Seelsorge am Fuss der Anden

Medienmitteilung

In der Stadt Cochabamba befindet sich die einzige Pfarrei der Ordensgemeinschaft der Salettiner in ganz Bolivien. Die Pfarrei ‹Nuestra Señora de La Salette› wird von den beiden bolivianischen Salettinern Padre (Pater) David und Hermano (Bruder) Moises geleitet. Die Pfarrei liegt an der Peripherie der drittgrössten Stadt des Landes. Die überwiegende Mehrheit der Menschen sind Katholiken. Für die Seelsorger gibt es viel zu tun.

von Ivo Schürmann
Die Sommerferien für die Schülerinnen und Schüler dauern in Bolivien von Dezember bis Januar. (Das Land befindet sich auf der südlichen Halbkugel.) Ende Jahr verleihen die Gymnasien den Maturanden ihre Abschlusszeugnisse. Nebst Feierlichkeiten in den Schulen und zu Hause organisierte auch die Salettiner-Pfarrei vor Weihnachten ein Fest für die Schulabgänger. An einem Sonntagabend kamen die Jugendlichen im neu errichteten Pfarreisaal zusammen. Zu lateinamerikanischen Rhythmen wurde getanzt. Die 17jährigen Jugendlichen amüsierten sich. Der anwesende Padre David freute sich über die zahlreich anwesenden Jugendlichen der Pfarrei: «Es ist wichtig, dass die jungen Menschen spüren, dass wir als Kirche schätzen, was sie erreicht haben und wir sie auch auf ihrem zukünftigen Weg unterstützen. Jedes Lächeln dieser jungen Frauen und Männer ist ein Geschenk und bestärkt mich in meinem Wirken.»
‹Nuestra Señora de La Salette›
Padre David und Hermano Hermano Moises zählen bei ihrem täglichen Einsatz in der Pfarrei auf die Hilfe des Diakons Fernando und die Schwestern der Gemeinschaft ‹missioneras del sanctissimo sacramento›. Die Pfarrei bietet neben den Gottesdiensten auch ein breites Programm für verschiedene Gruppen an. Es gibt Angebote für Kinder, Jugendliche, Frauen, ältere Menschen und Familien. Finanzielle Zuwendungen erfährt die Pfarrei nebst den sonntäglichen Kollekten auch von der Salettiner-Gemeinschaft aus den USA. Diese Unterstützung aus Nordamerika besteht seit den Anfängen der Präsenz in Bolivien. Die ersten Patres kamen aus den USA, doch fehlten dort Berufungen. Die amerikanischen Missionare kehrten in die Staaten zurück, unterstützen die Pfarrei in Cochabamba aber weiterhin grosszügig von dort her. Dafür ist Hermano Moses sehr dankbar: «In diesem Stadtteil Cochabambas leben viele armen Leute. Ohne die Hilfe aus Nordamerika hätten wir unseren neuen Pfarrsaal nie errichten können. Nun wollen wir die heruntergekommenen Toiletten erneuern und einen grösseren Wassertank anschaffen, um längere Trockenperioden besser zu überstehen.» Die Regenperiode dauert von September bis Februar. In den übrigen Monaten gibt es oftmals über Wochen keinen Regen.
Die Menschen bleiben katholisch
Immer wieder hört man, dass sich in Südamerika viele Katholiken von ihrer Kirche abwenden, um sich freien evangelischen Kirchen anzuschliessen. Diese Erfahrung teilen die Seelsorger der La Salette-Pfarrei bedingt. Sie bestätigen, dass sich viele Katholiken von den oft grossartigen und lauten Versprechen der Freikirchen zunächst überzeugen liessen. Aber die meisten kehren jeweils zur katholischen Kirche zurück, weil ihnen die Freikirchen nicht erlauben, ihren traditionellen indigenen Glauben weiterzupflegen. Hermano Moises formuliert es so:»Viele Bolivianer praktizieren den katholischen Glauben ganz selbstverständlich neben ihrem indigenen Glauben ihrer Vorfahren. Man muss als Kirche genug offen sein, den Menschen diese Freiheit zuzugestehen. Die Freikirchen tun das nicht, weshalb sich viele Bolivianer wieder von ihnen abwenden.» Indem die katholische Kirche die Menschen mit ihrer Tradition und Geschickte akzeptiert, geniesst sie bei den Gläubigen Akzeptanz.
Dass erstmals ein Südamerikaner Papst ist, schätzen die Menschen sehr. Der Papst spricht die Sprache der Menschen. Er kennt die prekären Lebensverhältnisse vieler Bolivianer. Als der Papst in Bolivien war, besuchte er Gefängnisse und Suppenküchen. Er ging an den Rand der Gesellschaft, der für viele Menschen Alltag ist in diesem Land, das als das ärmste Südamerikas gilt. Viele Priester und Ordensschwestern sehen sich in ihrem täglichen Wirken durch die Worte und Gesten des Heiligen Vaters bestärkt und leisten ihren Dienst mit Überzeugung und Freude. Auch für die Pfarrei der Salettiner sind die Menschen am Rand der Gesellschaft wichtig. So bieten sie Nachhilfeprogramme für Kinder an, organisieren Mittagessen für arme Familien und geben Kurse für alleinstehende Frauen, um diese im Nähen oder in einem anderen Handwerk zu schulen, damit diese dadurch ein Auskommen finden können.
Die Politik und die Kirche
Die katholische Kirche und die Regierung des seit 2006 amtierenden Präsidenten Evo Morales haben seit vielen Jahren ein gespanntes Verhältnis. Trotz aller Kritik der Regierung an der katholischen Kirche und dem Unverständnis von kirchlicher Seite über viele Regierungsentscheidungen, gibt es doch bei der Bekämpfung der Armut viele Gemeinsamkeiten. Dies dürfte auch der Grund sein, dass Evo Morales schon 5 Mal Papst Franziskus im Vatikan besuchte und Papst Franziskus 2015 nach Bolivien reiste. Evo Morales, erster indigene Präsident des Landes, wuchs in bitterer Armut auf. Er setzt sich vehement für eine sozialere und gerechtere Gesellschaft ein. Viele aus dem Ausland importierte Ideen steht er kritisch gegenüber, so hegt er auch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der katholischen Kirche.
Bolivien ist ein Land, in dem das Volk immer wieder auf die Barrikaden geht mit sogenannten ‹Bloqueos›, wenn die Regierung Gesetze erlässt, welche die Bewohner nicht akzeptieren. So gelang es Evo Morales mit seiner Partei MAS (moivimento al socialismo) seinen Vorgänger im Regierungsamt zum Rücktritt zu bewegen. Das Volk wählte dann ihn. Aber auch Morales spürt den Druck der Strasse. Die Menschen wollen unter anderem auch kürzlich erlassene Änderungen im Strafgesetzbuch nicht akzeptieren, welche die Rechte der Menschen und der Kirchen beschneidet. Es gibt Priester und Gläubige, die sich mit Rosenkranzgebeten an den Strassen-Blockaden beteiligen. Diese Art der Konfrontation gehört zur Kultur Boliviens. Aktuell richten sich neue Regierungsartikel nicht nur gegen die Kirche, sondern vielen anderen Institutionen und Gruppen. Wenn der Druck der Strasse zu gross wird, ist es für die Regierung praktisch unmöglich, nicht darauf zu reagieren.
Die Salettiner in Bolivien
Nebst Padre David und Hermano Moises gibt es aktuell vier Seminaristen, die ihre Ausbildung in Argentinien absolvieren. Über die Weihnachtszeit waren sie in Cochabamba und konnten dort selbst am Pfarreileben teilnehmen. Die vier jungen Männer sind davon überzeugt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Caeser, ein junger Mann, aufgewachsen in Cochabamba berichtet: «Ich freue mich sehr, dass wir insgesamt vier Bolivianer sind, die den Wunsch verspüren Salettiner-Missionare zu werden. In Argentinien werden wir auf diesen Weg vorbereitet. Hier in Cochabamba können wir in der Pfarrei praktische Erfahrungen in der Seelsorge sammeln. Mein Ziel ist es, einmal in Bolivien wirken zu können.»
Bolivien ist ein Land, in dem es immer viele Schwierigkeiten gibt. Salettiner vertrauen auf den Schutz der Gottesmutter von La Salette und lassen sich von den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen im Land nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Sie tun das, was ihnen möglich ist, um das Leben der Menschen im Sinn des Evangeliums zu verbessern. Hermano Moises meint: «Mehr können wir nicht tun, aber weniger wollen wir auch nicht tun.»

Statistik:
Bolivien: 1.098.581km²
Bevölkerung: 10.969.649 (Juli 2016)
Anteil der Katholiken: ca. 80%
Grosse Städte (2012): Santa Cruz de la Sierra, El Alto, La Paz, Cochabamba
Wichtigste Sprachen: Spanisch, Quechua, Aimara, Guarani

Mittagstisch für Kinder in einer Pfarrei in Bolivien | © Salettiner Bolivien
Gastbeitrag
22. Februar 2018 | 08:38