Für eine neue Willkommenskultur in den Kirchen

Medienmitteilung

Tagung «Gelebte Gastfreundschaft – Kirche im Tourismus» an der THC – Über 50 Teilnehmende aus den Schweizer Kirchen und Tourismusverbänden konnte Rektor Prof. Christian Cebulj am vergangenen Freitag, den 10.06.2016, an der Theologischen Hochschule Chur (THC) zur Tagung «Gelebte Gastfreundschaft – Kirche im Tourismus» begrüssen. Unter diesem Leitmotiv hatte das Pastoralinstitut der THC in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kirchenentwicklung der Universität Zürich, der Fachstelle Kirche im Tourismus der Evangelisch-Reformierten Landeskirche und der Tourismuskommission des Kantonalen Seelsorgerats Graubünden eingeladen, um die Vernetzung und Kommunikation zwischen Kirchen und Tourismusverbänden zu verbessern.

Zu Beginn erinnerte Cebulj in seiner Begrüssung daran, dass das Thema «Kirche im Tourismus» keineswegs neu sei, sondern die Kirchen seit über 50 Jahren beschäftige. Auf nationaler Ebene haben der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) und die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) ihre Tourismus-Kommissionen. Diese konnten in den letzten Jahren zahlreiche positive Akzente setzen. So waren die Kirchen auf sportlichen Grossveranstaltungen wie der Fussball Euro 2008 präsent und werden bei der Ski-WM in St. Moritz 2017 vertreten sein. Cebulj wies aber darauf hin, dass ein klares Konzept für die Arbeit der Kirchen im Tourismus nach wie vor fehle. Daher nannte er die Entwicklung eines Konzepts «kirchlicher Willkommenskultur» eine wichtige Entwicklungsaufgabe, zu der die Churer Tagung ihren Beitrag leisten wolle.

Die reformierte Dekanin Cornelia Camichel Bromeis von Davos buchstabierte zur Einstimmung auf die Tagung in sehr gelungener Weise das Leitmotiv der ‹gelebten Gastfreundschaft› durch: Biblisch seien alle Menschen Gäste auf Erden und bei echter Gastfreundschaft vermischten sich die Rollen von Geben und Nehmen, von Anbietern und Konsumenten. Mit dem Kommentar «Die Kirche setzt die Latte hoch» strich sie den hohen Anspruch der Gastfreundschaft heraus, die nicht mit ‹Gastfreundlichkeit› oder ‹Höflichkeit› zu verwechseln sei, sondern ‹Freundschaft› zum Ziel habe.

Prof. Barbara Haller Rupf, Tourismus-Expertin der HTW Chur präsentierte die aktuellen Megatrends in Gesellschaft, Technologie, Ökologie und Ökonomie. Dabei stellten sich Gesundheits- und Wellbeeingtourismus, Familien- und Mehrgenerationenangebote sowie nachhaltiges Reisen als Trends heraus. Bergregionen wie Graubünden könnten dabei in besonderer Weise dem Bedürfnis der Gäste nach Entschleunigung und Erholung in der Natur als Gegenwelt zum stressgeprägten Leben in der Stadt entsprechen. Hier können kirchliche Angebote im Bereich von Spiritualität, Meditation und Gottesdiensten in der Natur wichtige Akzente setzen.

Prof. Thomas Schlag von der Universität Zürich fragte als Praktischer Theologe, was die Tourismus-Trends konkret für die Kirchen bedeuten. Dabei bezeichnete er den Grossteil der Touristen als ‹religiöse Flaneure›, die durchaus für neue Einsichten sensibel seien. Offene Kirchen,  Gottesdienste und Begegnungen könnten punktuelle Sinnstiftung im Sinne der Schaffung «dichter Momente» bieten. Schlag empfahl den Kirchgemeinden und Pfarreien, die Gäste nicht als Fremde, sondern als Teil ihrer Gemeinden zu betrachten. René Hefti und Prof. Franz Kronthaler stellten die Ergebnisse einer Touristenbefragung vor. Darin hatten Studierende der HTW Chur im Frühjahr 2015 Touristen in Laax und auf der Lenzerheide befragt, welche Erwartungen sie an die Kirchen haben. Obwohl der Sport mit Abstand das wichtigste Interesse der Wintergäste war, erbrachte die Umfrage ein relativ hohes Interesse an kirchlichen Angeboten wie Gottesdiensten, Kirchenführungen und Kirchenkonzerten, weil diese die Ferien der Gäste bereichern. Kronthaler empfahl eine noch engere Zusammenarbeit von Kirchen und Tourismusbüros, um immer wieder neue «Win-Win-Situationen» zu schaffen. Ganz im Sinne solcher Situationen stellte Cornelia Mainetti Beispielprojekte der Fachstelle «Kirche im Tourismus» der Evang.-Ref. Landeskirche GR vor. Dazu gehören etwa Kirchenführer-Ausbildungen, eine Bergellreise mit kirchenhistorischem Schwerpunkt oder ein Theaterprojekt zum Reformationsjubiläum.

In der von Christian Cebulj und Urs Wohler (Tourismusdirektor Scuol) moderierten Podiumsdiskussion zum Abschluss der Tagung erinnerte sowohl Stefan Roth als Pfarrer der Topdestination Zermatt wie auch Hotelier Kurt Künzli vom ABC-Hotel in Chur daran, die Bedeutung der Mitarbeitenden im Hotelgewerbe nicht zu unterschätzen. Sie stehen oft als Brückenbauer zwischen Gästen und Einheimischen und tragen entscheidend dazu bei, dass Gäste in den Ferien ein Stück Heimat erleben. Das oft aus Italien, Portugal oder dem Balkan stammende Personal sei dankbar über eigene Gottesdienste oder wenigstens über muttersprachliche Elemente in der Liturgie. Thomas Schweizer (Bern) bezeichnete die Anwesenheit der Gäste als Möglichkeit der Identitätsbildung für Tourismusregionen, die stolz auf ihre Natur und Kultur sein dürften.

Kirchenführungen in der Churer Regulakirche und in St. Luzi boten bei strahlendem Sonnenschein eine abwechslungsreiche Unterbrechung des Nachmittagsprogramms. Zum Schluss stand der Begriff der «Willkommenskultur» als grosser Schlüsselbegriff über einer spannenden Tagung an der Theologischen Hochschule Chur, die als aktuelle Standortbestimmung, aber noch mehr als engagiertes Plädoyer für weitere, vertiefte Kooperationen zwischen Kirchen und Tourismus verstanden werden darf.

Theologische Hochschule Chur
13. Juni 2016 | 11:27