«Ich wurde mehrfach verkauft»

Genf. Die jesidische Studentin Farida Abbas Khalaf (22) musste als IS-Sklavin Höllenqualen leiden. In Genf berichtet sie BLICK von ihren vier schlimmsten Monaten ihres Lebens.

Interview: Guido Felder

Die jesidische Studentin Farida Abbas Khalaf (22) ist eine tapfere Frau. Dabei musste sie als IS-Sklavin Höllenqualen leiden. Die Worte ihres getöteten Vaters halfen ihr, dass sie die Schläge und Vergewaltigungen durch die Islamisten überlebte. In Genf traf sie BLICK zum Interview und berichtete von den vier schlimmsten Monaten ihres Lebens.

BLICK: Farida Abbas Khalaf , Sie mussten IS-Kämpfern vier Monate lang als Sklavin dienen. Zu welchen Arbeiten haben Sie die Islamisten gezwungen?
Ich musste putzen, waschen, kochen. Wie andere Jesidinnen wurde ich aber auch als Sex-Sklavin missbraucht.

Wie gingen die IS-Leute mit Ihnen um?
Sie behandelten mich absolut menschenunwürdig. Bei jeder Vergewaltigung erhielt ich Schläge. Zwei Monate lang konnte ich wegen meinen Verletzungen nicht mehr gehen, kaum sehen.

Was war für Sie besonders schlimm?
Alles war schlimm. Am allerschlimmsten war der Anfang, als die Dschihadisten unser Dorf stürmten und meinen Vater und meinen Bruder erschossen. Auch, wie sie vor meinen Augen achtjährige Mädchen vergewaltigten.

Wer war Ihr Besitzer?
Ich wurde mehrere Male verkauft. Das erste Mal wurde ich zusammen mit anderen Jesidinnen auf einem Sklavenmarkt in Rakka in Syrien angeboten. Es kamen viele Männer, die uns auswählten. Natürlich bevorzugten sie junge Frauen.

Wie viel waren Sie den Dschihadisten wert, was haben sie für Sie bezahlt?
Es war unterschiedlich. Manchmal wurde ich einfach gegen eine andere Sklavin getauscht.

Woher nahmen Sie die Kraft zum Überleben?
Von meinem Vater, der beim Überfall auf unser Dorf getötet worden war. Er sagte mir immer: Du bist ein starkes und tapferes Mädchen, egal was passiert. Ich versuchte an seine Worte zu denken. Auch die Misshandlungen an den kleinen Mädchen gaben mir Kraft, gegen die Scheusale zu bestehen. Ich fühlte, dass Vater bei mir war.

Sind Sie religiös?
Ja. Ich glaube an Gott und bete viel. Das machte mich stark!

Nach vier Monaten gelang Ihnen die Flucht . Wie haben Sie das geschafft?
Zu dieser Zeit lebte ich mit anderen Jesidinnen auf einem Stützpunkt der IS-Krieger. Tagsüber arbeiteten wir, in der Nacht kamen die Soldaten und machten sich abwechslungsweise über uns her. Einmal zeigte mir ein IS-Führer ein Bild meines Vaters und fragte mich, ob ich die Tochter dieses Ungläubigen sei. Obwohl ich verneinte, befahl er, mich zu töten. In dieser Nacht flohen wir zu sechst.

Rannten Sie einfach davon?
Ja. Wir hatten keine andere Wahl, flohen nachts. Am Morgen klopften wir an einem Haus, ohne zu wissen, ob IS-Leute drin wohnten. Wir hatten Glück. Die Leute nahmen uns drei Tage lang auf, wollten aber Geld, das wir ihnen nachträglich zahlten. Mit der Hilfe von Schmugglern konnten wir in den Irak zurückkehren.

Haben Sie sich je vorgestellt, dass es so schlechte Menschen auf dieser Welt geben könnte?
Niemals! In meiner Religion habe ich gelernt, dass man sich achtet und niemanden tötet.

Gibt es jemanden, dem Sie etwas mitteilen möchten?
An alle Staatspräsidenten und Organisationen: Anerkennt den Massenmord an den Jesiden. Helft, die 3000 jesidischen Frauen und Mädchen, die immer noch gefangen sind, zu befreien und unsere Region wieder aufzubauen.

Was ist Ihr grösster Wunsch?
Die IS-Angehörigen vor einem internationalen Gericht zu sehen.

Publiziert am 22.02.2018 | Aktualisiert vor 19 Minuten

Farida Abbas Khalaf

Neues Glück in Deutschland

Die irakische Jesidin Farida Abbas Khalaf (22) war Studentin, als IS-Krieger 2014 ihr Dorf verwüsteten und die Männer töteten. Auch ihr Vater und ihr älterer Bruder gehörten zu den Opfern. Die Islamisten nahmen die Frauen und Kinder gefangen und verschleppten sie.

Abbas Khalaf musste dem IS in Syrien als Sklavin dienen. Die Dschihadisten demütigten und missbrauchten sie sexuell, bevor ihr nach vier Monaten die Flucht gelang.

Heute engagiert sich Farida Abbas Khalaf für die Non-Profit-Organisation Yazda, die IS-Kämpfer vor Gericht bringen will und sich dafür einsetzt, dass der Massenmord an den Jesiden anerkannt wird. Farida ist mehrfache Preisträgerin und Autorin des Buchs «The Girl Who Beat ISIS» («Das Mädchen, das den IS besiegte«). Diese Woche berichtete sie am «Geneva Summit for Human Rights and Democracy» über ihre Erfahrungen.

Inzwischen lebt Farida Abbas Khalaf in Deutschland, wo ihr nach der tragischen Zeit in ihrer Heimat ein neues Glück winkt: Vor drei Monaten hat sie sich mit dem Jesiden Nazhan Alias Hassan (23) verlobt.

Blick
22. Februar 2018 | 11:13