Mit tanzenden Worten die Menschen bewegen

Die mit den Worten tanzt: Am 31. Januar 2011 starb im Kloster Fahr die dichtende Nonne Silja Walter. Unser Autor P. Martin Werlen OSB, Propst der Einsiedler Propstei St. Gerold wirft zehn Jahre nach ihrem Tod einen prüfenden Blick auf die Wirkungsgeschichte während dieser Zeitspanne.    

Von P. Martin Werlen OSB

In der «SUISA Info 11.1» schliesst der Nachruf mit den Worten: «Als Textautorin wurde Silja Walter im Jahr 1978 Mitglied der SUISA, ihr musikbezogenes Schaffen umfasst ei­nige Dutzend Werke. Am 31. Januar 2011 ist ihre Stimme nun für immer verstummt.»

Dieser letzte Satz überrascht in zweifacher Hinsicht. Wie kann die Schweizer Genossenschaft, die die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht vertritt, die Stimmen der von ihnen vertretenen Personen für immer verstummen lassen? Ist diese Aussage nicht genau das Gegenteil von dem, was Silja Walter wichtig war?

Zehn Jahre sind vergangen

Ein Blick auf die Wirkungsgeschichte von Silja Walter in dieser Zeitspanne lohnt sich. Eines wird sofort klar: Die Stimme von Silja Walter ist nicht verstummt. Im Gegenteil. In dieser Zwischenzeit haben viel mehr Menschen Silja Walter entdeckt. Ihre Texte tauchen immer wieder auf – selbst an völlig unerwarteten Orten.

Im Kloster Fahr wurde der Silja-Walter-Raum eröffnet. Die steigende Bedeutung zeigte sich auch in den vielen Veranstaltungen anlässlich des 100. Geburtstags unter dem Motto «Voll singenden Feuers» in den Jahren 2019/2020. Der Silja-Walter-Weg im Kloster Fahr lässt seither die dichtende Nonne erleben. Verschiedene ihrer Werke wurden von Theater 58 in der Zwischenzeit aufgeführt. Auf grosses Interesse stiess die neue Musik- und Theaterproduktion «Ich habe den Himmel gegessen» mit Christine Lather.

«Voll singenden Feuers –

das war der faszinierende Eindruck, als ich Schwester Maria Hedwig erstmals im Sprechzimmer des Fahrer Priorats begegnete. Mein Ersteindruck hat sich in den bald vierzig Jahren unserer Bekanntschaft stets aufs Neue bestätigt. Auch in ihrem 90. Lebensjahr vermag Silja Walter durch befeuernde Geistesgegenwart das Gegenüber in Anspruch zu nehmen. Man findet sich da in bunter Gesellschaft von Theaterleuten, Musikern, Tänzerinnen, Theologen, Gottsuchern, kritischen Zeitgenossen und Randständigen. Nach anfänglichem Verstummen beim Eintritt ins Kloster hat Silja Walter das Wort gefunden, das die Welt zum Singen bringt.» 

Max Röthlisberger: «Ozean Licht», Festgabe für Silja Walter zum 90. Geburtstag

Es kamen neue Publikationen auf den Büchermarkt:

Von Silja Walter:

  • Tanzen heisst auferstehen. Letztes Tagebuch (2011)
  • Der Kamm der Queen (2011)
  • Ein Stern ist aufgegangen. Ein Begleiter durch Advent und Weihnachten (2014)
  • Lauter Licht. Ein Fasten- und Osterbegleiter (2015)
  • Band 11 der Gesamtausgabe: Geistliche Spiele. Gottesdienste. Predigten (2016)
  • Das Wort ist Brot geworden. Kommunion-Psalter (2019)
  • Am Anfang war der Tanz. Meditationen und Briefe für die Tänzerin Susana (2019).

Der Band 12 der Gesamtausgabe (Autobiographisches) ist noch ausstehend.

Über Silja Walter:

  • Kolberg, Barbara: Wer dir singt, der wird dich finden. Gesänge auf Texte von Silja Walter (2014)
  • Wolitz, Ulrike (Hg.): «Ich habe den Himmel gegessen«. Silja Walter-Lesebuch (2019)
  • Wolitz, Ulrike: Dich kommen sehen und singen. Erinnerungen an Silja Walter (2019)
  • Brand, Fabian (Hg.): Das Silja Walter Gottesdienstbuch. Impulse und Lesetexte (2019)
  • Werlen, Martin: Silja Walter in 30 Tagen. Für Anfänger und Fortgeschrittene (2020).

Singen und Tanzen seit dem Tod

Eines fällt auf, wenn man auf die zehn vergangenen Jahre zurückschaut: Das Singen und das Tanzen sind im Gesamtwerk von Silja Walter erst seither so richtig entdeckt worden. In der Beerdigungsliturgie hatte dies noch keinen Platz. Ausschlaggebend für diese Entdeckung war wesentlich auch die Veröffentlichung des Briefverkehrs mit der weltbekannten Tänzerin Susana Janssen. Daraus entstanden sind «Bolero. Tanz der Feuertaube» unter der Leitung von Brigitta Luisa Merki in der Klosterkirche Königsfelden und die begeisternde Veranstaltung «feu sacré» in verschiedenen Räumen im Kloster Fahr, eine tänzerisch-musikalische Hommage an Silja Walter und die Tänzerin Susana. In einem Brief schreibt Silja Walter: «Susana, am Anfang war der Tanz, denn der Geist Gottes schwebte über den Wassern und alles war Bewegung im Kosmos.» Das letzte Wort, das die dichtende Nonne niedergeschrieben hat: «Es ist hart für Dich und hart für mich, jetzt zu tanzen.»

In dieser Spannung lebte sie. Leben ist Tanz. So schreibt sie zum Verstummen im Tod: «Was ist es doch verkehrt, sich auf den Tod vorzubereiten! Auf das Leben, auf unsere Auferstehung, auf den ausbrechenden Himmel in uns haben wir uns vorzubereiten ein Leben lang, und dann vor allem, wenn es mit uns zu Ende geht, wenn der unendliche herrliche Anfang und Aufgang über uns kommen wird.» So richtig zum Singen und Tanzen kommt Silja Walter erst seit ihrem Tod.

Vertontes Wort

Die Sprache von Silja Walter ist Musik und Tanz. So muss es nicht erstaunen, wie viele namhafte Komponistinnen und Komponisten Texte von ihr vertont haben:

Jutta Bitsch (*1969) – Werner Bühler (1904-1968) – Helge Burggrabe (*1973) –  Theo Flury (*1955) – Franz Forsthuber (1943-2020) – David Haladjian (*1962) –  Robert Heeb (*1937) – Felix Huber (*1952) – Jerzy Husar (*1943) – Albert Jenny (1912-1992) – Max E. Keller (*1947) – Renate Kelletat – Barbara Kolberg (*1971) – Enrico Lavarini (*1948) – Heinz Martin Lonquich (1937-2014) – Stefan Müller (*1972) – Ernst Pfiffner (1922-2011) – Peter Roth (*1944) – Carl Rütti (*1949) –  Josef Anton Saladin (1908-1996) – Hermann Schroeder (1904-1984) – Mario Ursprung (*1943) – Valery Voronov (*1970) – Ernst Widmer (1927-1990) und andere.

Nein…,

… die Stimme von Silja Walter ist – Gott sei Dank – an ihrem Todestag nicht für immer verstummt. Der Beitrag der Sendung «Perspektiven» von SRF zum 100. Geburtstag trägt den treffenden Titel über die vergangenen zehn Jahre: «Silja Walter – mit tanzenden Worten die Menschen bewegen». (ca)

Zur Website der Zeitschrift «Musik und Liturgie» des SKMV

Musik und Liturgie
31. Januar 2021 | 11:35