchtlicher Ungeduld. 

«Im Tessin und im Wallis entscheiden die Diözesen, wen sie in die RKZ schicken.»

Die Bischofskonferenz hat Mühe, auf nationaler Ebene mit einer Stimme zu sprechen. Wie sehen Sie das bezogen auf die RKZ?

Kosch: Uns lähmen weniger ideologische Unterschiede. Aber genau genommen prägt das duale System mit den starken Kirchgemeinden nur die Bistümer Basel, Chur und St. Gallen flächendeckend – hinzu kommt noch der Kanton Freiburg. Im Tessin und im Wallis gibt es keine Körperschaften, hier entscheiden die Diözesen, wen sie in die RKZ schicken. Und die Kirchen in den Kantonen Neuenburg und Genf sind privatrechtlich als Vereine organisiert. Die RKZ besteht also aus grossen und kleinen, aus reichen und finanziell schwächeren Mitgliedern mit unterschiedlichen Strukturen. Dass wir dennoch zu konsensfähigen Beschlüssen kommen, darauf bin ich schon stolz.

RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch
RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch

Passt es zum Selbstverständnis der RKZ, Mitglieder zu haben, die von den Bischöfen bestimmt werden?

Kosch: Unsere Statuten sehen das so vor. Wenn es in den Kantonen Wallis und Tessin keine staatskirchenrechtlichen Körperschaften gibt, dann ist das zu respektieren. Auch das gehört zu unserer föderalistischen Demokratie. Und bis jetzt haben die Bischöfe von Lugano und Sitten auch nie über ihre Delegierten kirchenpolitisch Einfluss auf den RKZ-Kurs genommen.

Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas.
Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas.

Welche Tiefpunkte kennt das duale System?

Kosch: Es gibt zwei grosse Traumata: Die Ernennung von Wolfgang Haas zum Weihbischof von Chur mit Nachfolgerecht. Und den Fall Röschenz, wo die Kirchgemeinde einen Pfarrer halten wollte, dem der damalige Bischof Kurt Koch die Missio entzogen hatte. Wir als RKZ haben auf diesen Fall reagiert und Empfehlungen erarbeitet, wie in schwierigen Personalkonflikten vorgegangen werden soll. Es waren unter anderem diese beiden Ereignisse, die dazu führten, dass die Bischofskonferenz unter Beteiligung des Vatikans ein «Vademecum» erarbeiten liess, das die Rolle der Körperschaften auf Finanz- und Administrationsfragen reduzieren wollte.

«Es kann nicht sein, dass die Bischöfe einseitig definieren, was als pastorale Aufgabe gilt.»

Asal-Steger: Ein solches Verständnis des dualen Systems ist für uns nicht akzeptabel. Wir sind alle getauft und wollen unsere Verantwortung als Christinnen und Christen wahrnehmen. Von daher kann es nicht sein, dass die Bischöfe einseitig definieren, was als pastorale Aufgabe gilt – und die staatskirchenrechtlichen Behörden sollen einfach die Finanzen dafür bereitstellen.

Abt Urban Federer, Bischof Felix Gmür, Kardinal Pietro Parolin, Bundesrat Ignazio Cassis, Renate Asal-Steger, Erwin Tanner und Daniel Kosch.
Abt Urban Federer, Bischof Felix Gmür, Kardinal Pietro Parolin, Bundesrat Ignazio Cassis, Renate Asal-Steger, Erwin Tanner und Daniel Kosch.

Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen der Pastoral und den Körperschaften…

Kosch: Es wird immer Fälle geben, in denen der Bischof oder die Pfarreileitung etwas anderes will als der Kirchgemeinderat oder wo es im Zusammenhang mit personellen Fragen zu Spannungen kommt. In der Kommission Staatskirchenrecht sind wir dran, an diesem Thema weiterzuarbeiten und Vorschläge zu entwickeln, wie einvernehmliche Regelungen aussehen könnten. 

Wie würden Sie das momentane Gefühlsbarometer RKZ-Bischofskonferenz beschreiben?

Kosch: Wir sind auf einem guten Weg. 

Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".
Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".

Werten Sie den synodalen Prozess als inoffizielles Geburtstagsgeschenk von Papst Franziskus an die RKZ? Der synodale Prozess soll die Kirche synodaler machen…

Asal-Steger: Wenn der synodale Prozess wirklich zu Veränderungen führt, dann vielleicht. Hier werden wir künftig noch stärker unsere Stimme erheben.

«Vielleicht haben wir von Papst Franziskus eine Art Lego-Kasten bekommen.»

Kosch: Wir müssen zwischen Synodalität und dualem System unterscheiden – wobei das in der Schweiz nicht unabhängig voneinander diskutiert werden kann. Echte Synodalität geht viel weiter als das duale System. Vielleicht haben wir von Papst Franziskus eine Art Lego-Kasten bekommen und es ist noch nicht ganz klar, ob wir jetzt einfach mit diesen Lego-Bausteinen spielen, sie hin und herschieben. Oder ob es gelingt, daraus miteinander etwas zu bauen und zu sagen: Es entsteht etwas Neues. Bezüglich der strukturellen Reformen und der Mitentscheidungsrechte aller Getauften, die für eine synodale Kirche unerlässlich sind, nehme ich bei Papst Franziskus bisher grosse Zurückhaltung wahr. 

Doris Reisinger in Luzern
Doris Reisinger in Luzern

Vor welchen Herausforderungen steht die RKZ – ausser Kirchenaustritten und der Frage: Kirchensteuer für juristische Personen?

Asal-Steger: Doris Reisinger hat bei der Preisverleihung des Herbert-Haag-Preises verdeutlicht: Wir kommen an grundlegenden strukturellen Reformen in der Kirche nicht vorbei. Kleine Schritte reichen nicht. Vor allem der Umgang der Kirche mit Macht muss sich grundlegend ändern.

Kosch: Eine andere Herausforderung ist: Wie gewinnen wir die Migrationsgemeinden und die Pfarreien für eine interkulturelle Pastoral – und wie beziehen wir Menschen mit Migrationshintergrund besser in das duale System ein? Manche interessieren sich kaum für das duale System – Hauptsache, der Missionar wird bezahlt. Das ist für unsere demokratischen Strukturen ein Problem.

«Wenn Religion nur noch privat und individuell gelebt wird, ist das ein Problem.»

Und wir müssen stärker über die Individualisierung von Religion nachdenken. Wenn Religion nur noch privat und individuell gelebt wird, ist das ein Problem für die Pastoral, aber auch für uns. Wir sollten alles dafür tun, um Demokratie und Partizipation zu fördern.

Was treibt Sie an?

Asal-Steger: Claudia Lücking-Michel hat beim RKZ-Fokus in Bern gesagt, der synodale Prozess muss mehr als eine blosse Gesprächstherapie sein, denn es geht jetzt um alles. Wir bleiben auf dem Weg – zwar in kleinen Schritten, aber gemeinsam. Das motiviert mich.

* Renata Asal-Steger ist Synodalratspräsidentin der katholischen Kirche im Kanton Luzern und Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, dem Zusammenschluss der kantonalkirchlichen Organisationen.

* Daniel Kosch ist Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.


Renata Asal-Steger, Synodalrätin römisch-katholische Landeskirche Kanton Luzern. | © Sylvia Stam/lukath
25. März 2022 | 08:32
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