«Du bist kein Mensch mehr»

Barmherzigkeit ist ür Individuen und Gesellschaften ein dehnbarer Begriff: Ein Jahr, bevor die Protestanten das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation feiern werden, hat der Papst das Jahr 2016 zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Das heisst, alle gläubigen Katholiken dürfen mit dem Ablass ihrer Sünden rechnen, sofern sie diese bereuen. Martin Luther bezeichnete dies vor 500 Jahren als «lästerlichen Betrug», da nur Gott allein einen Ablass der Sünden erteilen dürfe. Was ist über den religiös geprägten Kontext hinaus unter dem Begriff Barmherzigkeit zu verstehen? Wie leben Menschen Barmherzigkeit? Wann und wo kippt sie in ihr Gegenteil? Eine zwölfteilige Serie zu diesen Fragen erscheint im Monatsrhythmus. Heute: Mario sitzt in der Strafanstalt Saxerriet eine dreijährige Gefängnisstrafe ab. Er hadert weniger mit seiner Verurteilung als vielmehr mit den in seinen Augen «unbarmherzigen» Abläufen in der Untersuchungshaft.

St. Galler Tagblatt
22. Februar 2016 | 07:44