Bischof Ivo Fürer hat prägende Jahre der Kirchenentwicklung dokumentiert

St. Gallen, 11.12.18 (kath.ch) «Wenn wir heute über Kirche reden, müssen wir zuerst an uns selbst denken, nicht an den Bischof oder an den Papst.» Das sagte der emeritierte Bischof Ivo Fürer anlässlich der Vernissage seiner beiden Bücher «Kirche im Wandel der Zeit» und «Die Entwicklung Europas fordert die Kirchen heraus». Die Vernissage fand am Sonntag, 9. Dezember, im Musiksaal des Stiftsbezirks St. Gallen statt.

Evelyne Graf

«In beiden thematisch zueinander passenden Werken wird deutlich, wie sehr Bischof Ivo Fürer mit Mut und Visionen die Kirche in der Schweiz und in Europa mitgeprägt hat», sagte Bischof Markus Büchel bei der Begrüssung. Das Buch «Kirche im Wandel der Zeit – Konzil, Synode 72 und die Zusammenarbeit der Bischöfe Europas» dokumentiert aus persönlichen Erinnerungen und Reflexionen aus heutiger Sicht ein halbes Jahrhundert Kirchengeschichte.

Ein grosser Netzwerker

Geschichte, die für die Zukunft der katholischen Kirche richtungsweisend geworden ist: «Nach dem Konzil war Ivo Fürer eine treibende Kraft für eine Synode in der Schweiz. Unter seiner Koordination wurde sie von 1972 bis 1975 durchgeführt. Die Kontakte aus Konzil und Synode bildeten die Grundlage für sein grosses Netzwerk innerhalb und ausserhalb der katholischen Kirche», schreibt die Publizistin Yvonne Steiner im Vorwort des von ihr herausgegebenen Buches.

«Ivo Fürer war eine treibende Kraft für eine Synode in der Schweiz.»

Und sie führt Fürers Tätigkeiten im Bistum St.Gallen, in der Schweiz und international auf: «1977 wurde er zum Sekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) gewählt, für den er bis zu seiner Wahl zum Bischof von St.Gallen im Jahr 1995 viele Tagungen organisierte», heisst es im Vorwort weiter. Margreth Küng, seine langjährige Sekretärin und spätere Kanzlerin, habe ihn in all den Jahren mit Umsicht und Tatkraft unterstützt.

Kraft zur Gestaltung der Zukunft

Im Gespräch mit Yvonne Steiner hob Ivo Fürer an der Vernissage zunächst die neue, vom Konzil erarbeite Sicht von der Kirche als Volk Gottes hervor: Jeder und jede sei gerufen, seinen Beitrag zum Aufbau der Kirche zu geben. Die Synode 72 habe die Ergebnisse aus dem Konzil in die Bistümer der Schweiz übertragen.

«Die Texte sind von Priestern und Laien zusammen formuliert und vom Bischof bestätigt worden. Dies gibt uns die Hoffnung, dass auch heute in der Kirche die Kraft vorhanden ist, die Zukunft zu gestalten.»

Brückenbauer zwischen Ost und West

Als Generalsekretär des CCEE stand Fürer mit Kirchenleuten in der ganzen Welt in Verbindung. «Der CCEE hat geholfen, über nationale Grenzen hinauszusehen. Dies war vor allem von grosser Bedeutung in der Zeit der Trennung von Ost und West in Europa. Im Westen konnte man die Neuerungen des Konzils umsetzen. Im Osten musste die Kirche sich vor allem gegenüber dem atheistischen System des Kommunismus behaupten», so der emeritierte Bischof.

«Heute versucht die Kirche, den Zentralismus zu überwinden.»

Dies habe zu unterschiedlichen Kirchenverständnissen geführt. Der CCEE habe sich bemüht, zwischen dem Osten und dem Westen Brücken zu bauen. «Heute versucht die Kirche, den Zentralismus und die europäische Prägung zu überwinden.»

Neue Geisteshaltung gefordert

Paul M. Zulehner sprach zum zweiten am Sonntag vorgestellten Buch: «Die Entwicklung Europas fordert die Kirchen heraus: Die Tätigkeit des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) von seiner Gründung 1971 bis 1996». Er wies darauf hin, dass der ehemalige Präsident des Rates, Kardinal Carlo M. Martini, eine positive Sicht der modernen Welt vertrat. «Er veranlasste schon 1985, dass der CCEE von der Deutungskategorie ‹Säkularisierung› Abschied nehmen müsse», so Zulehner. Martini habe darauf hingewirkt, dass «nicht die behauptete Gottlosigkeit der modernen Welt» zum Ausgangspunkt der Evangelisierung genommen werde, sondern «das ganz konkrete Leben der Menschen von heute.»

Kontinentalisierung der Weltkirche

«Am Beispiel des CCEE kann ein zweiter Aspekt studiert werden, der für die Kirche in der Welt von heute bedeutend ist: die Kontinentalisierung der katholischen Weltkirche», führte der Wiener Pastoraltheologe weiter aus. Kontinentalisierung bedeute Dezentralisierung der Weltkirche.

Papst Franziskus habe ein enormes Verständnis für die kontinentalen Bischofskonferenzen entwickelt. «In ‹Evangelii gaudium›, seiner ‹Regierungserklärung› aus dem Jahre 2013, zitiert er mehr als 40 Mal verschiedene Bischofskonferenzen. So kann man etwa lesen ‹wie die Bischöfe Indiens lehren.›» Papst Franziskus sei davon überzeugt, dass Gottes Geist nicht nur in der Vatikanischen Zentrale am Werk ist, sondern auch an der Peripherie.

«Es gibt massive Widerstände im kirchlichen System.»

Paul M. Zulehner wies weiter darauf hin, «dass es gegen die Kontinentalisierung der Weltkirche massive Widerstände im historisch gewachsenen kirchlichen System gibt und geben wird». Deshalb habe er im Oktober 2017 zusammen mit dem Theologen Tomas Halik aus Prag die Aktion «Pro Pope Francis” lanciert. «Dem Papst sollte damit für den von ihm eingeschlagenen, couragierten Weg der Weiterentwicklung der Weltkirche emotional wie theologisch Unterstützung signalisiert werden.»

Paul M. Zulehner vermerkte dankend das enorme Engagement von Ivo Fürer für die Kirche in Europa, «das in dem Buch einen würdigen Nachklang gefunden hat».

An der Vernissage nahmen Gäste aus dem In- und Ausland teil, darunter der Kirchenhistoriker Franz Xaver Bischof aus München, alt Bundesrätin Ruth Metzler, der St. Galler Regierungsrat Benedikt Würth, Martin Werlen aus dem Benediktinerkloster Einsiedeln sowie Peter Henrici, emeritierter Weihbischof aus dem Bistum Chur. Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom Collegium Vocale unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Gut.

Angaben zu den vorgestellten Werken:

Ivo Fürer: Kirche im Wandel der Zeit – Konzil, Synode 72 und die Zusammenarbeit der Bischöfe Europas, Zürich 2018 (TVZ)

Ivo Fürer: Die Entwicklung Europas fordert die Kirchen heraus: Die Tätigkeit des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) von seiner Gründung 1971 bis 1996, Ostfildern 2018 (Grünewald)

Der emeritierte Bischof Ivo Fürer im Gespräch mit Yvonne Steiner. | © Regina Kühne/Bistum St. Gallen
11. Dezember 2018 | 11:50
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Unterstützung durch langjährige Wegbegleiter

Die Publizistin Yvonne Steiner hat Ivo Fürer beim Buch «Kirche im Wandel der Zeit» als Redaktorin und Herausgeberin unterstützt. Die Theologin war im Bistum St. Gallen in der Pfarrei- und Gefängnisseelsorge tätig und Mitglied in dem durch Bischof Ivo Fürer eingesetzten diözesanen Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe in der Kirche. Steiner stuft das Engagement von Ivo Fürer bei der Synode 72 und der Arbeit der katholischen Kirche in Europa als sehr bedeutend ein. Heute ist Yvonne Steiner im Verlagshaus Schwellbrunn tätig.

Der Wiener Priester und Theologieprofessor Paul M. Zulehner hat in Innsbruck mit Ivo Fürer studiert. Er gehörte später als Sekretär des jeweiligen Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zum Arbeitsteam von Fürer als Generalsekretär des CCEE. «Ohne seinen unermüdlichen Einsatz wäre die Geschichte des CCEE in den ersten fünfundzwanzig Jahren nicht so erfolgreich verlaufen», schreibt Zulehner auf Anfrage von kath.ch.

Der Theologieprofessor hat dem emeritierten Bischof bei der Fertigstellung seines Lebenswerks geholfen und die Einführung zu einem weiteren Buch «Die Entwicklung Europas fordert die Kirchen heraus» geschrieben. Die Redaktion dieses Buches hatte Margreth Küng-Epper, frühere Sekretärin und Kanzlerin von Ivo Fürer während seiner Zeit als Bischof von St. Gallen. (sys/ms)