Im deutschen Münster wurde am G7-Treffen ein Kreuz entfernt - aus religiöser Toleranz. Das gefällt nicht allen.
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Deutschland: Zusammenwachsen und Demokratie-Sicherung gelten weiter als grosse Aufgaben

Der 32. Tag der Deutschen Einheit war geprägt von der Sorge vor Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auch in Deutschland – verbunden mit vielfältigen Aufrufen zum Zusammenhalt. Auch vor anhaltendem Rassismus und Antisemitismus wurde gewarnt.

Beim zentralen Festakt in Erfurt sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am Montag: «Wie wir miteinander umgehen, entscheidet wesentlich über die Stärke unseres Landes. Wir müssen einander achten und aufeinander achten.» Spaltungsversuche von innen und aussen seien «nicht spurlos an uns vorübergegangen.»

«Viele Krisen gemeistert»

Bas erklärte: «Seit 1990 haben wir Deutsche gemeinsam viele Krisen und Umbrüche gemeistert. Das Wichtigste dabei war und bleibt: Wir halten zusammen!» An historischen Wendepunkten müsse man einander aufmerksam zuhören und Begegnung wieder stärker suchen.

«Können wir an einem Tag wie heute euphorisch sein und uns auf die Schulter klopfen?»

Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, angesichts von anhaltendem Rassismus und Antisemitismus «sollten wir ehrlich sein und uns die Frage stellen: Können wir an einem Tag wie heute euphorisch sein und uns auf die Schulter klopfen, wenn so etwas in unserem Land immer noch möglich ist?»

Ulrich Neymeyr, Bischof von Erfurt.
Ulrich Neymeyr, Bischof von Erfurt.

Ökumenischer Gottesdienst im Erfurter Dom

In einem ökumenischen Gottesdienst im Erfurter Dom bat der katholische Bischof Ulrich Neymeyr um Gottes Beistand für weiteres Zusammenwachsen von Ost und West und ein «Wachsen an den Herausforderungen der Zeit».

Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer ergänzte: «Keine Gewalt – das ist der Konsens, der durch die friedliche Revolution in das neue Deutschland eingebracht wurde. Und es ist die Grundlage der Demokratie, denn nur in gewaltfreien Diskursen lassen sich sinnvolle Lösungen finden.»

«Ohne die Wiedervereinigung wäre nicht nur der Osten, sondern auch der Westen ein wesentlich ärmeres Land geblieben.»

Carsten Schneider, SPD

Unterdessen betonte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), in der «Rheinischen Post»: «Ohne die Wiedervereinigung wäre nicht nur der Osten, sondern auch der Westen ein wesentlich ärmeres Land geblieben. Auf die friedliche Revolution von 1989, bei der sich die Ostdeutschen ihre Freiheit und die Demokratie erkämpft haben, können wir stolz sein.» Demokratie sei aber «keine Dienstleistung, sie lebt davon, dass Menschen sich einbringen».

«Grosse Sorge»

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der Zeitung: «Viele Menschen in Ostdeutschland haben die grossen Strukturbrüche mit Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren noch sehr genau vor Augen. Deshalb ist auch klar, dass die derzeitige Situation mit grosser Sorge wahrgenommen wird und viele Angst haben, dass ihnen alles wegbricht, was sie in drei Jahrzehnten mühsam aufgebaut haben.»

Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, würdigte die Montagsdemonstrationen in der ehemaligen DDR.
Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, würdigte die Montagsdemonstrationen in der ehemaligen DDR.

«Erhebliche Distanz zur Demokratie»

Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke ergänzte, in Krisenzeiten verstärke sich die Wahrnehmung von wegbrechenden Strukturen und früheren Problemen bei der Wiedervereinigung. «Damit verbunden ist eine erhebliche Distanz zur Demokratie, die allerdings auch im Westen Deutschlands zunimmt.» Das liege auch daran, dass die aktuelle Politik häufig den Eindruck vermittle, nicht effizient und zureichend für das Allgemeinwohl zu sorgen. Dies griffen vor allem verschwörungsideologische Bewegungen auf.

«Zeichen von Zivilcourage verdient bis heute unseren grössten Dank und Respekt.»

Claudia Roth, Grüne

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erinnerte an die Montagsdemos 1989 in der DDR. «Dieses Zeichen von Zivilcourage verdient bis heute unseren grössten Dank und Respekt, unsere Demokratie hat diesen so wichtigen Montagsdemonstrationen viel zu verdanken.»

Deshalb sei es auch «zynisch und geschichtsvergessen, wenn heute Protestierende versuchen, sich in eine vermeintliche Traditionslinie mit diesen Montagsdemonstrationen zu stellen», sagte Roth mit Blick etwa auf Demos von «Querdenkern» und Corona-Leugnern. (kna)


Im deutschen Münster wurde am G7-Treffen ein Kreuz entfernt – aus religiöser Toleranz. Das gefällt nicht allen. | © KNA
3. Oktober 2022 | 17:18
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