Der chaldäisch-katholische Priester Awakem Isleiwa
Schweiz

Chaldäisch-katholischer Priester engagiert für Christentum im Irak

Altdorf UR, 30.10.17 (kath.ch) Am nationalen Gedenktag für die verfolgten und bedrängten Christen standen dieses Jahr die irakischen Christen im Mittelpunkt des katholischen Hilfswerkes «Kirche in Not». In Altdorf feierte der chaldäisch-katholische Priester Awakem Isleiwa mit vielen engagierten Mitstreitern die Gottesdienste mit.

Vera Rüttimann

Auf dem Altar der Kirche St. Martin in Altdorf brannten an diesem Wochenende besondere Kerzen: Sie stammen vom Hilfswerk «Kirche in Not», das Namen von Christen eingravieren liess, die verfolgt oder getötet wurden. Die Kerzen erinnerten die Gottesdienstbesucher auch an den Sommer 2014, als IS-Terroristen die irakische Stadt Mossul eroberten, dazu die nahen neun christlichen Dörfer der Ninive-Ebene. Innerhalb weniger Stunden flohen damals 120’000 Christen mit nichts als dem, was sie auf ihrem Leib trugen. Sie kamen in kurdischen Autonomie-Gebieten unter. Der IS zerstörte nicht nur Häuser, sondern auch über 40 Kirchen und 18 Klöster. Die Bilder enthaupteten Marienstatuen wirken bis heute in vielen Köpfen nach.

Stark bedroht: Christen im Irak

Im Pfarreiheim der Kirche St. Martin sprach der chaldäisch-katholische Priester Awakem Isleiwa vor gut 50 Personen darüber, wie es dazu kam, dass die Christen im Irak mehr und mehr zu einer Minderheit wurden. «Der christliche Glaube, der im 1. Jahrhundert n.Chr. auf das heutige Territorium des Irak gelangte, ist beinahe vergessen», sagte er. Lebten vor dem Einmarsch der Alliierten im Jahr 2003 mehr als 1 Million Christen im Land, so seien es heute nur noch etwa 200’000. Awakem Isleiwa betonte: «Das Christentum im Irak darf nicht verschwinden!» Solche Veranstaltungen wie hier in Altdorf, betont er, seien sehr wichtig, um die Leute in Europa aufmerksam zu machen auf das Schicksal der Christen im Irak.

Der irakische Priester genoss die Urner Landschaft und die Gastfreundschaft der lokalen Pfarreien. Eine solche Kontinuität an Frieden, wie er ihn in der Schweiz vorfinde, so Awakem Isleiwa, kenne er aus dem Irak kaum.

Der chaldäischen Priester hat eine bewegte Geschichte:  Nach seiner Matura zog es ihn mit 18 Jahren nach Deutschland, wo er Asyl  beantragte. In Bagdad litt er schon 1999 unter der  anti-christlichen Stimmung. Seit einem Jahr ist Awakem Isleiwa chaldäische-katholischer Priester. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seit 2009 ist in der Erzdiözese München Freising für die chaldäische-katholische Gemeinde tätig. Darunter seien viele Flüchtlinge aus dem Irak. In ganz Europa gebe es aktuell gerade mal 125 000 Chaldäer, davon 26 Priester. Die grössten Gemeinden seien in Schweden und Frankreich zu finden.

«Kirche in Not» hilft bei Wiederaufbau

Jan Probst, Geschäftsführer von «Kirche in Not», informierte in seinem Vortrag in der Martins-Kirche über die Arbeit des katholischen Hilfswerkes. Die Zuhörer erfahren: Weil die Christen zurück in ihre Heimat wollen, wurde Anfang 2017 auf Initiative von «Kirche in Not» das Ninive-Wiederaufbau-Komitee gegründet. Dieses besteht aktuelle aus drei technischen Experten sowie zwei Vertretern der  Syrisch-Katholischen und Orthodoxen Kirche. Aktuell gibt es 13’000 zerstörte christliche Wohnhäuser, die wieder bewohnbar gemacht werden müssen.

Allein während des Exils im Kurdengebiet half «Kirche in Not» den irakischen Christen mit 35 Millionen Franken. Sie kehren nach der Vertreibung der IS-Terroristen nach und nach in die christlichen Dörfer der Ninive-Ebene zurück.  3258 christliche Familien, erfahren sie, konnten bereits nach Hause kehren. Weitere 611 Häuser sind in Planung. Dadurch werden in der Ninive-Ebene auch dringend benötigte Arbeitsplätze geschaffen.

Erste Perspektive seit langem

Die Menschen hier haben erstmals seit langer Zeit wieder eine Perspektive. Awakem Isleiwa zitierte Kohanna Mouche, Erzbischof von Mossul, mit den Worten: «Die Ninive-Ebene ist unsere Erde. Ich bin sehr froh, dass uns die Organisation «Kirche in Not» zur Seite steht. Jan Probst sagte: «Unter den 5000 Projekten unserer Hilfswerkes ist dies sicher eines der wichtigsten Projekte, damit das Christentum in einer Gegend, wo die ersten Apostel gewirkt haben, nicht ausstirbt.»

Was nur wenige wissen: «Kirche in Not» unterstützt weltweit 11’000 Seminaristen. Jan Probst, dessen Onkel in der Tschechoslowakei als Priester einst unter Verfolgung litt und im Uran-Abbau unter Tage arbeiten musste, weiss: «Jeder siebte Priester in der Zweiten und Dritten Welt hat einmal von ‘Kirche in Not’ ein Stipendium erhalten.» So auch der Priester Gianni Ragheed, der jedoch nach seiner Rückkehr in den Irak erschossen wurde. Jan Probst: «Ich stand persönlich an seinem Grab. Sein gewaltsamer Tod hat mich sehr bewegt.»

Christen weltweit stärker verfolgt denn je

Nicht nur im Irak haben die Angriffe auf Christen zugenommen, sondern weltweit. Nach dem Bericht «Religionsfreiheit» der Sektion Schweiz von «Kirche in Not» aus dem Jahr 2016 geht hervor, dass die Christenverfolgung schlimmer ist als jemals zuvor in ihrer Geschichte. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Verfolgung von Christen zwischen 2015 und 2017 einen Höchststand erreicht hat.

Jan Probst sagte: «Weltweit werden über 200 Millionen Christen wegen ihres Glaubens bedrängt und verfolgt. Sie werden in vielen Ländern benachteiligt oder seelisch und körperlich gequält.» In seinem Referat erzählte Probst von aktuellen Beispielen aus Ländern wie Syrien, Irak und Nordkorea, aber auch aus einigen arabischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern, welches Schicksal Priestern und Ordensleuten ereilen kann, die öffentlich für ihre Überzeugung einstehen.

Veränderte Wahrnehmung

Dieser nationale Gedenktag zeigte auf: Es gibt für «Kirche in Not» viel zu tun. Obwohl Regierungen und internationale Organisationen erklärten, dass im Irak 2014 ein Genozid stattgefunden hat, beobachten Verantwortliche des katholischen Hilfswerkes, dass sich führende Vertreter der Ortskirchen in ihren Sorgen noch immer allein gelassen fühlen und dass die Not der vertriebenen Christen zu wenig erkannt werde. Ein Wohltäter von «Kirche in Not» sagte in Altdorf deshalb: «Es ist weiterhin wichtig, dass sich ‘Kirche in Not’ für die verfolgten Christen in dieser Region und auch anderswo einsetzt. In der Schweiz sind wir uns viel zu wenig bewusst, wie viele Christen weltweit flüchten müssen und misshandelt werden.»

Bei vielen, so Lucia Wicki-Rensch, komme dieser Apelle mittlerweile an. Sie bilanzierte: «Vor elf Jahren haben wir mit dem nationalen Gedenktag für verfolgte Christen begonnen. Wir waren damals beinahe noch in einer exotischen Position, weil es noch nicht derart viele verfolgte Christen gab. Heute hat unsere Arbeit eine grosse mediale Aufmerksamkeit.»

Der chaldäisch-katholische Priester Awakem Isleiwa | © Vera Rüttimann
30. Oktober 2017 | 17:07
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