Obdachlos
Schweiz

Caritas Schweiz befürchtet «gravierenden Sozialabbau» durch USR III

Luzern, 23.1.17 (kath.ch) Aus Sicht von Caritas Schweiz verheisst die Unternehmenssteuerreform III für Entwicklungsländer, aber auch für arme Menschen in der Schweiz nichts Gutes. Fastenopfer und Comundo sehen dies ähnlich. Im Gegensatz zu anderen Hilfswerken befürchtet Caritas Schweiz aber nicht, dass die Bevölkerung in der Schweiz bei einer Annahme der Reform weniger Geld spenden wird.

Barbara Ludwig

Auf ausländischen Druck hin will die Schweiz mit der Unternehmenssteuerreform III (USR III), über die am 12. Februar abgestimmt wird, Steuerprivilegien für bestimmte Unternehmenstypen abschaffen. Gleichzeitig sollen neue steuerliche Entlastungsmassnahmen die Abwanderung von Firmen verhindern.

Wird der Mittelstand weniger spenden?

Wenn gewisse Unternehmen künftig dem Fiskus weniger abliefern müssen, wird der Mittelstand die Zeche in Form höherer Steuern bezahlen. So lautet eine der Befürchtungen im Zusammenhang mit der USR III. Unter dem Strich könnte den Haushalten weniger Geld für Spenden zugunsten wohltätiger Zwecke zur Verfügung stehen.

Das katholische Hilfswerk Fastenopfer befürchtet deshalb, dass die Spendenbereitschaft bei der Bevölkerung sinkt, wie Madlaina Lippuner, Fachverantwortliche PR, auf Anfrage mitteilte. Auch Comundo, eine Organisation der Personellen Entwicklungszusammenarbeit, hält diese Sorge für «plausibel». «Es wird eine Umverteilung der Lasten von Unternehmen hin zu den Privathaushalten und insbesondere zum Mittelstand geben», teilte Mediensprecher Ingo Boltshauser auf Anfrage mit. Inwieweit dadurch die Spendenbereitschaft reduziert werde, sei jedoch schwer vorauszusagen.

Reform setzt Arme in der Schweiz unter Druck

Bei Caritas Schweiz geht man indes nicht davon aus, dass die Menschen in der Schweiz weniger spenden werden. Diese Frage stehe für das katholische Hilfswerk auch nicht im Vordergrund, liess Stefan Gribi, Leiter Abteilung Kommunikation, auf Anfrage wissen. Zentral sei vielmehr «die bereits heute unübersehbare Entwicklung, dass fehlende Steuereingänge durch gravierenden Sozialabbau kompensiert werden». Zurzeit werde bei der Sozialhilfe, den Prämienverbilligungen und bei der Bildung gespart. «Die Situation armutsbetroffener Menschen wird sich mit einem Ja zur Unternehmenssteuerreform III verschärften. Wer Armut in der Schweiz bekämpfen und verhindern will, muss sich deshalb gegen diese Vorlage aussprechen», so Gribi. Caritas Schweiz kritisiert die Vorlage demnach insbesondere aus sozialpolitischen Überlegungen heraus.

Auch Fastenopfer rechnet damit, dass wichtige Aufgaben der Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen werden können, wenn «weniger Steuersubstrat» vorhanden sei. Betroffen wären die Kultur und das Soziale, aber auch die Kirche, so Madlaina Lippuner. Beim Fastenopfer erwartet man, dass die «Schere zwischen Arm und Reich» sich vergrössern könnte. Ingo Boltshauser von Comundo erwartet, dass wegen der Einnahmenverluste die Budgetdebatten auf allen politischen Ebenen schwieriger werden.

Konzerne können Gewinne weiterhin in die Schweiz verlagern

Für Caritas Schweiz stehe die «Inlandperspektive», also die Auswirkungen der Reform in der Schweiz, im Vordergrund, betonte der Kommunikationsverantwortliche von Caritas Schweiz. Die USR III sei aber auch auf der Ebene der Entwicklungspolitik problematisch. Zwar gehe sie mit der Abschaffung von alten «Sondersteuerregimen» für internationale Firmen in die richtige Richtung. Gribi kritisiert jedoch, dass gleichzeitig neue «Sondersteuerregime» geplant sind wie die Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer oder Abzüge bei der Kapitalsteuer. «Dank solcher Instrumente wird es für die internationalen Konzerne weiterhin möglich sein, Gewinne aus Entwicklungsländern in die Schweiz zu verlagern.»

Diesen Aspekt betont Alliance Sud sehr stark, wie ein Bericht des Onlineportals ref.ch  (19. Januar) zeigt. «Für Finanzstrategen und Steueroptimierer der internationalen Konzerne bietet die neue Reform genug Steuerschlupflöcher, um Gewinne, die im Süden gemacht werden, weiterhin unversteuert in die steuergünstige Schweiz zu transferieren», sagte Dominik Gross, Experte für Finanzpolitik bei Alliance Sud, gegenüber dem Portal. Alliance Sud ist die gemeinsame entwicklungspolitische Organisation der Schweizer Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Caritas, Helvetas und Heks.

Wenn die USR III der Schweiz im globalen Steuerwettbewerb Vorteile verschaffen solle, geht das aus Sicht von Comundo «notgedrungen» auf Kosten anderer Länder. Auch Fastenopfer hält es für ein «substantielles Risiko», dass Entwicklungsländern wegen der Gewinntransfers weniger Steuern einnehmen.

Entwicklungshilfe kann Schaden nicht kompensieren

Diesen Ländern entgehen jährlich über 200 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidungspraktiken international tätiger Unternehmen, stellt Caritas Schweiz unter Berufung auf Schätzungen des Internationalen Währungsfonds fest. Es seien Gelder, die die Regierungen im Süden in Bildung, Soziales oder in nachhaltige Entwicklung investieren könnten. «Mit der USR III wird sich diese Situation nicht verbessern», ist Gribi überzeugt. Er geht davon aus, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht in der Lage sei, diese Ausfälle zu kompensieren.

Caritas Schweiz hat im Gegensatz zu Helvetas keine Nein-Parole herausgegeben. Aus «formalen Gründen», wie Gribi gegenüber kath.ch sagte. Eine Parole hätte vom Vorstand abgesegnet werden müssen, der sich vier Mal jährlich treffe. Diese Woche will das Hilfswerk jedoch ein Dokument veröffentlichen, das entwicklungspolitische Argumente gegen die USR III aufzählt.

Obdachlos | © Georges Scherrer
23. Januar 2017 | 16:59
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!