Rückblick von Bischof Markus zur Synode 2015

Im Wortlaut
Rückblick von Bischof Markus Büchel zur Synode 2015
Am vergangenen Samstag ist in Rom die Familien-Synode zu Ende gegangen. An sie waren von verschiedenen Seiten viele Erwartungen geknüpft. In der Schweiz war speziell zu den Themen wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität im Vorfeld ein deutlicher Graben zwischen kirchlicher Lehre und gesellschaftlicher Realität erkennbar.  Sicherlich konnten in der Synode grosse  Erwartungen nicht erfüllt werden. Trotzdem sehe ich den Schlussbericht  positiv: Keine Türe wurde zugeschlagen, der Prozess geht weiter.

Die teilnehmenden Kardinäle und Bischöfe haben  sich den Realitäten gestellt, ohne alle Fragen zu beantworten. Die Synode hat Horizonte geöffnet und strittige Themen weiterbearbeitet. Die Teilnehmer haben zum Schluss einen Text verabschiedet und Papst Franziskus übergeben. Ob und wann er daraus ein päpstliches Schreiben machen wird, ist noch nicht bekannt. Der Text zeigt, dass nicht nur der Papst allein, sondern – und das wird stark betont – die einzelnen Bistümer zur Weiterarbeit aufgefordert sind. Für mich persönlich stehen drei Erkenntnisse im Vordergrund.

Realistischer Blick auf die Lage der Familien

Der Synode gelingt ein realistischer Blick auf die Lage der Familie in heutiger Zeit. Zugleich anerkennt sie, dass christlicher Glaube im Alltag gelebt werden muss, unter den Bedingungen und Begrenzungen von Welt, Zeit und Mensch. Dazu gehören nicht zuletzt die Wirklichkeit von Armut- und Umweltzerstörung, von Krieg und Hunger, von Flucht und Migration.

Dennoch ist es der Synode gelungen, nicht nur die Probleme zu benennen. Der Ton des Abschlussberichts ist durchaus optimistisch, von Hoffnung getragen. Dazu gehört ein positives Bekenntnis zum Glauben und den daraus folgenden Haltungen zu Ehe, Familie und Sexualität. Das Gewissen der Menschen, das nach katholischer Lehre die höchste Instanz ist, wurde im Arbeitspapier für die Synode gar nicht in Betracht gezogen. Jetzt ist es gleichsam aus dem Vergessen geholt und als zentrale Richtschnur menschlicher Entscheidungen anerkannt.

Erstmals wird im Zusammenhang mit Familie sogar von Berufung gesprochen – und damit ein Begriff verwendet, der bisher Priestern und Ordensleuten vorbehalten war.

Vertrauen in die Menschen und in die Ortskirchen

Für mich bezeichnend ist der Titel des 1. Teils des Schlussdokumentes: «Die Kirche im Hören auf die Familie». Die Kirche hat keine Erkenntnisse ohne Hören und Sehen der Wirklichkeit der Menschen. In einer neuen, vertrauensvollen Sprache wird den Familien endlich etwas zugetraut und ihre alltägliche Spiritualität anerkannt.

Zugleich freue ich mich, dass an verschiedenen Stellen der Wegcharakter der Pastoral betont wird. Begleitung und Seelsorge sollen also nicht als Konfrontation mit der reinen Lehre praktiziert werden, sondern ein Ort der Barmherzigkeit und der Vergebung, ein Ort des Zuhörens, der Versöhnung und der Gerechtigkeit werden.

Für mich ist es auch eine Bestätigung der Familien- und Partnerschaftspastoral, die in unserem Bistum eine lange und gute Tradition hat. Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger leisten gerade in diesem Bereich wertvolle Arbeit.

Keine pauschalen Verurteilungen und Diskriminierungen

Das Thema der Homosexualität mag für viele Menschen bei uns unzureichend behandelt sein. Dessen bin ich mir bewusst. Offenbar konnten die Bischöfe zu diesem Thema keinen Konsens finden. Dem würde auch meine Einschätzung nach der letzten Synode entsprechen. Aber immerhin gibt es auch keine negative oder diskriminierende Aussage. Das ermöglicht uns, den Weg der menschen- und sachgerechten Pastoral weiterzugehen.

Überhaupt bin ich froh darüber, dass die Synode aufVerurteilungen und Diskriminierungen etwa von «Sündern und Sünderinnen» verzichtet! Insgesamt wird die Rolle der Bischöfe gestärkt – und sie werden zugleich an ihre Verantwortung erinnert. Mit dem Geist des Abschlussberichtes wird diese Aufgabe leichter. Denn er geht von einer»Logik der Integration» aus: Alle Getauften gehören zur Kirche. Darauf aufbauend wird es dann auch möglich, die einzelne Situationen und Problemstellung anzugehen und Wege echter Integration zu finden.

Das gilt vor allem für das Thema, das bei uns mit den grössten Erwartungen verbunden war, weil es viele Menschen seit Jahren beschäftigt. Von der «Logik der Integration» ist ja in einem Abschnitt über die wiederverheirateten Geschiedenen die Rede. Sie sei der «Schlüssel für die pastorale Begleitung», damit diese Eheleute «auf freudige und fruchtbare Weise erleben», dass sie zur Kirche gehören. Die Kirche müsse für sich klären, wie diese Menschen in die Kirche integriert werden könnten. «Unterscheidung» ist der zentrale Begriff für diese Aufgabe. Die Priester – bei uns die Seelsorgenden – müssten «die betroffenen Menschen auf dem Weg der Unterscheidung» begleiten, «gemäss der Lehre der Kirche und den Vorgaben des Bischofs». Für mich ist darin der Auftrag enthalten, die Situation der Menschen genau anzuschauen und mit ihnen zu einer reifen Gewissensentscheidung zu kommen.

Fazit

Mit den Synodenteilnehmern habe ich ein grosses Vertrauen zum Papst und wünsche mir eine breite Anerkennung seiner Methode, die Synode zu führen. Der Prozess ist mit diesem Dokument nicht abgeschlossen, er geht weiter. Zusammen mit dem Papst haben wir jetzt eine grosse Aufgabe – und der Abschlussbericht lässt uns eine grosse Freiheit, das Positive zum Thema von Familie, Partnerschaft und Sexualität zu erkennen und Schwierigkeiten in Eigenverantwortung in unserem Kontext konkret anzugehen.

Meine Hoffnung beruht auch auf der Rede des Papstes zum Abschluss der Synode, in der er noch einmal betont, dass die Kirche «kulturelle Unterschiede» zu beachten habe. «Jedes allgemeine Prinzip muss in die jeweilige Kultur übertragen werden», wenn es eingehalten werden soll. Dabei schwäche eine Inkulturation des Glaubens nicht dessen Werte, sondern zeige seine Stärke und mache ihn authentisch. «Wahre Verteidiger der Lehre sind die, die ihren Geist verteidigen, nicht den Buchstaben, nicht die Idee, sondern den Menschen, nicht die Formeln, sondern die unentgeltliche Liebe Gottes und seine Vergebung» – so Papst Franziskus.

Ich hoffe sehr, dass die menschliche und barmherzige Haltung der Kirche immer mehr die Oberhand gewinnt – und so die Schönheit der christlichen Botschaft sichtbar wird.

Dank

Schliesslich danke ich an dieser Stelle allen ganz herzlich, die diesen Synodenprozess bis hierhin intensiv begleitet haben. Dies gerade bei den zwei Umfragen, welche innert kürzester Zeit in einer grossen Professionalität bei uns durchgeführt werden konnten. Rund 30›000 Menschen haben sich daran beteiligt. Wir werden dieses wichtige Thema auf den verschiedensten Ebenen weiterverfolgen und so den angestossenen synodalen Prozess in der Kirche weiterführen.

+Markus Büchel

Bistum St. Gallen
4. November 2015 | 12:11