«Tibetische Sans-Papiers-Gemeinschaft Schweiz» fordert: Sofortige Legalisierung der rund 300 tibetischen Sans-Papiers

Medienmitteilung

Mit viel Frustration aber auch einem Gefühl von Bestärkung haben wir gestern den Artikel in der NZZ am Sonntag1 zur Kenntnis genommen. Unsere Befürchtung, dass die LINGUA-Analysen, worauf mit basierend unsere Asylgesuche abgelehnt wurden, nicht nur mangelnde Qualität, sondern eine politisch motivierte Nähe zu China aufweisen, wurde von vier unabhängigen Tibet-Experten bestätigt.

Diese vier anerkannten und unabhängigen Tibetologen haben vertrauliche Akten des Staatssekretariats für Migration SEM wissenschaftlich untersucht und kamen zu einem vernichtenden Ergebnis. Die vom SEM beauftragte Fachstelle «Lingua», welche das Landeswissen und die Sprache von Asylsuchenden mit ungeklärter Herkunft prüft, arbeitet unwissenschaftlich, mit «substanziellen Defiziten und nicht akzeptierbaren Fehlern». So ist eine «objektive Bewertung des Sachverhaltes nicht möglich». Doch diese Lingua-Expertisen sind entscheidend für unsere Aufnahme oder Wegweisung aus der Schweiz.

Wird das SEM von China beeinflusst?

Besonders erschreckt hat uns abgewiesene Tibeter und Tibeterinnen die Aussage von Frau Prof. Kollmar-Paulenz der Universität Bern, dass der überprüfte Experte «offensichtlich sehr chinafreundlich» ist und «eine Reihe seiner Aussagen wie die offizielle chinesische Staatspropaganda tönen.»

«Tibet ist nach wie vor besetzt von China. Die Tibeter werden im eigenen Land von der chinesischen Regierung unterdrückt und verfolgt. Wir sind staatenlos und es ist uns nicht möglich, die Schweiz zu verlassen.» sagt Tingle Scheletsang, Präsident der Tibetischen Sans-Papiers- Gemeinschaft Schweiz. «Die Schweiz verwehrt uns das humanitäre Recht Schutz zu geniessen und biedert sich damit politisch an China an. Somit wurden wir zum Spielball aussenpolitischer Interessen. Dies ist nicht haltbar und eine Schande für die Schweiz, die ihre humanitäre Tradition an China verkauft hat. Wir fordern die sofortige Legalisierung der 300 tibetischen Sans-Papiers.»

Deshalb fordern wir von der Bundesrätin Karin Keller-Sutter (EJPD) und vom Staatssekretariat für Migration (SEM):

1. Sofortige Legalisierung aller Aufenthaltstitel der abgelehnten tibetischen Asylsuchenden

2. Gewährleistung von unabhängigen und rechtsstaatlichen Asylverfahren für tibetische Asylsuchende
3. Sofortiger Stopp der Erneuerung des geheimen Abkommens zwischen der Schweiz und China2

Derzeit leben knapp 300 abgelehnte tibetische Asylbewerber als Sans-Papiers in der Schweiz . Die Asylgesuche wurden abgelehnt, weil das Staatssekretariat für Migration (SEM) vermutet, dass sie ausserhalb von Tibet sozialisiert wurden. Diese abgelehnten Asylsuchenden wurden aufgefordert, die Schweiz zu verlassen, was jedoch aufgrund fehlender Papiere nicht möglich ist. Sie erhalten Nothilfe und leben in Notunterkünften. Aufgrund ihres «illegalen» Aufenthalts werden sie mit Geld- und Haftstrafen, in einigen Kantonen auch mit einer Eingrenzung belegt.


1NZZ am Sonntag, ” Geheime Asyl-Abteilung des Bundes gerät unter Beschuss», 24.10.2020:
https://nzzas.nzz.ch/schweiz/geheime-asyl-abteilung-des-bundes-geraet-unter-beschuss-ld.1583455?reduced=true

2NZZ am Sonntag, ” Geheimvertrag: Chinesen dürfen in der Schweiz ermitteln», 22.08.2020:
https://nzzas.nzz.ch/schweiz/geheimvertrag-chinesen-duerfen-in-der-schweiz-ermitteln-ld.1572784?reduced=true

Gastbeitrag
27. Oktober 2020 | 13:26