«Ehe und Trauung für alle? Ein innerkirchlicher Diskurs» – Ergebnisse der Gesprächssynode vom 16. Oktober 2021

Medienmitteilung

Am 16. Oktober 2021 diskutierte die Synode (das Parlament) der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn an einer extra einberufenen Gesprächssynode über die Frage, ob nach der Annahme der «Ehe für alle» auch eine kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt werden soll. Es zeigte sich, wie wichtig die persönliche Begegnung, das einander Zuhören und Verstehen verschiedener Meinungen ist, dass der Einbezug und die Akzeptanz gleichgeschlechtlich liebender Menschen noch verstärkt werden muss, dass die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen bewahrt werden soll, und dass man trotz unterschiedlicher Meinungen gemeinsam Kirche sein kann und bleiben wird.

Am 26. September 2021 sprach sich eine Mehrheit der Stimmbevölkerung für die Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare aus. Bereits im November 2019 beriet die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK (heute: Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz – EKS) über diese Frage und befürwortete mit 49 zu 11 Stimmen die Öffnung der zivilrechtlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Die Abgeordnetenversammlung empfahl zudem den reformierten Kantonalkirchen, auch die kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare zu ermöglichen. Es ist nun an den einzelnen Kantonalkirchen, darüber zu entscheiden. Zur vertieften Auseinandersetzung und zur Meinungsfindung der Parlamentsmitglieder in dieser Frage organisierten die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn am Samstag, 16. Oktober 2021 in Zollikofen eine Gesprächssynode. Das Programm bestand u.a. aus drei Referaten, einer Podiumsdiskussion mit Befürwortern und Gegnern der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare, Gruppengesprächen und einem abschliessenden Plenum.

Die Akzeptanz gleichgeschlechtlich liebender Menschen muss verstärkt werden

An der Gesprächssynode waren auch diejenigen Menschen vertreten, um die es in dieser Debatte geht: gleichgeschlechtlich liebende Frauen und Männer. Roland Weber, Co-Präsident des Vereins «Zwischenraum» (Verein von LGBTIQ+ Christinnen und Christen), nahm an der Podiumsdiskussion teil. Er bedankte sich für die Einladung, die ihn berührt habe. Die Tagung sei ein Segen. Die Kirche gehe damit in eine gute Richtung, es wehe ein guter Geist in ihr. Eine reformierte Pfarrerin aus dem Jura, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, argumentierte, dass Gott jeden Menschen bedingungslos liebe. Seine Liebe vereine die Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Darum sei es auch folgerichtig, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen und sie damit unter den Segen Gottes zu stellen. Ein Synodaler meinte, die Abstimmung zur «Ehe für alle» gebe der Kirche die Chance, auf die betroffenen Menschen erneut zuzugehen, das Gespräch zu suchen und gemeinsam weiterzugehen. Persönliche Begegnungen hätten dabei ein grosses Potential für eine positive Veränderung und für eine Versöhnung. Diese Schritte brauchten Mut und Zuversicht. Es brauche aber auch Zeit, um sich-mit den für viele noch neuen Themen gleichgeschlechtliche Orientierung, Beziehung, Ehe und Trauung auseinanderzusetzen, sagte ein anderes Synodenmitglied. Eine Podiumsteilnehmerin meinte, gleichgeschlechtliche Menschen müssten in ihren Kirchen noch stärker sichtbar werden.

Die Gewissensfreiheit von Pfarrpersonen ist gewährleistet

Die Bibel wird betreffend Homosexualität, gleichgeschlechtliche Ehe und Trauung unterschiedlich interpretiert. Die Reformierte Kirche hat nicht wie andere Kirchen ein zentrales Lehramt, welches eine Interpretation festlegt. Eine Pfarrperson soll folglich nicht dazu verpflichtet werden können, eine gleichgeschlechtliche Trauung durchzuführen. Die Gewissensfreiheit von Pfarrpersonen ist in der Kirchenordnung der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn gewährleistet (Art. 132). Die Gewissensfreiheit ist auch Marc Jost ein wichtiges Anliegen. Er ist Mitglied der Reformierten Kirche und zugleich Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz. Jost, der an der Podiumsdiskussion teilnahm, befürwortet eine liturgische Unterscheidung bei der Trauung von homo und heterosexuellen Paaren. Damit wolle er aber gleichgeschlechtlich orientierte Menschen nicht abwerten. Viviane Baud, Pfarrerin in Winterthur und Mitglied der Synode der Reformierten Kirche Kanton Zürich, ist gegen die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Sie bat auf dem Podium darum, diejenigen Pfarrpersonen, welche dies ablehnten, nicht auszuschliessen. Auch Roland Weber betonte die Wichtigkeit der Gewissensfreiheit von Pfarrpersonen.

Die Gemeinsamkeiten sind grösser als die Unterschiede

Wie Roland Weber schätzte auch Marc Jost ausserordentlich, dass es diese Gesprächssynode gab. Mehrere Tagungsteilnehmende betonten, dass es in unserer Kirche weiterhin möglich sein müsse, unterschiedliche Meinungen zu haben und trotzdem zusammen Kirche zu sein. Denn auch unter Geschwistern sei man sich nicht immer über alles einig. Man habe aber insgesamt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ein Synodenmitglied bemerkte gegen Ende der Gesprächssynode: «Der Tag ist eine Saat – ich bin gespannt, was davon aufgehen wird. Ich bin gespannt, wie wir – von Gott bewegt, den Menschen verpflichtet – weitergehen können.» Ein anderes Synodenmitglied fragte, wie nun dieses Thema unter die Leute gebracht werden könne? Judith Pörksen Roder, die Präsidentin des Synodalrats der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, verwies in ihrem Schlusswort auf die Materialien auf der Website und ermunterte die Synodenmitglieder dazu, in Kirchgemeinden, Bezirken und Gruppen offene Gespräche über das Thema Ehe und Trauung für gleichgeschlechtliche Paare zu führen. Die Gesamtkirchlichen Dienste seien dabei gerne behilflich. Über die Frage der Einführung der kirchlichen Trauung für gleichgeschlechtliche Paare entscheidet die Synode voraussichtlich im Sommer oder Herbst 2022.

Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn
19. Oktober 2021 | 07:31