Generalvikar Martin Grichting
Schweiz

Aufsicht über kirchliche Stiftungen: Martin Grichting lobbyiert in Bern

Chur/Bern, 16.10.16 (kath.ch) Sollen kirchliche Stiftungen einer staatlichen Aufsicht unterstellt werden? Mit diesem Vorschlag gelangte FDP-Nationalrätin Doris Fiala im Juni an den Bundesrat. Der Churer Generalvikar Martin Grichting wehrt sich in einem Schreiben an Partei- und Fraktionspräsidenten gegen dieses Ansinnen, wie die «Sonntagszeitung» heute publik mache.  

In ihrer Interpellation vom 15. Juni fragt die Zürcher Nationalrätin Fiala nach der Transparenz bei den Finanzflüssen von religiösen Stiftungen. Die Attentate von Paris und Brüssel, Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Islamischen Staat, aber auch Geldwäschereiskandale im Vatikan zeigten, «dass auch religiöse Gemeinschaften von Finanzkriminalität und Terrorismusfinanzierung betroffen sein können», so die Interpellation. Fiala fragt daher unter anderem nach der Möglichkeit einer staatlichen Aufsicht über solche Stiftungen.

Genau dies missfällt dem Churer Generalvikar Martin Grichting. Am 16. September richtete er sich mit einem Schreiben, das kath.ch vorliegt, an alle Partei- und Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten. Darin legt er dar, dass das Bistum eine solche Aufsicht unter erheblichem Aufwand und unter Beibezug von Fachpersonen wahrnimmt. Die kirchlichen Stiftungen würden überdies jährlich durch Revisoren geprüft.

Bestrafung der Rechtschaffenen

«Wir verstehen, dass Terrorismusfinanzierung heute ein Problem darstellt», räumt Grichting ein. Gemeinsam mit dem Bundesrat, der die Interpellation am 7. September beantwortet hatte, ist Grichting jedoch der Ansicht, «dass für die wirksame Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung andere Mittel eingesetzt werden müssen.» Ein Entzug der Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen würde in diesem Fall nichts bringen. Man würde vielmehr jene bestrafen, «welche den Staat bisher von Kosten entlastet und klaglos ihre Arbeit gemacht haben.»

Grichting begründet seinen Einsatz für den Erhalt der Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen auch damit, dass diese ein «Führungsinstrument» darstelle. Denn es gehe dabei auch um den Schutz der Stiftungen vor zweckfremden Interessen.

Grichting hält die Interpellation von Fiala für nicht geeignet, um das von ihr anvisierte Ziel der Terrorismusbekämpfung zu erreichen. Der Vorstoss treffe nicht zuletzt auch jene, «die bisher gewissenhaft und gesetzeskonform gearbeitet haben.»

Transparenz bei kirchlichen Stiftungen begrüsst das Bistum Chur grundsätzlich. So habe es sich für den Eintrag kirchlicher Stiftungen ins Handelsregister ausgesprochen, schreibt Grichting. Die Regelung, dass sich kirchliche Stiftungen im Handelsregister eintragen lassen müssen, gilt seit Beginn 2016. Die Stiftungen haben dazu fünf Jahre Zeit.

Chur nimmt nächste Woche Stellung

Laut «Sonntagszeitung» (16. Oktober) gibt es ein zweites Schreiben Grichtings an Doris Fiala und die FDP-Spitze.  Darin bezeichne der Generalvikar es als «persönlich verletztend», dass Fiala im Parlament von einer fehlenden Aufsicht rede, zumal er rund einen Tag pro Woche für diese aufwende. «Wenn Sie der Kirche überhaupt die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen entziehen wollen, sollten Sie offen dazu stehen und uns nicht in aller Öffentlichkeit mit Terroristen in einen Topf werfen.»

Fiala weist den Vorwurf laut Zeitung von sich. Beim Gebot der Transparenz könne nicht zwischen muslimischen und nichtmuslimischen Organisationen unterschieden werden.  «Das Bistum Chur sollte wissen, dass wir in der Schweiz Religionsfreiheit haben und es gar nicht möglich ist, nur islamische Vereine ins Visier zu nehmen», so Fiala in der Zeitung. Unabhängig von der Terrorismusbekämpfung findet sie es nicht hinnehmbar, dass religiöse Stiftungen und Vereine in der Schweiz fast unkontrollierbar seien.

Der Nationalrat hat das Geschäft noch nicht behandelt. Das Bistum Chur hat für kommende Woche eine Stellungnahme in Aussicht gestellt. (sys)

Generalvikar Martin Grichting | © Bistum Chur
16. Oktober 2016 | 14:09
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!