SRF befindet sich in Sachen Sparmassnahmen auf einer gefährlichen Irrfahrt

Medienmitteilung

Der Verein «Katholisches Medienzentrum» fordert die Direktion von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) auf, ihr Sparprogramm zu revidieren. Die Massnahmen widersprechen dem Auftrag zum Service public, den die SRG gemäss Radio- und Fernsehkonzession wahrzunehmen hat. Der Abbau von Kultur- und Religionssendungen ist für den sozialen Zusammenhalt schädlich. Eine offene Gesellschaft braucht die kompetente, journalistisch geführte Auseinandersetzung mit allen Religionen.

Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat angekündigt, bis Ende des nächsten Jahres 211 Stellen abzubauen. Gleichzeitig will es im digitalen Bereich 95 neue Stellen schaffen. Neben dem Personalabbau sollen den Sparmassnahmen auch Sendungen in den Ressorts von Kultur und Religion zum Opfer fallen – beispielsweise die Religionssendungen «Zwischenhalt» und «Blickpunkt Religion».

Bis anhin leistete SRF in den Fachredaktionen dieser Sendegefässe originär journalistische Arbeit. Dies im Unterschied zu den übrigen Religions- und Verkündigungssendungen wie Gottesdienstübertragungen oder das «Wort zum Sonntag», die inhaltlich von externen Beauftragten aus den anerkannten christlichen Kirchen bestritten werden. Es ist davon auszugehen, dass mit der Streichung der genannten Sendungen auch die Stellen von Journalistinnen und Journalisten mit theologischer und religionswissenschaftlicher Fachkompetenz abgebaut werden.

Einsparungen bei Kultur und Religion verstossen gegen die Konzession

Die Massnahmen von SRF verstossen gegen Buchstaben und Geist der Radio- und Fernsehkonzession. Danach gehört zum Service public, der über Gebühren finanziert wird, dass die SRG «das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen, Sprachgemeinschaften, Kulturen, Religionen und gesellschaftlichen Gruppierungen» fördert (Art. 3, Abs. 4). Ihr Angebot muss «hohen qualitativen und ethischen Anforderungen» genügen und sich «durch Relevanz, Professionalität, Unabhängigkeit, Vielfalt und Zugänglichkeit» auszeichnen (Art. 4, Abs. 1). In ihrem Informationsauftrag legt die SRG den «Schwerpunkt auf die Darstellung und Erklärung des Geschehens» (Art. 6, Abs. 2), sie ordnet also ein und «liefert Beiträge zur Vertiefung … und Analysen» (Art. 6, Abs. 5). Ohne kompetente fachjournalistische Arbeit ist die Wahrnehmung des Service public eine Fiktion.

Die Abbaumassnahmen untergraben nicht nur die Fundamente des Service public, zu dem die SRG verpflichtet ist. Über die negativen medienpolitischen und journalistischen Implikationen hinaus zeitigen sie auch negative Konsequenzen für den interreligiösen Dialog und das Verhältnis von christlichen Bekenntnissen und nichtchristlichen Religionen. Letztere verlieren mit dem Abbau der genannten Sendegefässe noch mehr an Präsenz in der Öffentlichkeit. Sie haben keine Sendeplätze mehr und werden dadurch in den Raum des Privaten und Beliebigen abgedrängt. Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft Schweiz sein. Fundamentalismus, Irrationalismus und Verschwörungstheorien gedeihen in Hinterzimmern und geschlossenen Gesellschaften. Das wirksamste Gegenmittel ist eine kritische Öffentlichkeit, die einer öffentlich-rechtlichen Institution wie der SRG ein zentrales Anliegen sein muss.

Gesellschaft Schweiz braucht die Diskussion über Religionen und deren Ansprüche

Wir anerkennen vorbehaltlos, dass Religionen ambivalent sind, also Licht- und Schattenseiten aufweisen. Einerseits stiften Religionen Gemeinschaft, sie sind ein Stachel in einer durch Konsum und Konkurrenz geprägten Gesellschaft, und sie vermitteln Sinn und Halt in einer Welt, die in ihrer Komplexität und Unübersichtlichkeit viele überfordert. Andererseits werden Religionen gefährlich, wenn sie dem Fundamentalismus verfallen, Intoleranz und Unfreiheit fördern sowie soziale Ausgrenzung rechtfertigen. Deshalb braucht es das Gespräch, die Diskussion und die Kritik in der medialen Öffentlichkeit. Der weitgehende Verzicht auf diese öffentliche, mit journalistischen Mitteln geführte Auseinandersetzung um das Phänomen Religion fördert Obskurantismus und reflexionsfreie Religionspraktiken.

Wir haben den Auftrag der SRG zum Service public stets mit Überzeugung unterstützt. Umso grösser ist die Enttäuschung über den eingeschlagenen Weg. SRF muss sein Sparprogramm grundsätzlich überdenken.

Katholisches Medienzentrum
8. Oktober 2020 | 10:11