Diözese St. Pölten: Geheime Hochschule und Engelwerk

Undurchsichtige Bruderschaften haben sich in der Diözese etabliert. Äbte und Priester fordern einen Reinigungsprozess

«Reinigungsprozess», «pastorale Perspektiven für die Zukunft», «umfassender Erneuerungsprozess». Die Äbte der Diözese St. Pölten machten in ihrem Gespräch am Wochenende mit dem Apostolischen Visitator, Bischof Klaus Küng, ihren Standpunkt einhellig klar.

GUDULA WALTERSKIRCHEN (Die Presse) 03.08.2004

ST. PÖLTEN.

Die Bedeutung der Klöster für die Seelsorge ist beträchtlich, sie stellen mehr als die Hälfte der Priester. Es geht für sie nicht nur um die Frage, ob Bischof Kurt Krenn weiter die Diözese leitet oder nicht. Auch im Klerus besteht die Sorge, dass jene, die sich im Gefolge Krenns in der Diözese niedergelassen haben, nach einem Wechsel an der Spitze ungehindert weiterarbeiten dürfen.

Etwa die «Gemeinschaft vom Heiligen Josef». Diese ließ sich Mitte der neunziger Jahre in Kleinhain bei St. Pölten in einem ehemaligen Gasthof nieder. 1995 wurde sie von Krenn offiziell als «öffentlicher Verein diözesanen Rechts» errichtet. Hauptziel der Gemeinschaft ist die Förderung geistlicher Berufe, damit entsprach man dem dringenden Wunsch des Bischofs nach mehr Priestern. In Kleinhain wurde ein eigenes Priesterseminar, unabhängig vom diözesanen, eingerichtet. Auch dem sonst vorgeschriebenen einjährigen Vorbereitungslehrgang entzog man sich.

Aber man erfüllte die Erwartungen Krenns: Bereits 1996 wurden die ersten vier Mitglieder der Gemeinschaft zu Priestern geweiht. Sowohl die Priester als auch die Diakone der Gemeinschaft sind in der Diözese inkardiniert, haben hier also quasi eine Art Heimatrecht. Und sie wurden vom Bischof bevorzugt behandelt. «Es hat genügt, wenn man zur St. Josef-Gemeinschaft zählt und schon wurde man etwa für das Studium freigestellt», so ein Insider.

Im Zuge der Affäre im Priesterseminar versuchte Krenn sogar eine weitere Machtausweitung und direkte Einflussnahme der St. Josef-Gemeinschaft auf die gesamte Priesterausbildung: Er machte ihren Moderator Werner Schmid zum Nachfolger von Regens Ulrich Küchl.

Noch rätselhafter ist jene Kongregation, die sich in Blindenmarkt in der Nähe von Amstetten niedergelassen hat: die «Servi Jesu et Mariae» (SJM). Die Kongregation wurde 1988 gegründet, sie steht hinter der umstrittenen «Katholischen Pfadfinderschaft Europas». Auch diese Gemeinschaft ließ sich in der Amtszeit Krenns in der Diözese nieder. Die Kongregation betreibt in Blindenmarkt eine eigene theologische Hochschule und bildet Priester aus. Die Hochschule ist aber staatlich nicht anerkannt, auch die konkrete Aufgabe des Ordens ist nicht klar. «Niemand weiß, was dort vor sich geht», heißt es. Insgesamt wurden bereits mehr als zehn Priester der Servi Jesu et Mariae geweiht, einer von ihnen wirkt in der Pfarre Petzenkirchen, einer in Blindenmarkt. Sie fielen bisher vor allem dadurch auf, dass sie die Messen auf Latein lesen und auch die Handkommunion verweigern, was der Vatikan ausdrücklich ablehnt.

Insgesamt sind derzeit 24 Ordensmitglieder in Blindenmarkt, der Orden ist auch in Deutschland und in Südosteuropa tätig. Insidern zufolge beziehen sowohl die St. Josefs-Gemeinschaft als auch die SJM Unterstützung aus dem Budget der Diözese.

Seltsames geht auch in Reinsberg vor: Dort haben sich vor fünf Jahren Priester des als Sekte eingestuften Engelwerks niedergelassen. «Eines Tages sind drei Priester in Talaren durch den Ort spaziert», wird berichtet. Selbst der Dechant habe nichts gewusst. Inzwischen sind die drei Engelwerker in der Diözese inkardiniert, haben aber keine Pfarre übernommen. «Hoffentlich ist der ganze Spuk bald vorbei», sagt ein hoher Kleriker.

Die Presse
3. August 2004 | 00:00