Wenn das Leben dem Ende entgegengeht.
Schweiz

Ärzte streiten über SAMW-Richtlinien zu Suizidbeihilfe

Zürich, 11.10.18 (kath.ch) Innerhalb der Ärzteschaft ist offenbar ein Streit um die neuen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) entbrannt. Die FMH stösst sich an einem neuen Kriterium zur Zulässigkeit der ärztlichen Suizidbeihilfe. Am 25. Oktober entscheidet die Ärztekammer über eine Aufnahme der Richtlinien in ihre Standesordnung.

Barbara Ludwig

In der Regel werden die Richtlinien der SAMW in die Standesordnung der Vereinigung der Schweizer Ärzte (FMH) aufgenommen. Damit werden sie für deren Mitglieder verbindlich.

Offen ist, ob dies auch mit den neuen Richtlinien der Akademie im Bereich der Suizidbeihilfe geschieht. Innerhalb der Ärzteschaft ist darüber ein Streit entbrannt, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (10. Oktober) berichtete. Die FMH bestätigte gegenüber kath.ch, dass die Ärztekammer, also das Parlament des Verbandes, über die Aufnahme der neuen Richtlinien mit dem Titel «Umgang mit Sterben und Tod» entscheiden wird.

«Unerträgliches Leiden»

Die FMH lehne die neuen SAMW-Richtlinien nicht grundsätzlich ab, teilte die Organisation auf Anfrage mit. Die FMH stösst sich jedoch daran, dass Suizidbeihilfe neu zulässig ist, wenn «Krankheitssymptome und/oder Funktionseinschränkungen des Patienten für diesen Ursache unerträglichen Leidens» sind, wie es in den neuen Richtlinien heisst. Die früheren Richtlinien erlaubten Suizidbeihilfe nur dann, wenn die Erkrankung des Patienten die Annahme rechtfertigte, «dass das Lebensende nahe ist».

Die FMH wehrt sich «gegen das nicht-definierte Kriterium unerträglichen Leidens». Der Begriff des unerträglichen Leidens sei ein «undefinierter Rechtsbegriff», so der FMH gegenüber kath.ch. Als problematisch erachtet wird demnach, dass vom Arzt verlangt wird, «ein persönlich verantwortetes Urteil darüber zu fällen, ob das Leiden des Patienten unerträglich ist».

FMH fordert überprüfbare Kriterien

«Dieses Kriterium soll durch ein solches ersetzt werden, das klar definiert ist und vom Arzt und gegebenenfalls einer Standeskommission oder einer anderen die Vorschrift anwendenden Instanz problemlos überprüft werden kann», fordert der Berufsverband. Die Richtlinien zur Suizidbeihilfe sollen sich «nach objektiv überprüfbaren Kriterien» richten.

Die FMH mahnt zudem zu Zurückhaltung bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie schweren Depressionen. Hier könnten die Patienten aufgrund ihrer Erkrankung zu Suizidgedanken neigen. Hier wäre es «ethisch bedenklich», Suizidbeihilfe zuzulassen.

Beschränkung auf «tödliche Krankheit»

Der Ärzteverband schlägt vor, dass sich die geregelte Suizidbeihilfe auf solche Patienten beschränken sollte, «die an einer schwerwiegenden tödlichen Krankheit leiden und deren Zustand sich bei einer sachgerechten medizinischen Behandlung auch nicht bessern wird». Eine entsprechende Diagnose könne ein Arzt «mit hinreichender Zuverlässigkeit» stellen.

Wo verlaufen die Fronten?

Mit Verweis auf den internen Meinungsbildungsprozess will die FMH nicht mitteilen, welche Akteure innerhalb der Ärzteschaft ebenfalls im Nein-Lager sind.

Laut der «Neuen Zürcher Zeitung» erhält der Berufsverband aber Schützenhilfe vom Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ). Von der Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz wird die Suizidbeihilfe grundsätzlich abgelehnt. – Die SAMW hat die neuen Richtlinien am 6. Juni veröffentlicht.

Wenn das Leben dem Ende entgegengeht. | © Roger Wehrli
11. Oktober 2018 | 08:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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