Herbert Haag Preis 2018 geht an Volker Hesse und Andreas Knapp

Medienmitteilung der Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche: Für eine schöpferische Freiheit in Bild und Wort. Erwin Koller

Die Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche hat die Preisträger 2018 bestimmt. Sie legt mit ihrer Preisverleihung im kommenden März den Akzent auf die Freiheit des Wortes und steht ein für schöpferische Vitalität und frische Ausdruckskraft in Wort und Bild auch dort, wo es um Fragen der Religion geht. Das Preisgeld beträgt 15’000 SFR bzw. 10’000 Euro.

Preisträger sind der Theatermann und Regisseur Volker Hesse (Zürich) sowie der Priester und Lyriker Andreas Knapp (Leipzig). Hesse vertritt die expressive Wucht, mit der heute Fragen an die Religionen gestellt und archaische Bilder noch in modernsten Lebensäusserungen sichtbar werden. Knapp steht für die verhalten-stille Lyrik, die den Geheimnissen des Lebens neue Worte leiht.

Der aktuelle Kontext in Gesellschaft und Politik macht ein Einstehen für das freie Wort wieder notwendig. An vielen Orten drängen Populisten die Freiheit zurück, Autokraten unterbinden sie und Fundamentalisten verurteilen sie als Sakrileg. Das hat viele Gründe: Menschen fühlen sich verunsichert, auch durch die Freiheit; Potentaten klammern sich an ihre Macht und benutzen Freiheit als leere Phrase; Religionen behaupten ihre Deutungshoheit und sehen in der Freiheit des Menschen einen Widerspruch zu Gottes Gebot. Christinnen und Christen jedoch berufen sich – wie schon Luther – auf den Apostel Paulus: «Zur Freiheit hat uns Christus befreit!» (Brief an die Galater 5,1).

Volker Hesse (geb. 1944 im Hunsrück) ist ein Meister der Aktualisierung und Dramatisierung religiöser Geschichten und Mythen auf den Bühnen der Welt. In stets neuen Bildern und Szenen bringt er die Sinnsuche des modernen Menschen zum Ausdruck, mit all den widerspenstigen Hoffnungen und den unheimlichen Dämonien, die damit verbunden sind. So bei der Inszenierung des Welttheaters in Einsiedeln (2000 und 2008), im Spektakel «Sacre del Gottardo» (zur Eröffnung des Gotthardbasistunnels 2016) oder 2017 mit der Inszenierung des Mysterienspiels «Akte Zwingli» im Zürcher Grossmünster.

Volker Hesse im Originalton:

«Mich fasziniert und beschäftigt, wie dünn die Schicht ist, die uns moderne Menschen vom Archaischen trennt.»

«Ich möchte die tiefe Gläubigkeit, die aus Not und grosser Orientierungslosigkeit entstanden ist, erfahrbar machen. Ich träume davon, dass die 400 Zuschauer, die im Grossmünster sitzen, etwas von der Macht des Gebets und den religiösen Auseinandersetzungen zur Zeit der Reformation spüren.»

«Ich möchte bei der Eröffnung des Gotthardtunnels zeigen, dass der Fortschritt auch eine erschreckende Seite hat – dass das Kühne der Technik immer auch mit Opfern verbunden ist.»

Einige Videos dieser Inszenierungen sind im Internet abrufbar:

Andreas Knapp (geb. 1958 im badischen Hettingen) ist ein Sprach- und ein Gottsucher. Seine Gedichtbände zählen zur eindrucksvollsten und meistgelesenen spirituellen Poesie unserer Zeit. Nach Tätigkeiten als Studentenpfarrer und Leiter eines Priesterseminars wurde er Mitglied der «Kleinen Brüder vom Evangelium». Inspiriert vom Offizier, Forscher und Eremiten Charles de Foucauld (1916 in Libyen ermordet) will diese Gemeinschaft mitten in der Welt Christus nachfolgen. Knapp lebt am Stadtrand von Leipzig in einem säkular geprägten Umfeld. Zehn Jahre war er Saisonarbeiter im Versandbereich, seit zwei Jahren ist er Gefängnisseelsorger. Das Preisgeld lässt er vertriebenen Christen aus Mossul, Karakosch und Aleppo zukommen, die in Leipzig eine christlich-syrische Gemeinde aufbauen.

Zwei seiner Gedichte mögen Knapps Sprachkraft illustrieren:

unser Stadtviertel

unser Stadtviertel
ist unser Kloster
und die belebten Straßenkreuzungen
sind unser Kreuzgang
unsere Klosterwerkstätten
sind die Fabriken
und unsere Gebetszeiten
werden von der Stechuhr diktiert
die Gesichter der Menschen sind die Ikonen die wir verehren
und im leidgezeichneten Antlitz
schauen wir auf den Gekreuzigten»

Gott

Unwort der Jahrtausende
blutbesudelt und missbraucht
und darum endlich zu löschen
aus dem Vokabular der Menschheit

Redeverbot von Gott
getilgt werde sein Name
die Erinnerung an ihn vergehe
wie auf Erden so im Himmel

wenn unsere Sprache aber
dann ganz gottlos ist
in welchem Wort
wird unser Heimweh wohnen

wem schreien wir noch
den Weltschmerz entgegen
und wen loben wir
für das Licht

Die Titel seiner letzten Bücher heissen:

  • Beim Anblick eines Grashalms (2017)
  • Das Ende vom Ende (2016)
  • Lebensspuren im Sand. Spirituelles Tagebuch aus der Wüste (2015)
  • Heller als Licht: Biblische Gedichte (2014)

Die Preisverleihung findet am Sonntag 11. März 2018 um 15.30 Uhr im Hotel Schweizerhof in Luzern statt. Sie steht für alle offen, eine Anmeldung ist nicht nötig.

Am Montag 12. März 2018, 14.00 Uhr bis 17.15 Uhr werden Volker Hesse und Andreas Knapp im Romero-Haus den Dialog des Forums für eine offene Katholizität bestreiten und mit dem Publikum über religiöse Werte in Theater und Dichtung debattieren.

Wechsel in der Geschäftsführung der Herbert Haag Stiftung

Andreas Heggli gibt im Hinblick auf seinen 75. Geburtstag die Geschäftsführung der Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche ab, die er seit 2003 teilzeitlich verantwortete. Er hat in Tübingen noch bei Herbert Haag und Hans Küng, bei Josef Ratzinger und Walter Kasper Theologe studiert und war dann Pastoralassistent und Erwachsenenbildner in Luzern. Er hat die Ziele und Projekte der Stiftung in den letzten 14 Jahren mit viel Engagement und Umsicht verfolgt und operativ begleitet. Besonders am Herzen lag ihm die Vernetzung der kirchlichen Reformgruppen auf nationaler und internationaler Ebene. Darum wirkt er auch weiterhin in der Allianz «Es reicht!» mit. Die Stiftung dankt Andreas Heggli für seinen grossen Einsatz.

Maria-Christina Fernández hat am 1. September 2017 die Geschäftsführung der Herbert Haag Stiftung übernommen. Die Juristin war in mehreren Rechtsabteilungen und Stiftungen tätig und betreut heute als Selbständige Mandate in diversen Rechtsbereichen. Sie verfügt überdies über eine Ausbildung als klassische Sängerin und tritt im In- und Ausland als lyrisch-dramatische Sopranistin auf. Sie hatte auch verschiedene politische und kirchliche Ämter inne und fühlt sich einer offenen Katholizität verpflichtet.

Herbert Haag-Stiftung
8. September 2017 | 14:13