Empört euch!

Die IG Feministische Theologinnen protestiert gegen den Vergleich von Abtreibungen mit Auftragsmord durch Papst Franziskus

Schon wieder gibt die Kirchenleitung der römisch-katholischen Kirche Anlass zur Empörung. Während die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale erst zögerlich beginnt und strukturelle Massnahmen noch kaum im Blick sind, sorgt Papst Franziskus für einen weiteren Skandal. Am 10. Oktober 2018 behandelte das Oberhaupt der Katholikinnen und Katholiken in seiner wöchentlichen Audienz auf dem Petersplatz das Gebot «Du sollst nicht töten». Dabei stellte er Abtreibung mit einem Auftragsmord gleich: «Ich frage Euch: Ist es gerecht, jemanden umzubringen, um ein Problem zu lösen? Das kann man nicht machen, es ist nicht gerecht, einen Menschen umzubringen, auch wenn er klein ist.» Und er fuhr vom Redemanuskript abweichend fort: «Es ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.» Weiter führte er aus, dass Eltern, welche die Diagnose einer schweren Behinderung ihres ungeborenen Kindes bekämen, «wahre Nähe» und Solidarität brauchen, um ihre Ängste zu überwinden. «Stattdessen bekommen sie hastige Ratschläge, die Schwangerschaft abzubrechen. Das sagt man so: die Schwangerschaft unterbrechen. Aber das bedeutet, jemanden direkt um die Ecke zu bringen.» Schockierende Worte des Papstes, die im Klartext heissen: Frauen, die ein Kind abtreiben, sind Kriminelle, die einen Mord in Auftrag geben!

So schockierend die Aussage des Papstes ist, so wenig ist sie als einmaliger verbaler Ausrutscher zu verstehen. Denn bereits im Juni dieses Jahres hatte sich der aus Argentinien stammende Papst mit einem unsäglichen Vergleich in den Abstimmungskampf um die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in seinem Heimatland eingemischt. Er verglich die Abtreibung behinderter Kinder mit dem Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten. Im vergangenen Jahrhundert habe sich die ganze Welt über die Euthanasie der Nazis empört. Heute mache man «dasselbe mit weissen Handschuhen», meinte er. Eine ungeheuerliche Aussage! Doch damals blieb der grosse Empörungsschrei aus.

Dass für die katholische Kirche Abtreibung in jedem Fall eine schwere Sünde ist, die mit Exkommunikation bestraft werden kann, und dass der Schutz des «ungeborenen Lebens» sakrosankt ist, während die Lebenssituation der betroffenen Frauen komplett ausgeblendet wird, entspricht der offiziellen kirchlichen Doktrin. Dies ist also nicht neu. Nicht neu ist auch, dass die an der ungewollten Schwangerschaft beteiligten Männer keine Erwähnung finden. Und dass die römisch-katholische Kirche sich vehement in Abstimmungskämpfe zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einmischt, hat System. So hat sie auch in

Polen und Irland, im Verein mit rechtskonservativen und rechtspopulistischen Kreisen, versucht, eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes durchzusetzen bzw. die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu verhindern. Gleichzeitig sind Verhütungsmittel wie Pille und Kondome vom Vatikan nach wie vor verboten! Wenn Verhütung also verboten ist und eine Frau ungewollt schwanger wird und keine Möglichkeit sieht, ein Kind aufzuziehen, kann sie in vielen katholisch geprägten Ländern nicht auf legale Weise abtreiben. Dies hat für Abertausende von Frauen, und gerade für arme Frauen, die nicht für eine Abtreibung ins Ausland reisen können und es deshalb auf illegalem Weg versuchen, grosses Leiden zur Folge. Anstatt Frauen als Verbrecherinnen zu behandeln und ihnen zu unterstellen, dass sie leichtfertig und skrupellos Leben vernichten, sollte Frauen, die sich in einer existentiellen Notlage befinden, geholfen werden.

Doch für die römisch-katholische Amtskirche und selbst für den jetzigen sozialpolitisch engagierten und reformwilligen Papst ist die Option für die Frauen und deren Schicksale scheinbar kein Anliegen. Die konkrete Lebenswirklichkeit von Frauen wird weder wahrgenommen noch respektiert. Im Gegenteil: Weiterhin wird von klerikalen Kirchenmännern ganz selbstverständlich über den Körper und die Sexualität der Frau bestimmt, wird mit heiligem Furor am Körper der Frau ein Exempel statuiert, werden Frauen-Menschenrechte wie sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung auf allen Ebenen bekämpft, werden traditionelle Geschlechterrollen und konservative Familienwerte hochgehalten und Gender-Studies als dämonische Ideologie verteufelt.

Wie lange wollen wir uns das als Frauen noch gefallen lassen?

Empört euch!

IG Feministische Theologinnen
17. Oktober 2018 | 08:06