Einige Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz bei einem Gottesdienst in Einsiedeln, 2019
Zitat

«Der Pontifex machte Bischöfe zu Oberministranten»

«In diesem Sinne kann man auch von einer Neuerfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert sprechen. Vieles von dem, was heute als typisch und selbstverständlich katholisch gilt, gab es vorher so nicht. Es ist vielmehr Produkt dieser Erfindung. Dazu zählt nicht zuletzt die auf den Papst allein zentrierte Kirche, die dem Pontifex maximus alle Vollmacht in Lehre und Recht zuspricht und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, zu seinen Oberministranten macht. Der Tradition der ersten 1800 Jahre der Kirche entspricht das nicht. Papale und episkopale, monarchische und kollegiale Tendenzen sorgten vielmehr in entscheidenden Momenten der Kirchengeschichte für ‹checks and balances›. 

Anstelle der pluralen Katholizismen der Frühen Neuzeit und auch noch der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts propagierten die späteren Päpste und ihre Apologeten einen Einheitskatholizismus, den sie als von Jesus Christus selbst so gestiftet ausgaben. Die Berufung auf angebliche Traditionen legitimierte eine Verketzerung aller alternativen Formen der Verwirklichung des Katholischen als unkatholisch. ‹Ein liberaler Katholik ist ein halber Katholik›, lautet einer der bösen Sätze Pius’ IX.»

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf aus Münster in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (3. August) zum I. Vatikanischen Konzil. (rr)

Einige Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz bei einem Gottesdienst in Einsiedeln, 2019 | © Oliver Sittel
3. August 2020 | 11:49
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