Sackgasse
Schweiz

«Das Frauendiakonat ist eine Sackgasse»

Basel, 5.8.16 (kath.ch) Die Rolle von Diakoninnen in der frühen Kirche ist längst gründlich erforscht, sagt die Theologin Helen Schüngel-Straumann im Interview mit kath.ch. Dafür eine Kommission einzusetzen, wie Papst Franziskus jüngst beschlossen hat, hält sie für eine reine Alibiübung. Wirklich nötig wäre aus ihrer Sicht eine Reform des Weiheverständnisses.

Sylvia Stam

Eine päpstliche Kommission will die Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche untersuchen. Wurde die Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche bislang noch nicht untersucht?

Helen Schüngel-Straumann: Es gibt Regale voll von Büchern über das Diakonat der Frau vor allem im 1. Jahrtausend. Ich erinnere nur an die Werke der Theologinnen Anne Jensen aus Graz und Kari Elisabeth Børresen aus Oslo, auch viele Männer haben darüber geschrieben, die «Tübinger Theologische Quartalsschrift» etwa hat mehrere Bände zu diesem Thema herausgebracht. Das Thema ist also aufs gründlichste erforscht.

Welches Ziel verfolgt der Vatikan Ihrer Meinung nach mit der Gründung dieser Kommission?

Schüngel-Straumann: Vielleicht will er Zeit gewinnen und die Frauen für ein paar Jahre ruhigstellen.

Was weiss man denn bisher über die Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche?

Schüngel-Straumann:  Bis ins 5. Jahrhundert war das Diakonat der Frauen in den verschiedenen Kirchen Europas, dem Vorderen Orient und Afrikas üblich. In einzelnen Kirchen hat es sich bis ins 9. Jahrhundert gehalten.  Das Diakoninnenamt war ein Weiheamt, diese Frauen spendeten vor allem das Taufsakrament. Im Weiteren hatten sie diakonische, heute würde man sagen soziale Aufgaben.

Das Weiheverständnis ist antiquiert, es enthält magische Elemente.

Warum gerade die Taufe?

Schüngel-Straumann: Damals wurden die erwachsenen Täuflinge ins Wasser getaucht. Die Diakoninnen haben die Frauen getauft, denn diese stiegen nackt in das Taufbecken. Sie wurden getauft und bekamen hinterher ein weisses Taufkleid.

Gab es noch andere Sakramente, die von Diakoninnen gespendet wurden?

Schüngel-Straumann: Einerseits gab es noch gar nicht so viele Sakramente. Taufe und Firmung etwa gehörten zusammen. Was die Diakoninnen sonst noch für Sakramente spenden durften, das wurde in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich gehandhabt. Im Einzelnen weiss ich das jedoch nicht genau.

Was sind Ihrer Meinung nach mögliche Auswirkungen dieser Untersuchung auf die Frage nach der Zulassung von Frauen zum Diakonat?

Schüngel-Straumann: Kirchengeschichtlich betrachtet kann man sagen: Aus Gründen der Tradition können Frauen zu Diakoninnen geweiht werden. Aus Gründen der dogmatischen Festlegung über das Weiheamt geht das jedoch nicht.

Was für neue Resultate sind denn jetzt von der Kommission zu erwarten?

Schüngel-Straumann: Es sind keine neuen Resultate zu erwarten. Angenommen, der Vatikan wollte die Frauen zu Diakoninnen weihen, dann wird er wieder vor dem so genannten «Weiheproblem» stehen, wie wir es früher schon hatten: Es gibt theologisch nur eine Weihe. Diese hat drei Stufen: Das Diakonat, das Priesteramt und das Bischofsamt. Wenn man eine Stufe erreicht hat, dann kann man dieser Person die anderen nicht mehr verweigern.

Das Frauendiakonat ist eine Sackgasse, diese Diskussion eine Alibiübung.

Was gab es für frühere Bestrebungen, das Frauendiakonat einzuführen?

Schüngel-Straumann: Vor über zwanzig Jahren wurden in Deutschland mehrere Dutzend Frauen in Zweijahreskursen auf das Diakonat vorbereitet. Doch dann wurde der Prozess von den Bischöfen gestoppt, eben wegen der oben erwähnten dogmatisch festgeschriebenen Einheit des Weiheamts.

In einer grossen Tagung an der Katholischen Akademie Freiburg, an der ich auch teilgenommen habe, wurde den Frauen daraufhin ein «Diakonat light» angeboten, also eine Art Beauftragung. Ich bin damals aufgestanden und habe gesagt: «Ich hoffe, dass die Frauen diese Mogelpackung nicht schlucken. Wenn Frauen zu Diakoninnen geweiht werden, dann ist es folgerichtig, dass sie demnächst auch zu Priesterinnen und zu Bischöfinnen geweiht werden können.» Die Frauen haben das begriffen und auf das «Diakonat light» verzichtet.

Was müsste denn geschehen, damit Frauen zu Weiheämtern zugelassen würden?

Schüngel-Straumann: Was es dringend braucht, ist eine gründliche Reform des Weiheverständnisses aus dem Mittelalter. Dies ist antiquiert, es enthält magische Elemente, die wir heute überhaupt nicht mehr verstehen und nicht mehr vermitteln können, so etwa, dass die Weihe dem Geweihten ein unauslöschliches Zeichen einprägt. Und dieses unauslöschliche Zeichen ist an das männliche Geschlecht gebunden.

Wo müsste man denn da ansetzen?

Schüngel-Straumann: Das wäre die Aufgabe der Theologen. Leider wird die Theologie heute vom Vatikan nicht genügend wertgeschätzt, ja teilweise ignoriert. Im Mittelalter hatte die Kirche etwa drei gleich gewichtige Säulen: Die Orden, die Theologen und den Papst beziehungsweise Rom. Die Universität von Paris hatte beispielsweise einen grossen Einfluss auf die Kirche. Heute ist alles zentralisiert auf Rom, und Theologen werden oft abgewimmelt, wenn sie etwas schreiben, was nicht in die enge Auslegung der Kurie in Rom passt.

Dann ist die ganze Diskussion um das Frauendiakonat also sinnlos?

Schüngel-Straumann: Ja. Das Frauendiakonat ist eine Sackgasse, diese Diskussion eine Alibiübung. Es löst keine Probleme, schon gar nicht das des Priestermangels. Diakoninnen dürften taufen und wahrscheinlich die Krankensalbung spenden. Die Sakramente der Beichte und Eucharistie wären aber weiterhin den Priestern vorbehalten. Und darin liegt ja gerade das Hauptproblem der Seelsorge, dass die Feier der Eucharistie immer schwieriger und seltener wird, solange es immer weniger geweihte Priester gibt.

 

Helen Schüngel-Straumann (* 1940) ist Bibelwissenschaftlerin, sie promovierte 1969 als erste Laiin in katholischer Theologie (Altes Testament). 1987 wurde sie auf den Lehrstuhl für Biblische Theologie in Kassel berufen. Sie ist Gründerin und Präsidentin der Helen Straumann-Stiftung für Feministische Theologie, welche umfangreiche Literaturbestände in diesem Bereich zugänglich macht. Seit 2001 arbeitet sie zusammen mit dem Zentrum Gender Studies der Universität Basel für den Aufbau der «öffentlichen Bibliothek für Gender Studies».

Schüngel-Straumann in der Schweizerischen Kirchenzeitung: Biblische Argumente zu Frauen in der katholischen Kirche

Papst gründet Kommission zum Diakonat der Frau

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Sackgasse | © pixabay.com CC0
5. August 2016 | 11:02
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Helen Schüngel-Straumann | © zVg Helen Schüngel-Straumann | © zVg

Frauenbund will keinen Sonderweg für Frauen

Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) begrüsst es grundsätzlich, dass Papst Franziskus die «dringliche Frauenfrage in der katholischen Kirche» aufnimmt, wie einer Mitteilung zu entnehmen ist. Der SKF hält es nebst einer starken Vertretung von Frauen in dieser Kommission für unabdingbar, das Diakonat der Frau «auf die soziokulturelle Situation der Kirche heute hin neu zu denken». In der Geschichte gebe es Hinweise, dass Frauen früher viel stärker in die Ämter eingebunden waren als heute. Entsprechend müsse die Ausgestaltung des Diakonatsamtes eine Antwort sein auf die Fragen und Nöte von heute.

Das Diakonat der Frau dürfe jedoch nicht als ein besonderer Weg gestaltet werden, der nur Frauen offenstehe. Es müsse vielmehr analog zum Diakonat der Männer konzipiert sein, im Sinne der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. (sys)