Romero-Haus, Sitz von Comundo
Schweiz

Romero-Haus – Ein Widerstandsnest wird erwachsen

Bern, 15.9.16 (kath.ch) Das Romero-Haus in Luzern wird am Wochenende 30 Jahre alt. Es feiert leise und nachdenklich. Das renommierte Bildungshaus ringt um einen Weg zwischen christlichem Fundament und den betont säkularen Marketing-Strategien seiner Dachorganisation Comundo.

Remo Wiegand

1986 wurde der lange gehegte Plan Wirklichkeit: Die Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) eröffnete im Luzerner Würzenbach-Quartier sein eigenes Seminarhaus. Angehende Priester und Theologinnen, die sich zur Missionsarbeit in fernen Gefilden berufen fühlten, sollten darin wohnen, Rückkehrern sollte das Romero-Haus als ideeller Heimathafen dienen, entwicklungspolitische Veranstaltungen schliesslich auch daheimgebliebene Weltveränderer anlocken.

Die Welt im Würzenbach

Das funktionierte. Leidenschaftlich wurde im Romero-Haus über eine gerechtere Welt und eine bessere Kirche referiert und gestritten. Kaum eine öffentliche Bildungsstätte hierzulande stellte die Dritte Welt so konsequent ins Zentrum. «Unser Bildungsspektrum reichte von der Bibel bis zum frühen Marx», erzählt Toni Bernet-Strahm leise lächelnd, Leiter des Romero-Hauses von 2001 bis 2012, in einer Zeit, in der es sich erfolgreich etabliert hatte. Geld spielte lange keine Rolle, die SMB sicherte den Betrieb des Romero-Hauses anfangs mit jährlich einer Million Franken.

Heute ist vieles anders: Das lange relativ autonome Romero-Haus ist nur noch eine von mehreren Geschäftszweigen der Non-Profit-Organisation Comundo, der es als Hauptsitz dient. Comundo entsendet – religiöse und säkulare – Fachkräfte in Entwicklungsländer, zurzeit sind rund hundert Schweizerinnen und Schweizer in Ländern wie Peru, Sambia oder auf den Philippinen tätig. Die gesamtschweizerische Allianz Comundo folgte als Trägerin des Romero-Hauses 2013 auf die Bethlehem Mission Immensee, diese wiederum war aus der Missionsgesellschaft SMB hervorgegangen.

Jeder Entwicklungsschritt brachte dem Romero-Haus neue Profil-Diskussionen, Partnerschaften und umformulierte Leitbilder. Ein komplexes institutionelles Geflecht entstand. Der Gesamttrend der Entwicklung: Weniger Christentum, mehr religionsneutrale Entwicklungspolitik, weniger Idealismus, mehr Betriebswirtschaft. Wie in der Welt, so im Würzenbach.

Gestärkte Marketing-Abteilung

Ist das Romero-Haus ein Ort mit christlichem Charakter oder bereits eines mit christlicher Geschichte? Josef Estermann denkt länger nach. Er ist Leiter «Grundlagen und Forschung» von Comundo und «Sprachrohr» des Romero-Hauses – einen Leiter des Hauses kennt das neue Organigramm nicht mehr. «Das Vermächtnis von Bischof Oscar Romero ist nach wie vor unser Auftrag: Die Vision einer weltweiten sozialen Gerechtigkeit», erklärt Estermann. Der religiös-befreiungstheologische Ansatz von Comundo – Selbstermächtigung der Armen statt bevormundendes Almosenspenden – solle weiterhin erkennbar bleiben, dies würde insbesondere der fürs Romero-Haus zuständige Bildungsbereich gegenüber der Dachallianz vertreten (Comundo hat rund 75 Angestellte, sieben sind hauptsächlich fürs Romero-Haus zuständig).

Estermann räumt aber ein, dass Spannungen bestehen: «Unsere Marketing- und Fundraising-Abteilung ist stärker geworden. Klar, sie muss unser Produkt verkaufen. Und sie macht das eben religiös neutral, damit neue Spenderkreise ohne religiösen Bezug angesprochen werden.» Die im Romero-Haus produzierte Zeitschrift «Wendekreis», auch sie ein Teil der offiziell «Bereich Nord» genannten Marketing-Abteilung, hat sich jüngst öffentlich von einer «religiös geprägten Weltsicht» verabschiedet. Toni Bernet-Strahm kritisierte dies in einem Leserbrief als «kurzsichtig».

Gebet und Politik

Widersprüchlich wird es dort, wo die Verpackung und der Inhalt auseinanderklaffen. Denn nach wie vor sind viele Veranstaltungen im Romero-Haus religiös geprägt. Es gibt politische Nachtgebete, Meditationen oder katholische Dialoge. Mit 140 Personen ausnehmend gut besucht war 2015 eine Tagung zum Thema «Wann ist es Zeit zu sterben?» Insgesamt mehr Publikum ziehen entwicklungspolitische Vorträge an, zum Beispiel des UNO-Experten Andreas Zumach, der regelmässig die Vortragssäle füllt.

Alle Veranstaltungen eint, dass die Häupter der allermeisten Teilnehmer bereits ergraut sind. «Ein jüngeres, noch nicht-sensibilisiertes Publikum erreichen wir mit unseren Anliegen nicht hier im Haus. Auf diese Gruppe müssen wir aktiv zugehen», sagt Estermann. Das Romero-Haus bietet deshalb zum Beispiel neu die «FairFührungen» an, alternative Stadtrundgänge zu nachhaltigem Shopping, die auch von Schulklassen besucht werden. Comundo ist 2017 auch Partner des renommierten Luzerner Comics-Festivals «Fumetto».

Überlebt der Name?

Diese neuen, peppigen Produkte und Kooperationen sind wesentlich ein Verdienst der Marketing-Abteilung unter Führung der Fachfrau Eva Riedi Collen. Dass eine religionsneutrale Kundenmasse den religiösen Kern einer Institution verdrängt, ist allerdings wenig zwingend. Ähnliche Spannungen kennen auch Hilfswerke wie das Fastenopfer, das es besser fertig bringt, Gott und die Welt zusammenzuhalten. «Untersuchungen zeigen, dass kirchliche Organisationen bei Spendern höhere Glaubwürdigkeit besitzen», argumentiert auch Toni Bernet-Strahm.  «Ich wünsche dem Romero-Haus zum 30. Geburtstag, dass es seinen Namen behält», meldet sich schliesslich auch noch Martin Jäggi zu Wort, der Generalvikar der altehrwürdigen Missionsgesellschaft, die das Romero-Haus einst aus der Taufe hob. Dies scheint gewiss: Solange das Haus nach einem lateinamerikanischen Bischof und Märtyrer benannt ist, bekommt es seine religiösen Wurzeln nicht los. Oscar Romero wurde am 24. März 1980 in San Salvador erschossen.

Comundo ist Partner des Comic-Festivals «Fumetto»

Zeitschrift «Wendekreis» löst sich explizit von katholischer Weltsicht

Versöhnliche Töne – Comundo und Echanger regeln ihre Trennung

Romero-Haus, Sitz von Comundo | © Remo Wiegand
15. September 2016 | 17:13
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Jubiläumsveranstaltung: Ist auch die Schweiz ein Entwicklungsland?

Das 20-Jahr-Jubiläum des Romero-Hauses war noch ein rauschendes Fest mit rund 2000 Gästen und Ehrengästen wie Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Zehn Jahre später fordert der Gedenktag eher zur Arbeit heraus: An einem Symposium am 16. und 17. diskutierten Experten, ob heute überhaupt noch von Entwicklungsländern gesprochen werden kann oder ob sich nicht alle Länder in der «Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit» befinden. Darin eingebettet findet am Samstag der 30-Jahr-Festakt statt mit Musik, Theater sowie je einer Podiumsdiskussion zur Lage der Welt und zur Lage des Romero-Hauses. Vom 14. bis zum 17. September wird im Romero-Haus zudem ein «Mural comunitario» gestaltet, ein «gemeinschaftliches Wandbild», das Wünsche und Träume für eine bessere Welt abbildet.