Zwei Gemeinden – keine Moschee

Die Regierung hat die erste Studie über den Islam im Fürstentum Liechtenstein veröffentlicht. Muslime müssten sich zu oft für Radikalisierung und Terrorismus rechtfertigen, sagt der Gesellschaftsminister.

Günther Meier

Terroranschläge im Namen des Islams hätten diese Religion in Verruf gebracht, sagte der Liechtensteiner Gesellschaftsminister Mauro Pedrazzini bei der Vorstellung der Studie. Die Muslime würden darunter leiden, dass sie in der westlichen Welt zu Rechtfertigungen und zu Distanzierungen aufgefordert würden. Auf der anderen Seite aber hätten sich auch Muslime im Westen radikalisiert, Terroraktionen durchgeführt und sich als Dschihad-Kämpfer in den Nahen Osten begeben. Vor diesem Hintergrund hat die Regierung beim Liechtenstein-Institut eine Studie in Auftrag gegeben. Ziel ist, einen Überblick über die Situation der Muslime in Liechtenstein zu geben und gleichzeitig ein besseres Verständnis für die muslimischen Gruppen zu gewinnen. Immerhin zählen knapp 6 Prozent der liechtensteinischen Bevölkerung zum Islam, wovon etwa ein Viertel die Staatsbürgerschaft Liechtensteins besitzt.

Im Unterschied zur Gesamtbevölkerung ist der Anteil der jüngeren Generation höher: Fast ein Viertel der Muslime sind unter 15 Jahre alt und auch in der Altersklasse bis 29 Jahre sind die Angehörigen des Islams vergleichsweise übervertreten.

Die Regierung setzt auf Integration

Der Gesellschaftsminister rief dazu auf, nicht alle Muslime in den gleichen Topf zu werfen, denn der islamische Bevölkerungsanteil sei keine homogene Gruppe. Die Regierung setzt, weil noch keine Radikalisierungen von Jugendlichen registriert werden mussten, weiterhin auf Integration der muslimischen Bevölkerung. Im Fokus stehen dabei vor allem Massnahmen im Bildungsbereich, wie Bildungsministerin Dominique Gantenbein erklärte. Schon im Kindergarten sollen Kinder muslimischer Eltern speziell für die Erlernung der deutschen Sprache gefördert werden, wobei es nicht nur um die Schriftsprache geht, sondern auch um den Dialekt. Die Sprache wird als eines der wichtigsten Elemente der Integrationspolitik bezeichnet, was in allen Bereichen der Gesellschaft zum Ausdruck komme.

Laut Studie fühlen sich Muslime in verschiedenen Lebensbereichen deutlich weniger wohl als Nichtmuslime: Während bei letzteren 34 Prozent ihre Gefühlssituation in Arbeit und Beruf als «sehr gut» einschätzen, sind es bei den Muslimen nur 16 Prozent. Ein ähnliches Gefälle zeigt sich auch in der Freizeit, bei den finanziellen Verhältnissen und nicht zuletzt beim Gesundheitszustand.

Die schlechtere Gefühlslage der Muslime könnte laut Studie damit zusammenhängen, dass es in Liechtenstein keine eigentliche Moschee und auch keinen Friedhof für verstorbene Angehörige des islamischen Glaubens gibt. Ausserdem verfügen die muslimischen Glaubensgemeinschaften nicht über den öffentlich-rechtlichen Status wie westliche Glaubensausrichtungen. Derzeit gibt es zwei Moscheengemeinden, doch fehlt eine repräsentative Moschee für die Gläubigen. Ausgangspunkt für die Einrichtung einer Moschee war der Türkische Verein, der sich 1980 in einem ehemaligen Wasserwerk einmietete und sich die Bezeichnung «Grüne Moschee» gab. Die in der Gemeinde Eschen entstandene Moscheegemeinde spaltete sich zehn Jahre später in zwei Gruppierungen. Neben dem Türkischen Verein wurde die «Islamische Gemeinschaft im Fürstentum Liechtenstein» gegründet, die derzeit in Sevelen beheimatet ist, aber wieder in Liechtenstein eine Wirkungsstätte sucht. Der Rhein sei für Muslime keine Grenze, wird betont, weshalb viele Muslime – je nach Herkunft – in der Schweizer Nachbarschaft zum Gebet zusammenkämen.

Muslimischer Friedhof wäre gemäss Studie wichtig

Muslime erfahren in Liechtenstein, wie Betroffene berichten, hin und wieder Diskriminierungen – insbesondere wenn es um Kopftücher und um Terror geht. In der liechtensteinischen Öffentlichkeit wurde der Islam bisher kaum thematisiert. Mit einer Ausnahme: als es vor etwa einem Jahr um die Bereitstellung eines Grundstückes für die Errichtung eines islamischen Friedhofs ging. Das Projekt musste beerdigt werden, weil die Bürgergenossenschaft Vaduz die Abtretung eines Grundstücks in einer Abstimmung verweigerte. Die Studie gelangt zur Auffassung, es bleibe eine drängende Aufgabe der politischen Gemeinden, für verstorbene Muslime eine angemessene Begräbnismöglichkeit zur Verfügung zu stellen, nicht zuletzt für jene mit liechtensteinischer Staatsbürgerschaft.

St. Galler Tagblatt
13. Oktober 2017 | 08:46