Führung im Glockenturm
Schweiz

Die Kirchenglocke von Reinach lässt Besucher erbeben

Reinach AG, 26.5.18 (kath.ch) Zum zweiten Mal hat am Freitagabend die «Lange Nacht der Kirchen» stattgefunden, an welcher katholische und reformierte Kirchgemeinden gemeinsam auftreten. Auch die reformierte Kirche in Reinach öffnete ihre Pforten und lud Dorfbewohner und auswärtige Gäste zu einem speziellen Abend ein.

Vera Rüttimann

Die lange «Nacht der Kirchen» beginnt mit einem berührenden Moment. Zum Auftakt dieser speziellen Nacht um punkt 18 Uhr läuten gleichzeitig die Kirchenglocken aller teilnehmenden Kirchen im Aargau sowie in den Kantonen Nidwalden, Bern, Jura und Solothurn. Auch im markanten Turm der reformierten Kirche in Reinach, einer der über 80 Kirchen aus dem Aargau, die an diesem Anlass teilnehmen, läuten die Glocken. Eine ältere Frau bemerkt danach: «Es war wie Silvester, nur ohne Böller.»

Erste reformierte Kirche im Aargau

Das wuchtige Gotteshaus wartet mit einer Besonderheit auf: Die 1529 eingeweihte Kirche mit ihren blauen Zifferblättern am Turm gilt als erste reformierte Kirche im Aargau. Die Macher des Programms zu dieser «Langen Nacht  der Kirchen»  wollen jedoch nicht nur an die interessante Geschichte dieser Kirche erinnern, sondern auch aufzeigen, was das Pfarreileben heute alles bietet.

Die Besucher erfahren von Pfarrer Andreas Schindler und seiner Pfarr-Kollegin Ursina Bezzola von einem vielfältigen Angebot. Es gibt Taizé-Andachten, einen «Fyrobe»-Gottesdienst für Familien sowie Tanz- und Chor-Treffen. Ebenso geschätzt wird die Einführung in die Kontemplation, die Pfarrerin Ursina Bezzola anbietet.

«Ich sehe an diesem Abend auch neue Gesichter.»

Die «Lange Nacht der Kirchen» ist ein Angebot für alle Interessierten, ob gläubig oder kirchenfern, ob einheimisch oder fremd. «Ich sehe an diesem Abend auch Gesichter, die ich hier noch nie gesehen habe», sagt Pfarrerin Ursina Bezzola und freut sich. Dass die Leute durch die «Lange Nacht der Kirchen» mit den örtlichen Pfarreien in Berührung kämen, auf andere Menschen treffen und so Gemeinschaft entstehe, sei der Sinn dieser Veranstaltung.

Sakristanin Rösli Merz, die am Stand Getränke austeilt, betont. «Der Umstand, dass sich unsere Pfarrei wieder zu einer Teilnahme entschlossen hat, zeigt, dass der Anlass gut ankam.»

Glockenschlag geht durch Mark und Bein

Das Programm-Highlight ist die Besteigung des imposanten Kirchturms und die Besichtigung der Glocken. An deren Aufzug in den Zwiebelhelm im Jahr 1951 mögen sich viele derer, die die steilen Treppenstufen schwer atmend erklimmen, noch lebhaft erinnern. Eine Mitsechzigerin sagt: «Hunderte von Helfern und Schaulustigen hatten sich damals auf den Weg zur Kirche gemacht, um dem Ereignis beizuwohnen.» Oben auf dem Turm werden Fotos herum gereicht, die eine Glocke am Seil zeigten, die mit reiner Muskelkraft von jungen Mädchen und Jungen aufgezogen wurde.

Vor allem wollen die Besucher einmal live erleben, wie sich das anfühlt und vor allem anhört, wenn der Metallbolzen zur vollen Stunde auf die grösste Glocke hinunter saust. Vorsichtshalber halten sie sich die Ohren zu. Einige schliessen die Augen. Und tatsächlich: Der wummernde Klang geht durch Mark und Bein und hallt lange, sehr lange, nach. Unter den Füssen zittert der Boden merklich.

Bemerkenswerte Kirchenfenster

Andrang herrscht vor der Kirchenpforte, als Pfarrerin Ursina Bezzola, die seit über 20 Jahren hier wirkt, an einer Führung jene Besonderheit zeigt, wofür diese Kirche weitum bekannt ist: Ihre bemerkenswerten Kirchenfenster. Aus dem schlichten weissen Putz leuchten sie geradezu heraus und verströmen eine mystische Aura. Viel bestaunt wird die künstlerische und stilistische Kombination des zentralen Chorfensters mit den übrigen Fenstern in Chor und Kirchenschiff.

Stolzer Blick trifft Besucher

Alle Augen der Besucher richten sich erst auf das zentrale Chorfenster aus dem Jahr 1988, das den auferstandenen Christus über dem Grab zeigt. Auffällig ist sein stolzer, ungebrochener Blick. Das in intensiven Blautönen leuchtende zentrale Chorfenster stammt von Friedrich Berbig (1845–1923), der unter anderem auch für die Kirche im aargauischen Menziken Fenster gestaltet hat.

Während Friedrich Berbigs Fenster mit gotisierenden, schwelgerischen Farbtönen und viel Gold erscheint, kommen Paul Eichenbergers (1891–1984) Fenster schlichter daher, bestechen aber mit vielen detailreich ausgearbeiteten Figuren im Glas und einer frischen Farbgebung.

Ausklang an der Feuerschale

Nach der Turmführung und der Besichtigung der Kirchenfenster versammeln sich die Pfarreimitglieder und die auswärtigen Gäste um die Feuerschale vor der Kirche, geniessen am Grill Wurstspezialitäten aus der dörflichen Metzgerei oder lassen diesen atmosphärisch schönen Frühsommertag in der Kirche in Stille ausklingen.


Führung im Glockenturm | © Vera Rüttimann
26. Mai 2018 | 14:43
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