Caritas-Direktor Hugo Fasel: "In Afrika nimmt die Armut nicht ab!" (gelber Balken)
Schweiz

Afrika als Wahlkampfthema positiv einsetzen

Im diesjährigen Wahlkampf wird Afrika nicht der Knüller sein, den die Kandidierenden für die eidgenössischen Räte auf ihr Wahlkampfbanner setzen, sagt Caritas-Direktor Hugo Fasel. Die Leiterin für den Bereich Grundlagen beim Hilfswerk, Marianne Hochuli, spricht gegenüber kath.ch von einem langfristigen Planen, das die Afrika-Politik der Schweiz bestimmen soll.

Georges Scherrer

Nuancierter argumentiert hingegen Martin Flügel, Leiter des Bereichs Politik und Public Affairs beim Hilfswerk. Es gebe durchaus Kandidatinnen und Kandidaten für den National- und Ständerat, die sensibel seien für die Entwicklungshilfe. Würden diese gewählt, wären sie eine Verstärkung für jene Parlamentarier, die in den Eidgenössischen Räten für die Anliegen der Hilfswerke eintreten, also zum Beispiel für die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) politisch einstehen.

Bundesrat soll eigene Afrikapolitik definieren

Bewegung gibt es sowieso in der Afrikapolitik der Schweiz. Der Bundesrat hat im Frühling den Entwurf für die strategische Ausrichtung der «Internationalen Zusammenarbeit» (IZA) für die Jahre 2021 bis 2024 in die Vernehmlassung geschickt. Caritas Schweiz will aber mehr. Der Bundesrat soll bereits vor den Beratungen des Entwurfs in den beiden eidgenössischen Räten eine eigene «Afrikapolitik» definieren.

«Deutschschweizer und Romands können nicht in einen Topf geworfen werden.»

Hugo Fasel

An einer Pressekonferenz in Bern wurde Caritas-Direktor Fasel konkreter. Der Kontinent im Süden Europas werde im aktuellen Wahlkampf aufgrund «des falschen Bildes, das man hierzulande wegen der Migration von Afrika hat, als Drohung» wahrgenommen. Fasel widerspricht jedoch: Südlich der Sahara seien im Jahr 2018 rund 18 Millionen Migranten unterwegs gewesen. Sie wechselten von einem afrikanischen Staat in einen anderen. Lediglich 0,2 Prozent von ihnen gelangten in jenem Jahr nach Europa.

Richtig informieren tut Not

Eine bundesrätliche Strategie müsse darum auch beinhalten, dass das Schweizer Volk richtig aufgeklärt und informiert werde, sagt Fasel. Was für die West- und die Deutschschweiz gelte, gelte auch für den afrikanischen Kontinent: Die Deutschschweizer haben eine andere Kultur als die Romands und können nicht in einen Einheitstopf geworfen werden, so der gebürtige Freiburger Hugo Fasel.

Eine Einheitsstrategie für Afrika gebe es nicht. Der vom Aussenpolitischen Departement propagierte Ansatz «Whole of Governement» mache es nötig, dass die Schweiz individuell auf die afrikanischen Staaten zugehe. Der Bundesrat müsse zudem die «Eigeninteressen» in der Entwicklungspolitik klar und transparent benennen. «Whole of Governement» bedeutet, dass die verschiedenen Verwaltungseinheiten eines Staats besser zusammenarbeiten.

Nicht nur Feld für Grosskonzerne ebnen

Verschiedene Schweizer Grosskonzerne wirtschaften in Afrika äusserst aktiv. Es geht um den Abbau der Bodenschätze. Martin Flügel weist diesbezüglich auf Ungereimtheiten im Bericht des Bundesrates über die Handelsbilanz der Schweiz mit Afrika hin. Der Handel der Schweiz mit Afrika betrage offiziell 5,2 Milliarden Franken, sagt Flügel. In der Zahl seien jedoch der Goldhandel und der Transithandel nicht enthalten. Allein das Gold, das die Schweiz aus Afrika importiere, habe einen Wert von acht Milliarden Franken.

Den Entwicklungen in den Handelsbeziehungen stehe eine abwehrende Migrationspolitik gegenüber. Korrekturbedarf sieht Caritas Schweiz auch in der «ausbeuterischen und zerstörerischen» Wirtschaftspolitik der Schweiz gegenüber dem Kontinent. Das Hilfswerk fordert zudem, dass der Bundesrat künftig an einem Strick zieht und die Verantwortlichkeiten nicht über verschiedene Departemente verteilt.

Ein Feigenblatt von 600 Millionen Franken

Zersplitterte Zuständigkeiten verhinderten eine bestmögliche Ausschöpfung des Potentials, das der Schweiz in seiner künftigen Afrika-Politik zur Verfügung stehe.

«Die Stückzahl Vieh ging von 3600 auf 200 zurück.»

Franziska Koller

Die Schweiz müsse künftig zwei Milliarden Franken in ihre Afrikahilfe investieren, fordert der Caritas-Direktor. Die 600 Millionen Franken, welche die DEZA jährlich nach Afrika fliessen lassen, genügten nicht, um die Migration in Afrika «signifikant» zu vermindern.

Klimawandelt trifft Afrika hart

Weltweit geht die Armut zurück, wie eine Statistik der Weltbank zeigt. Nur nicht in Afrika. Der Kontinent spürt gemäss Franziska Koller, die bei Caritas für die internationale Zusammenarbeit verantwortlich ist, die Folgen des Klimawandels sehr stark.

Der Kontinent ist Dürren und katastrophale Wirbelstürmen ausgesetzt. Koller nennt als Beispiel ein Dorf in Äthiopien, das rund 3600 Stück Vieh besass. Eine Dürre führte dazu, dass der Bestand der Tiere auf 200 Stück zurückging. In diesem Jahr traf der Zyklon «Idai» auf den Kontinent und richtete in Mosambik, Simbabwe und Malawi riesige Schäden an.

Die Schweiz muss Afrika helfen, fordert der Caritas-Präsident. Die Klimahilfe ist nicht «Entwicklungshilfe, sondern eine Entschädigungsleistung gemäss Verursacherprinzip, also eine Antwort auf die Haftpflicht» der Schweiz, so Hugo Fasel. Mit einer neuen «Afrikastrategie» könne der Bundesrat wichtige Eckpfeiler setzen, die auch den Eigeninteressen der Schweiz dienten.

Caritas-Direktor Hugo Fasel: «In Afrika nimmt die Armut nicht ab!» (gelber Balken) | © Georges Scherrer
18. September 2019 | 11:41
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«Afrotopia» soll Afrika wecken

«Afrotopia» ist ein Ort, den die Afrikaner sich erst vorstellen und dann erschaffen müssen, sagt der Ökonomieprofessor Felwine Sarr. Bisher gelangten die Definitionen für Handel und Wirtschaft aus Europa nach Afrika. Der Kontinent müsse aber Alternativen suchen und aus seiner Vielfalt schöpfen. Aus der Sicht des Ökonomen, der an der Universität Gaston Berger in Senegal lehrt, muss Afrika  weltweit das Verständnis dafür wecken, «dass es eben nicht nur eine, sondern eine Vielzahl möglicher Arten gibt», wie der Kontinent mit seinem Reichtum umgeht. Der Kontinent stehe aber einem inneren Widerspruch gegenüber: «Die Gesellschaften sind innovativ, aber das wird von den offiziellen Innovationen nicht wahrgenommen und aufgegriffen.» Im Moment gebe es in Afrika keine politische Bewegung, die diesen Widerspruch aufzulösen versuche, «aber ich bin sicher, dass sich das ändern wird».

Der Musiker, Romanautor und Ökonomieprofessor Felwine Sarr kommt im Caritas-Almanach 2020 zu Wort. Das Jahrbuch befasst sich mit dem Thema Entwicklungspolitik. «Afrika zwischen Aufbruch und Armut» heisst das Leitthema des Bandes. (gs)