Journalisten leben gefährlich

Medienmitteilung

Am Internationalen Tag der Pressefreiheit macht Amnesty International darauf aufmerksam, wie das Recht auf freie Meinungsäusserung in weiten Teilen der Welt brutal unterdrückt wird. Die Organisation zeigt dies anhand von neun Fällen von Journalistinnen und Journalisten, die aufgrund ihrer Arbeit bedroht, terrorisiert oder gefoltert wurden.

«Weltweit werden Journalistinnen und Journalisten willkürlich verhaftet, eingesperrt, gefoltert oder misshandelt. Sie werden ins Gefängnis geworfen oder getötet, nur weil sie unliebsame Fragen stellen oder eine Meinung vertreten, die nicht auf Parteilinie ist», sagt Anna Neistat, Research-Verantwortliche bei Amnesty International.«Die folgenden Fälle stehen stellvertretend für Hunderte von weiteren Geschichten auf der ganzen Welt. Diese müssen untersucht werden, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und Medienschaffende ohne Angst arbeiten können.»

1. Shawkan, Ägypten

Der ägyptische Fotojournalist Mahmoud Abu Zeid, der auch unter dem Namen Shawkan bekannt ist, war fast drei Jahre lang im Gefängnis, weil er die gewaltsame Reaktion der Sicherheitsbehörden auf eine Sitzblockade in Kairo fotografiert hatte. Er wurde in Gefangenschaft gefoltert. Jetzt steht ihm eine Gerichtsverhandlung bevor, bei einer Verurteilung droht ihm die Todesstrafe. Shawkan ist laut der ägyptischen Pressevereinigung einer von 20 Journalistinnen und Journalisten, die wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen.«Ich bin ein Journalist, ich bin nur meiner Arbeit verpflichtet, niemandem sonst», schrieb er in einem Brief aus dem Gefängnis an Amnesty International. «Warum Unterdrückung und Verfolgung? Ist es nicht endlich genug?»Petition für die Freilassung von Shawkan.

2. Baba Wame, Rodriguez Tongue und Félix Ebolé Bola, Kamerun

Den drei Journalisten Baba Wame, Rodriguez Tongue und Félix Ebolé Bola drohen Gefängnisstrafen, weil sie sich geweigert haben, ihre Quellen für eine Story preiszugeben. Sie recherchierten Vorwürfe, wonach Sicherheitsbehörden gemeinsam mit bewaffneten Gruppierungen aus der Zentralafrikanischen Republik eine Stadt im Osten von Kamerun angegriffen haben.Die Journalisten sind wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt, weil sie sich weigern, ihr Quellen und weitere Informationen offen zu legen. Sie sagen aus, dass sie nichts zurückhalten, was die nationale Sicherheit gefährde könnte, sondern nur ihre Informanten schützen wollen. Das Recht von Journalisten auf Quellenschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäusserung, das den freien Zugang zu Informationen sicherstellt.

3. Druklo, China

Druklo (Zeitungskürzel Shokjang) ist ein junger Autor und Blogger aus Tibet, der die chinesische Regierung für den Umgang mit der tibetischen Bevölkerung kritisiert. Er wurde nach einem unfairen Gerichtsverfahren, währenddessen er keinen Zugang zu einem Anwalt hatte, wegen «Unterstützung von Separatismus» zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er sagt, seine Verurteilung beruhe auf Posts, die er zu Religionsfreiheit und dem Dalai Lama veröffentlicht hat, und dem Besitz eines verbotenen Buches.Druklo wird bereits zum zweiten Mal von den chinesischen Behörden drangsaliert. 2010 wurde er inhaftiert, weil er als Mitherausgeber eines verbotenen Magazins Artikel über tibetische Proteste veröffentlicht hatte.

4. Khadija Ismayilowa, Aserbaidschan

Khadija Ismayilowa ist eine preisgekrönte investigative Journalistin aus Aserbaidschan, die Fälle von Korruption in der Präsidentenfamilie aufgedeckt hat. Sie verbüsst eine siebeneinhalb-jährige Gefängnisstrafe, eine Folge der Unterdrückung der Pressefreiheit durch das Regime.Khadija Ismayilowa wurde schikaniert, bedroht und verleumdet. Nachdem sie sich davon nicht beeindrucken liess, wurde sie im Dezember 2014 festgenommen und in einem unfairen Gerichtsverfahren im September 2015 verurteilt. Als Grundlage dienten erfundene Anschuldigungen wie Unterschlagung, illegale Geschäftstätigkeit, Steuerbetrug und Amtsmissbrauch.

5. Esdras Ndikumama, Burundi

Esdras Ndikumama arbeitete als Korrespondent für AFP und Radio France Internationale. Im August 2015 wurde er verhaftet, weil er nach der Ermordung eines hochrangigen Generals fotografiert hatte. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten wurde Ndikumama auf seinen Rücken, die Beine und die Fusssohlen geschlagen. Jetzt lebt er im Exil.Im vergangenen Jahr hat die Regierung Burundis systematisch Journalistinnen, oppositionelle Politiker und andere Kritiker unterdrückt. Die Polizei hat während eines Putschversuches im Mai 2015 vier unabhängige private Radiosender zerstört.

6. Anabel Flores Salazar, Mexiko

Die mexikanische Crime-Reporterin Anabel Flores Salazar wurde im Februar 2016 ermordet, nachdem sie von bewaffneten Männern aus ihrem Haus entführt worden war. Sie war als Reporterin einer lokalen Zeitung für das Dossier Kriminalität zuständig.Sie steht exemplarisch für die Gefahr, der Tausende von Journalisten und Journalistinnen in Mexiko täglich ausgesetzt sind, einem der weltweit gefährlichsten Länder für Medienschaffende. Veracruz ist für Reporter einer der gefährlichsten Staaten in Mexiko, seit 2010 wurden dort mindestens zehn Journalisten und Journalistinnen getötet.

7. Sedrick de Carvalho und Domigos da Cruz, Angola

Die zwei Journalisten Sedrick de Carvalho und Domigos da Cruz waren unter 17 friedlichen Aktivisten, die verhaftet wurden, weil sie an einer Lesung mit anschliessender Diskussion zum Thema Demokratie und Freiheit teilgenommen hatten. Sie wurden wegen «Vorbereitung eines Umsturzes» und «Bildens einer kriminellen Vereinigung» im März 2016 in Angola zu einer Haftstrafe von viereinhalb und achteinhalb Jahren verurteilt.Beide wurden von Amnesty International als Gewissensgefangene anerkannt, die nur deshalb im Gefängnis sitzen, wie sie ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben. Sie sind Opfer einer Regierung, die all jene unterdrückt, die es wagen, ihre repressive Politik zu hinterfragen.

8. Somyot Prueksakasemsuk, Thailand

2011 veröffentlichte der Herausgeber Somyot Prueksakasemsuk zwei Artikel über einen fiktionalen Monarchen, der die königliche Familie von Thailand diffamiert haben soll. Er wurde wegen «Majestätsbeleidigung» zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. In Thailand existiert ein Gesetz, das beleidigende Äusserungen oder Handlungen gegenüber dem König von Thailand, der königlichen Familie und der thailändischen Monarchie unter Strafe stellt.Die thailändischen Behörden haben dieses Gesetz in den vergangenen Jahren vermehrt genutzt, um friedlichen Protest zu unterdrücken. Somyot und andere Gewissensgefangene müssen sofort und ohne Bedingungen freigelassen werden.

9. Can Dündar und Erdem Gül, Türkei

Im November 2015 wurden Cam Dündar, der Chefredaktor der Tageszeitung «Cumhuriyet», und sein Ankara-Korrespondent Erdem Gül wegen Spionage, des Verrats von Staatsgeheimnissen und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Es war die Reaktion auf zwei Enthüllungsgeschichten, die offenlegten, dass der türkische Geheimdienst 2014 Waffen an eine bewaffnete Gruppe in Syrien geliefert hat. Recep Tayyip Erdogan, damals noch Premierminister, hatte im Gegensatz dazu behauptet, in den entsprechenden Lastwagen befinde sich humanitäre Hilfe. Wenn die beiden Journalisten verurteilt werden, droht ihnen lebenslängliche Haft.Dieser Fall ist nur einer von vielen, der zeigt, wie die türkischen Behörden die Anti-Terror-Gesetze missbrauchen, um Regierungskritiker mundtot zu machen. Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht Gefahr laufen, vor Gericht zu landen, nur weil sie Geschichten recherchieren, die von öffentlichem Interesse sind.

Amnesty International
3. Mai 2016 | 11:14