Dies judaicus – Tag des Judentums

Die römisch-katholische Kirche der Schweiz führt einen Tag des Judentums (Dies judaicus) ein, um auf diese Weise die tiefe Verbundenheit von Judentum und Christentum zum Ausdruck zu bringen. Für den Dies judaicus wurde der 2. Fastensonntag gewählt; er findet 2011 zum ersten Mal statt.

Ein solcher Jahrestag wird schon in vielen benachbarten Ländern von der katholischen Kirche begangen, so in Italien, Österreich, Polen und den Niederlanden. Die Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum hat diese Einrichtung empfohlen, der die Schweizer Bischofskonferenz mit ihrem Entschluss gefolgt ist.

Am Dies judaicus rufen wir uns ins Gedächtnis, was das Judentum in Vergangenheit und Gegenwart für uns und für unseren christlichen Glauben bedeutet. Wir sind darin verwurzelt (vgl. Römer 9-11). Die Juden sind unsere älteren Geschwister im Glauben. Gott hat das Volk Israel in Liebe erwählt und mit ihm seinen Bund geschlossen, und dieser bleibt für immer bestehen.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies in der epochemachenden Erklärung Nostra Aetate (1965) in das Bewusstsein der katholischen Kirche zurückgerufen. Seitdem haben zahlreiche Dokumente der Kirche die geistliche Verbundenheit der Kinder Abrahams betont und das geschwisterliche Gespräch gefordert. Die Kirche will die gegenseitige Kenntnis und Achtung der Religionen fördern. Es hat in der Geschichte zuviel Ablehnung, Verachtung und Hass gegenüber den Juden gegeben. Das widerspricht dem christlichen Glauben und muss im Kampf gegen alle Manifestationen von Antijudaismus und Antisemitismus endgültig überwunden werden. Auch die evangelischen Kirchen setzen sich seit 1945 für die jüdisch-christliche Verständigung ein.

Die Weggemeinschaft zwischen Juden und Christen ist ein Anliegen des Glaubens und des Gebetes. Daher hat es seinen Platz in der Liturgie und im Gottesdienst der Kirche. Gerade die Fastenzeit eignet sich für eine solche Besinnung, denn es werden viele Abschnitte aus dem Alten Testament, der jüdischen Bibel, vorgelesen und erklärt. Die Liturgie stellt in dieser Zeit des Kirchenjahres den Zusammenhang zwischen Judentum und Kirche her.

Im Sinne eines echten Dialogs begegnet der Dies judaicus einem Wunsch auf jüdischer Seite. Er wird vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund begrüsst. Die Oberrabbiner Israels haben in einem Gespräch mit Papst Johannes Paul II. bereits 2004 die Bedeutung unterstrichen, die sie einem solchen Tag zumessen würden.

Es ist zu hoffen, dass die regelmässige, jährliche Begehung eines Tags des Judentums den Dialog zwischen christlichen und jüdischen Frauen und Männern sowie das gegenseitige Kennenlernen der beiden Religionen fördern wird. Jede Form von Judenmission wird abgelehnt. Ein echtes Gespräch setzt die Anerkennung und Wertschätzung der anderen Religion sowie die Treue zum eigenen Glauben voraus. Es geht auch nicht um eine politische Stellungnahme zum Nahostkonflikt, sondern um die grundlegende Verbundenheit der Kirche mit dem Volk Israel.

Die Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission der Schweizer Bischofskonferenz und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes wird jährlich Materialien zur Verfügung stellen und Anregungen geben, um den Tag des Judentums durch Gottesdienst, Begegnungen und Veranstaltungen zum jüdisch-christlichen Dialog zu gestalten. Jede Eigeninitiative zur Förderung des Dies judaicus ist zudem willkommen. Es soll ein Tag des Feierns, des Gebetes und der vertieften Kenntnis des Judentums werden.

Die Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission der Schweiz (JRGK)

[pdf] Zur Bedeutung des Dies Judaicus (pdf)
[pdf] Bischofswort von Bischof Vitus Huonder (pdf)

Schweizer Bischofskonferenz SBK
1. März 2011 | 09:36