Unermüdlicher Kämpfer: Werner Ruch sammelt Geld für einen hindernisfreien Klosterplatz.
Schweiz

Bau der hindernisfreien Wege auf Einsiedler Klosterplatz droht sich zu verzögern

Einsiedeln, 8.5.19 (kath.ch) Werner Ruch kämpft seit Jahren für einen barrierefreien Klosterplatz. Nun könnte sich die Umsetzung verzögern. Dem Kloster fehlt das Geld.

Ueli Abt

Rollstuhlfahrer Werner Ruch macht nicht den Eindruck, dass er sich schnell ausbremsen liesse. 2003 fuhr der Experte und Berater für Barrierefreiheit in einer Parforce-Leistung in 14 Tagen mit eigener Muskelkraft im Rollstuhl vom Zürichsee nach Bern, um für das Behindertengleichstellungsgesetz zu werben. Doch auf dem Klosterplatz in Einsiedeln reibt sich der engagierte Kämpfer und Berater für barrierefreies Bauen buchstäblich am holprigen Untergrund.

«Sehen Sie, mit den kleinen Vorderrädern bleibe ich in den Fugen stecken», erklärt er auf dem gepflasterten Platz direkt an der Fassade der Klosterkirche und auf dem sanierten Abteihof mehrmals. «Wenn ich mich nicht enorm konzentriere, riskiere ich, aus dem Rollstuhl zu fallen.»

Wer nicht gegensteuert, driftet ab

Spätestens jetzt wird vor Ort klar: Menschen mit Beeinträchtigung sind auf dem zweitgrössten Kirchenvorplatz Europas gleich in mehrfacher Hinsicht gefordert. Entlang der Kirchenfassade fahren Rollstuhlfahrer aufgrund des Quergefälles seitwärts geneigt. Sie müssen permanent einseitig abbremsen, um nicht jählings hangabwärts zu driften.

Weiter müssen Rollstuhlfahrer gegen den Widerstand ankämpfen, den die Zwischenräume zwischen den Pflastersteinen bilden: Wo der Sand in den Fugen ausgespült wurde, blieben kleine Gräben zurück. Und dann senkt sich die in die Jahre gekommene Pflästerung auch an gewissen Stellen in Dellen ab – eine Herausforderung insbesondere auch für Menschen mit Sehbehinderung.

«Barrierefreiheit ist sehr wichtig.»

Inzwischen sind aber Bemühungen im Gang, auf dem Einsiedler Klosterplatz die Hindernisse so gut wie möglich abzubauen. «Jedes Jahr pilgern viele Betagte und Beeinträchtigte hierhin, um Kraft zu schöpfen. Barrierefreiheit ist sehr wichtig», sagt Ruch. Kraftort: Der Begriff beschreibt knapp, was Einsiedeln auch für Ruch selbst bedeutet.

Immer wieder in Einsiedeln

Mit zwei Jahren erkrankte er an Kinderlähmung und sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl. Seit er vor ein paar Jahren schwierige Zeiten durchmachte, kommt er immer wieder nach Einsiedeln. Es gab Zeiten, da habe er praktisch täglich an der öffentlichen Vesper in der Klosterkirche teilgenommen.

Die verwendeten Flusssteine sind nur einigermassen glatt.

Der Impuls dazu, sich aktiv für die Barrierefreiheit des Platzes zu engagieren, kam auch von aussen. Eine andere Rollstuhlfahrerin hatte sich 2010 an ihn gewandt, weil sie den bereits im Rahmen einer ersten Sanierungsetappe renovierten, nun als behindertengerecht präsentierten Abteihof als immer noch schwierig zugänglich einstufte.

Laut Ruch waren die verwendeten Flusssteine zwar einigermassen glatt, aber eben nur einigermassen. Zusammen mit der wenig beständigen Fugenfüllung Sand führte das zu einem schwierigen Untergrund.

Nachträglich Spur in den Platz geschliffen

In der Folge hat Ruch und die von ihm initiierte «IG Hindernisfreier Klosterplatz» im Austausch mit der Vereinigung «Freunde des Klosters Einsiedeln» erwirkt, dass man auf dem Abteihof auf einer Breite von 1,40 Metern die Steine nachträglich abschliff und so eine Spur für Rollstuhlfahrer schuf.

Für Menschen mit Gehbehinderungen ein Hindernis: quaderförmige Flussteine den Untergrund auf dem Klosterplatz.
Für Menschen mit Gehbehinderungen ein Hindernis: quaderförmige Flussteine den Untergrund auf dem Klosterplatz.

Heino von Prondzynski, Präsident der Vereinigung «Freunde des Klosters Einsiedeln» und vom Abt beauftragter ehrenamtlicher Projektleiter für die Klosterplatzsanierung, sagt: «Beim Abteihof haben wir geübt, bei der Sanierung des Hauptplatzes werden wir für die Wege für Menschen mit Behinderung von Anfang an andere Materialien verwenden.»

Konkret sollen es geschliffene und nicht bloss gebrochene Flusssteine sein. Die Flusskiesel würden fest verfugt, die Füllung könne somit im Gegensatz zu Sand nicht ausgewaschen werden.

LED-Licht zur Treppenbeleuchtung

Natürlich habe auch die kantonale Denkmalpflege ein Wörtchen mitgeredet. So habe diese vorgeschrieben, dass Flusssteine eingesetzt werden müssen, jenes Material also, das hier in den letzten 300 Jahren verwendet worden war. Grundsätzlich hat man sich laut von Prondzynski von Anfang an mit der Denkmalpflege einigen können.

Verbesserungen sind auch beim Eingang in die Klosterkirche nötig.

Um in der Mitte des Platzes die Treppenanlage zwischen den Kaiserfiguren für Menschen mit Beeinträchtigung zu verbessern, sollen vier schmiedeeiserne Handläufe mit eingebauten LED-Lichtern zur Beleuchtung der Stufen angebracht werden.

Verbesserungen seien auch beim Eingang in die Klosterkirche nötig. Dort verunmögliche im Winter ein Windfang Rollstuhlfahrern den selbstständigen Zutritt. «Wir sind daran, eine bessere Lösung mit einem Windfang nach innen zu erarbeiten.»

Bau der Toilette noch offen

Ob man in der Nähe des Eingangs im nahen Pfarramt wie von der IG gewünscht eine behindertengerechte Toilette einrichten könne, hänge davon ab, wie sich die Zukunft des Pfarramts im Gebäude gestaltet. Derzeit könne man das nicht entscheiden.

Offen ist laut von Prondzynski derzeit auch noch, bis wann die hindernisfreien Wege auf dem oberen Klosterplatz realisiert werden können. Denn derzeit fehlt es noch am Geld. «Das Kloster baut immer erst, wenn das Geld vorhanden ist», so Prondzynski. Für die Sanierung des oberen Klosterplatzes fehlten derzeit noch 2 Milllionen Franken, wovon 700’000 Franken auf die hindernisfreien Wege entfielen.

Eigene Spendenaktion gestartet

Ruch will mithelfen, um dieses Geld zusammenzubringen. Mit seiner IG hat er seine eigene Spendenaktion gestartet. Dafür hat er einiges an Zeit und eigenen Mitteln aufgewendet: Er hat eine eigene Website und einen Flyer ausgearbeitet, um Geld eigens für den hindernisfreien Zugang zu sammeln.

«Ich möchte mich selbst auch engagieren.»

Dies läuft parallel zu der bereits laufenden Spendenaktion des Klosters. «Wir Menschen mit Behinderung nehmen oftmals die Rolle der Fordernden ein. Ich möchte mich selbst auch engagieren», sagt Ruch.

Er hofft, dass die Sanierung noch dieses Jahr stattfinden kann. Andernfalls würde das für Rollstuhlfahrer wie Ruch bedeuten, dass der Weg zur Klosterkirche gleich zwei weitere Jahre beschwerlich bleibt. Denn die seit Jahren laufende etappenweise Platzsanierung wird 2020 sistiert, zugunsten des Freilichtspiels «Einsiedler Welttheater».

«Mit viel Glück können wir die linke Hälfte des oberen Platzes noch 2019 erneuern», sagt von Prondzynski. Er sei zuversichtlich, dass das Geld spätestens 2020 vorhanden sei, um die Sanierung 2021, im Jahr nach der Welttheater-Aufführung, ausführen und abschliessen zu können.

Unermüdlicher Kämpfer: Werner Ruch sammelt Geld für einen hindernisfreien Klosterplatz. | © Ueli Abt
8. Mai 2019 | 13:27
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Spendenaktion für hindernisfreie Wege

Werner Ruch will sich mit dem eigenen Aufruf zusätzlich auch an Menschen richten, die direkt oder indirekt von barrierefreien Zugängen profitieren werden, also an Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen. Wer das Anliegen unterstützen will, kann via Spenden-Website symbolisch einen Stein für die beiden künftigen rollstuhlgerechten Wege kaufen. Diese sollen jeweils von den Parkplätzen zum Kircheneingang sowie zum Marienbrunnen führen. Die Spenden gehen direkt aufs Konto des Klosters Einsiedeln. «Steinreich» sei das Kloster nicht, wie Ruch mit seinem Flyer erklärt: Potenzielle Spender erfahren, dass das Kloster als Territorialabtei keinem Bistum angehört, somit nicht von Kirchensteuern profitiert und trotz Einkünften aus dem eigenem Betrieb zusätzlich auf Spenden angewiesen ist, insbesondere bei einer so aufwändigen Sanierung wie jener des riesigen Klosterplatzes. Erste Früchte hat Ruchs unermüdlicher Einsatz bereits getragen. Das Mitglied der Schweizer Helfervereinigung der Lourdes-Wallfahrt hat die Zusage erhalten, dass auf der diesjährigen Wallfahrt das traditionelle Opfer auf der Rückreise zugunsten des barrierefreien Klosterplatzes gesammelt wird. (uab)