Bernard Fellay (links) und Priester der Priesterbruderschaft Pius X. 2016 in Freiburg
Schweiz

Der Schweizer Bischof Fellay ist Lefebvres Erbe bei den Piusbrüdern

Ecône/VS, 19.6.18 (kath.ch) Als der erzkonservative Erzbischof Marcel Lefebvre mit 82 Jahren seine Nachfolge sichern wollte und am 30. Juni 1988 vier Männern zu Bischöfen weihte, war der Schweizer Bernard Fellay der Jüngste unter ihnen. Gerade 30 Jahre geworden, stellte er sich in Êcone mit Lefebvre und drei Mitgeweihten ins kirchliche Abseits. Denn mit der Bischofsweihe, die gegen den ausdrücklichen Willen des Papstes stattfand, zogen sich alle Beteiligten die Strafe der Exkommunikation zu.

Ludwig Ring-Eifel

Fellay war der sprachbegabteste und der intelligenteste der vier neuen Traditionalisten-Bischöfe. Und so war es nur logisch, dass er 1994, drei Jahre nach Lefebvres Tod, zum Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. gewählt wurde, die trotz der Exkommunikation in allen Erdteilen weiter wuchs. Zweimal zwölf Jahre hat er die Gemeinschaft seither geleitet. Ob das Generalkapitel ihn Mitte Juli ein drittes Mal zum Oberen wählt, ist offen.

Bilanz kann sich sehen lassen

Auf mehr als 600 Priester und über 200 Seminaristen weltweit ist die Zahl der aktiven und der angehenden Priester unter seiner Leitung gestiegen. Den Päpsten hat er etliche Zugeständnisse abgerungen, seit er im Jahr 2000 in einer spektakulären Wallfahrt mit vielen hundert Anhängern in den Petersdom einzog und eine schrittweise Wiederannäherung begann. Benedikt XVI. kam ihm am weitesten entgegen: 2007 liess er die alte, tridentinische Messe auf Latein wieder weltweit zu, 2009 hob er die Kirchenstrafe der Exkommunikation auf Bitten Fellays auf.

Der kirchenrechtliche Status der Piusbruderschaft bewegt sich in einer Grauzone.

Seither bewegt sich der kirchenrechtliche Status der Piusbruderschaft in der Grauzone zwischen Trennung und Wiedervereinigung. Papst Franziskus hat die Grenze weiter aufgeweicht, indem er den Priestern der Bruderschaft zugestand, das Beichtsakrament zu spenden und bei katholischen Trauungen zu assistieren. Gleichzeitig hat sich aber auf dogmatischem und moraltheologischen Gebiet der Graben weiter vertieft.

Die römischen Lockerungsübungen mit der möglichen Kommunion für geschiedene Katholiken in zweiter Ehe oder, wie jüngst in Deutschland vorgeschlagen, für evangelische Ehepartner von Katholiken, zeigen aus Sicht Fellays und seiner Anhänger einmal mehr, auf welche «Irrwege» sich die katholische Kirche mit ihrer Anpassung an die Moderne und ihrem «Neo-Protestantismus» begeben hat.

Kritik und Vorwürfe an Rom

Wenn Fellay diese Entwicklungen kritisiert, tut er das selten polternd und ausfallend. Das überlässt er Mitbrüdern, die stärker auf Krawall und Polemik gebürstet sind. Der freundliche Schweizer wirbt am liebsten beharrlich und argumentierend für seine Sicht der Dinge: Nicht die Piusbruderschaft habe sich von der römischen Kirche entfernt, sondern vielmehr bewege sich Rom seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) immer weiter von ihrer eigenen jahrhundertealten Lehre und Tradition weg.

Aus diesem Grund unterzeichnete Fellay im September 2017 gemeinsam mit zahlreichen mehr oder weniger prominenten Theologen und Intellektuellen eine «correctio filialis». In dieser öffentlichen Mahnung wird Papst Franziskus aufgerufen, mutmassliche Irrlehren in Zusammenhang mit der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene zu widerrufen.

«Mit jeder Faser unseres Seins sind wir Rom verbunden.»

In seiner Begründung erklärte Fellay: «Mit jeder Faser unseres Seins sind wir Rom verbunden, der Mutter und Lehrmeisterin. Wir wären nicht mehr römisch, wenn wir ihre zweitausendjährige Lehre zurückweisen würden. Im Gegenteil. Dann würden auch wir zu Handlangern der Zerstörung, mit einer Situationsmoral, die sich in gefährlicher Weise auf eine aufgeweichte Theologie stützt.»

Bruderschaft anerkennt den Papst

Trotz gravierender theologischer Meinungsverschiedenheiten hält Fellay an der Anerkennung des Papstes fest. Dessen Bild hängt auch in der Zentrale der Piusbruderschaft. Damit grenzt der Generalobere Fellay seine Truppe konsequent von den traditionalistischen Ultras ab. Diese haben inzwischen unter Mitwirkung des radikalen Ex-Piusbruders Richard Williamson eine «Priestergemeinschaft Marcel Lefebvre» mit eigenen – exkommunizierten – Bischöfen gegründet. (kna)

Bernard Fellay (links) und Priester der Priesterbruderschaft Pius X. 2016 in Freiburg | © Georges Scherrer
19. Juni 2018 | 10:28
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Piusbruderschaft

Die traditionalistische Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde 1969 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gegründet. Sie lehnt viele Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ab. Streitpunkte sind vor allem Liturgie, Religionsfreiheit und Ökumene. Die Konzilslehren hätten die Tradition der Kirche zerstört, so Lefebvre, der selbst als Ordensoberer am Konzil teilnahm. Die Piusbruderschaft sieht sich als Bewahrerin der Tradition der «Heiligen Römischen Kirche».

Anfangs kirchlich anerkannt, zeigte sich die Piusbruderschaft zunehmend antikonziliar. 1975 entzog Rom ihr die kirchenrechtliche Zulassung. Nach unerlaubten Priesterweihen wurde Lefebvre 1976 die Ausübung seines Bischofsamts verboten. Indem er am 30. Juni 1988 ohne päpstliche Zustimmung vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen weihte, zogen sich alle fünf die Exkommunikation zu. Die Weihen Lefebvres sowie die der von ihm Geweihten sind nach dem Kirchenrecht zwar unrechtmässig, aber gültig.

Papst Benedikt XVI. (2005-2013) liess 2007 die alte lateinische Messe wieder allgemein zu und erfüllte damit eine Bedingung der Bruderschaft für die Aufnahme offizieller Gespräche. 2009 hob er als weitere Versöhnungsgeste die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft auf. Damit haben diese die Rechte katholischer Laien; die Ausübung kirchlicher Ämter ist ihnen aber weiter untersagt.

Seit Ende 2009 gab es im Vatikan mehrere Gesprächsrunden mit Vertretern der Bruderschaft über strittige Lehrfragen. Im September 2011 legte der Vatikan der Leitung der Piusbrüder eine «Lehrmässige Erklärung» über grundlegende Glaubenslehren zur Unterzeichnung vor, von der eine mögliche Wiedereingliederung der Bruderschaft in die katholische Kirche abhängt. Im Frühjahr 2012 kam der Prozess ins Stocken.

Im September 2015 erklärte Papst Franziskus überraschend, er «vertraue darauf, dass in naher Zukunft Lösungen gefunden werden können, um die volle Einheit mit den Priestern und Oberen der Bruderschaft wiederzugewinnen». (kna)