Ohne verbindliche Regeln spitzt sich die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zu

Medienmitteilung

Am 8. März feiern wir den internationalen Frauentag. Zu jubeln gibt es dieses Jahr allerdings wenig. Trotz rechtlicher Gleichstellung sind Frauen in der Schweiz überdurchschnittlich von Armut betroffen und die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen steigen wieder an. Ohne verbindliche Regeln wird sich diese Entwicklung akzentuieren.

616 000 Menschen sind derzeit in der Schweiz von Armut betroffen. 350 000 davon sind Frauen. Das Armutsrisiko von Frauen liegt damit deutlich über demjenigen von Männern. Seit 2013 steigt es zudem kontinuierlich an. 8,5 Prozent aller Frauen sind hierzulande von Armut betroffen, 15,5 Prozent sind armutsgefährdet. Die Ursachen für Frauenarmut sind vielfältig. Hauptverantwortlich ist die Koppelung sozialer Absicherung an die Erwerbsarbeit. Wer Teilzeit arbeitet oder sich auf die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen konzentriert, trägt deshalb ein höheres Armutsrisiko. Das grösste Risiko tragen Frauen nach einer Scheidung oder Trennung. Jede vierte Alleinerziehende ist hierzulande auf Sozialhilfe angewiesen.

Frauen verdienen weniger

Weil Frauen weniger verdienen als Männer, bleiben sie nach der Geburt eines Kindes öfter daheim, übernehmen die unbezahlte Care Arbeit und damit das Risiko nach einer Scheidung in Armut abzurutschen. Würden Frauen und Männer gleich viel verdienen, böte dies den Familien die Möglichkeit, die unbezahlte Arbeit gleichmässig aufzuteilen. Die neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik sind allerdings ernüchternd. Die Schweiz hat hinsichtlich der Lohngleichheit im letzten Jahr keine Fortschritte erzielt. Im Gegenteil ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen jüngst wieder angestiegen. Frauen verdienen fast 20 Prozent weniger als Männer. Ein Teil des Lohnunterschieds ist auf Bildung oder Anzahl Dienstjahre zurückzuführen. Ein anderer Teil – mehr als 40 Prozent – ist aber nicht erklärbar. In Löhnen ausgedrückt heisst das: Zwei von drei Vollzeitstellen mit einem Bruttolohn von weniger als 4000 Franken pro Monat sind derzeit von Frauen besetzt. Bei Bruttolöhnen über 8000 Franken monatlich ist nur noch jede Dritte eine Frau. Nicht überraschend deshalb, dass ein Grossteil der Care-Arbeit noch heute von Frauen verrichtet wird. Damit bleibt das Armutsrisiko weiblich.

Frauen kümmern sich um Kinder, Männer um die Karriere

Frauen sind heute mehrheitlich erwerbstätig. Überdurchschnittlich viele arbeiten jedoch Teilzeit. Auch hier ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern gross. Während bei den Frauen 59 Prozent Teilzeit erwerbstätig sind, arbeiten bei den Männern nur gerade 18 Prozent in einem reduzierten Pensum. Mit der Familiengründung spitzt sich diese Ungleichheit zu. So sind über 80 Prozent der jungen Mütter teilzeitlich erwerbstätig. Bei jungen Vätern ist es nur gerade jeder Siebte. Die neuen Zahlen des Bundesamtes für Statistik geben zudem Hinweise, wie sich die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt weiterentwickelt. Die Hauptgründe für Teilzeitarbeit unterscheiden sich nämlich: So arbeiten Frauen Teilzeit, weil sie Kinder betreuen. Männer hingegen sind in einem reduzierten Pensum erwerbstätig, weil sie die übrige Zeit zur Weiterbildung nutzen. Mit anderen Worten: Während Männer ihre Karrierechancen durch Teilzeitarbeit verbessern, geraten Frauen auch bezüglich Weiterbildung und Karrieremöglichkeiten in Rückstand.

Verbindliche Regeln bei Lohngleichheit, Vaterschaftsurlaub und obligatorischer Weiterbildung

Der Strukturwandel fordert alle Erwerbstätigen. Wer morgen noch dieselbe Arbeit machen will wie heute, muss sich regelmässig weiterbilden. Mit der Digitalisierung steigen die Anforderungen an Kompetenzen und Qualifikationen. Wenn sich Frauen aufgrund tiefer Löhne aber auch künftig bei der Familiengründung aus dem Erwerbsleben zurückziehen und neben Haus- und Familienarbeit keine Zeit für Weiterbildungen bleibt, akzentuiert sich mit dem digitalen Strukturwandel der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Das Armutsrisiko von Frauen steigt.

Wollen wir an kommenden Frauentagen jubeln, müssen sich die Rahmenbedingungen verändern. Die jüngsten Entwicklungen zeigen: Freiwillige Massnahmen reichen nicht, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. Es braucht verbindliche Regeln. Zusätzlich müssen die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Weiterbildung verbessert werden. Dies bedingt, dass Männer ihren Anteil an unbezahlter Arbeit leisten können. Die Realisierung eines Vaterschaftsurlaubs ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig müssen auch Teilzeit erwerbstätige Frauen von Weiterbildung profitieren können. Dazu braucht es obligatorische Weiterbildungen für alle und zwar während der Arbeitszeiten.

Caritas
8. März 2019 | 05:00